PERU 1999

 

Aufgeschrieben von Andreas Schwar

 

Vorbemerkung

 

Nach mehreren Anläufen - 1998, März 1999 - können wir uns nun endlich auf reichlich 3 Wochen Peru im September 1999 einigen. Wir, das sind zwei Informatiker aus Dresden (Ina und Ricardo), Jojo, ein Biologiestudent mit bürgerlichen Namen Johannes, Volker, ein Exilossi, welcher nun aus jobtechnischen Gründen im fernen München leben muß und ich, Specki (Andreas), der an der Cottbusser Uni seine Existenz als Wissenschaftlicher Assistent gefunden hat.

 

Einen günstigen Zeitpunkt für die Reise zu finden war nicht einfach: November bis März herrscht gerade im Peruanischen Hochland Regenzeit. Das kann schon mal zu Problemen führen, wenn zum Beispiel Straßen, die manchmal ohnehin schon den Begriff gar nicht verdienen und Eisenbahnlinien durch Erdrutsche, Schlammlawinen und Wassermassen unpassierbar werden. Juli und August scheidet als Hauptreisezeit ebenfalls aus. Interessant für uns war nun nur der September und Oktober weil zumindest die Leute, welche etwas an Universitäten zu tun haben, wiederum an Semesterferien gebunden sind.

 

Im März gab es das letzte große Vorbereitungstreffen, selbstverständlich in der "Pyramida" unweit vom legendären Misthaus. Des Sonntags in der Frühe, nur noch unwesentlich verkartert, breiteten wir Landkarten, Reiseführer und was sonst noch alles über Peru aufzutreiben auf einen großen Tisch aus und saßen sämtliche Details aus. So beschlossen wir unter anderem, verschärftes Konditionstraining anzusetzten weil es laut Reisebeschreibungen und gesunden Menschenverstand ab 4000 m doch ganz schön zur Sache geht. So durchwanderten zum Beispiel Volker, ich und noch weitere Freunde ein verlängertes Wochenende mal das Watzmanngebiet, Boofen sind wir sowieso regelmäßig. Jojo und manchmal auch Ina trainieren in Dresden irgend eine japanische Kampfsportart. Das sollte als Vorbereitung eigentlich reichen. Nur bei Ricardo hatte ich noch einige Bedenken, auch weil er das halbe Jahr vorher noch in Frankfurt a.M. bei einer Bank aushelfen mußte und so schwer seine Trainingserfolge zu kontrollieren waren.

 

 

 

 

 

Die Hinreise

 

Die Tür knallt ins Schoß, ich hoffe, ich habe nichts vergessen. Los geht es, viel zu zeitig, zum Cottbuser Bahnhof, kaufe mir eine Fahrkarte nach Dresden und geselle mich zu den anderen Wartenden. Auf dem Bahnsteig kommt ein seltsamer Typ mit Rucksack angelaufen und fragt mich mindestens dreimal, ob denn dieser Zug wirklich auch nach Senftenberg fährt. Der Mann sieht eher danach aus, als würde er öfters mal die Strecken im Lausitzer Braunkohlerevier abfahren. Ich erzähle ihm nicht, was das Ziel meiner Reise ist. Sein Deutsch ist auch sehr schlecht zu verstehen. Naja, egal. Bis Dresden gibt es nichts nennenswertes mehr zu berichten.

 

Ab Dresden hatten wir ein Rail & Fly – Ticket bis Frankfurt a.M. gelöst, außer Volker, er muß den weiten Weg von München nach Frankfurt allein durchstehen. In Dresden – Neustadt habe ich noch massig Zeit, Treffpunkt ist erst gegen 23 Uhr. Doch zu diesem Zeitpunkt hat in der Weltstadt Dresden auf dem Bahnhof schon alles geschlossen. Aus einem Lebensmittelladen werde ich wieder heraus gewiesen weil die Dame dort gerade ihre Tageseinkünfte zählt und deshalb natürlich nichts mehr verkaufen kann. Am "Interimbiss" ist man dann aber doch so gnädig und reicht mir noch paar Dosenbiere. So wird das Warten schon viel angenehmer. Jojo erscheint als erster, kurz danach Ina und Ricardo.

 

Wir beziehen unseren polnischen Schlafwagen mit richtigen polnischen Schlafwagenschaffnern und einem Kurswagen aus dem fernen Moskau kommend. Zur Entspannung trinke ich noch ein letztes Gute-Nacht-Bier und schlafe wunderbar bis Inas Wecker klingelt und die Frankfurter Skyline unwiderruflich am Fenster vorbei geschoben wird. Mit einer S-Bahn fahren wir nach einem kurzem Frühstück zum Frankfurter Flughafen. Das ist ja fast eine Stadt für sich, trotzdem ist der Check-In Schalter schnell gefunden. Ricardo möchte sich sofort anstellen, dann ringen wir uns aber doch durch, erst einmal auf Volker zu warten. Dieser kommt auch bald. Am Schalter wird jeder von netten America Airlines Angestellten interviewt, ob wir die Rucksäcke selbst gepackt hätten, Gegenstände angenommen hätten, den Rucksack ohne Aufsicht stehen gelassen hätten, Kommunisten, Anarchisten, Maoisten, PDS-Wähler oder noch schlimmeres sind und uns wurde fairerweise auch nicht verheimlicht, daß unsere Rucksäcke demnächst geröntgt werden und daß bei Verdacht sogar Spürhunde hinter den Kulissen bereitständen... Als ob ich Drogen nach Peru schmuggeln würde! Als das überstanden ist gehen wir in Warteposition. Volker fummelte schon ein Weilchen an seiner Uhr herum und muß feststellen, daß seine Batterie den Geist aufgegeben hat. Ihn kann aber keiner helfen, sprich, nirgends gibt es das passende Teil zu kaufen. Dafür und zur allgemeinen Belustigung kippt sich Volker ein Bier über die Hose; es sollte bei weitem nicht der einzige Schmutzfleck bleiben...

 

Im Flieger in Richtig Dallas, kein Schreibfehler – wirklich in Richtung Dallas (Direktflüge waren nicht mehr zu bekommen) eröffnet uns die Stewardes, daß die Videoanlage im Arsch ist. Na gut, es gibt schlimmeres. Zum Beispiel Amibier, auf welches wir notgedrungenerweise bald umsteigen müssen weil die dänischen Sorten – logisch – zuerst ausgetrunken waren. Ansonsten ist die Verpflegung aber wirklich nicht von schlechten Eltern. Ab Kanada sitze ich am Fenster, eindrucksvoll ist der langsame Übergang von grünen und blauen Farbtupfern zur Zivilisation in Richtung Süden. Wir überfliegen die Großen Seen, danach bewölkt es sich wieder. Kurz vor der Landung müssen wir diverse Zettel mit blöden Fragen ausfüllen. Jeder, der schon mal in USA war kennt diese Prozedur. Ich würde dort ja bestimmt auch hinschreiben, wenn wir beispielsweise in Amerika minderjährige Jungs... naja lassen wir das. In Dallas werden wir gleich in den Transitraum geführt und hätten somit die ganzen Zetteleien gar nicht ausfüllen brauchen. Leider besitzt der Kiosk im Transitraum keine Lizenz, ist aber nicht weiter schlimm, da wir sowieso nur eine reichliche Stunde Aufenthalt haben.

Nun sitzen wir wieder im Flugzeug, es wird auch bald finster und ich schlummere ein. Plötzlich beginnt eine hektische Geschäftigkeit, mein noch volles Bier wird eingesammelt und die Kellnerin nötigt mich mit der Taschenlampe in der Hand, mich anzuschnallen. Außerdem ist es stockfinster. Nanu?!? Da wird wohl nichts kaputt gegangen sein. Irgendwann spricht der Kapitän beruhigende Worte, etwas von defekten Kabinengenerator oder so ähnlich und es geht erst einmal normal weiter. Später kommt die Durchsage, daß wir in Guayaquil (Equador) runtergehen, dort soll, sagt man uns, die Kiste wieder zusammengeflickt werden. Die Landung verläuft ohne Zwischengfälle. Als alles steht, drehen auch die Flughafenfeuerwehren wieder ab. Beruhigendes Gefühl. Wir werden wieder in den Transitraum einquartiert, lernen eine junge Frau aus Deutschland kennen, welche an einer Schule in Arequipa Spanisch unterrichten möchte. Nach ca. 4 Stunden geht es weiter. Uns ist das relativ egal, wir hätten sowieso noch die halbe Nacht auf dem Flughafen in Lima verbringen müssen, bis die erste Maschine nach Cusco geht. Den Limaer Flughafen sollten wir aber zu einem späteren Zeitraum noch sehr genau kennenlernen. Das schon mal vorweg.

 

 

Lima I

 

Völlig breit und übermüdet schleppen wir uns zur Gepäckausgabe und siehe da, unsere Rucksäcke kommen sogar herbeigerollt. Schön, das hätte also geklappt. Noch im und vor dem Flughafen erwartet uns eine riesige Schar von Leuten, welche meistens Taxidienste anbieten. Diese überschreien sich mit ihren Schildchen in der Hand gegenseitig. Das ganze sieht fast wie eine Demonstration aus. Wir schieben uns erstmal an der quirligen Masse vorbei. Ricardo läßt sich dann doch von einer Frau mit Airport Identitätskarte erweichen. Diese hat zu berichten, daß sämtliche Flüge nach Cusco ausgebucht sind und will uns deshalb ein Hotel verticken. Vorher lassen wir uns aber noch die Schalter der Inlandfluglinien zeigen. Falls die Frau wirklich recht haben sollte, müssen wir ja für den nächsten Tag buchen. Die Frau hatte aber unrecht und wir bekommen sofort 5 Flüge nach Cusco. Aber Hallo! Von der Frau fehlt selbstverständlich mittlerweile jede Spur. Also aufgepasst Leute, man legt es offensichtlich manchmal darauf an, in Peru zu bescheißen. Die Inlandsflüge sind relativ preiswert: wir bezahlen pro Flug 79 US$+ 5 US$ Flughafensteuer. Gegen 6 Uhr dämmert es und man sieht den feinen Nebel, der sich den ganzen Winter, also von Mai bis Oktober, an der Küste entlangzieht. Schuld hat der kalte Humboldtstrom, dieser verhindert, daß sich die Luft an der Küste erwärmt und verursacht somit in Wintermonaten eine Inversionswetterlage. Oberhalb 500 m fliegen wir aus den Nebel heraus und überqueren die Anden. Spektakulär! Wir sehen Gletscher, tiefe Täler, Hochebenen, sehr beeindruckend ist auch der Landeanflug im engen Hochtal von Cusco. Man könnte manchmal glauben, die Flügelspitze schrammt an den Felsen entlang.

 

 

 

 

Cusco I

 

In Cusco ist es recht kühl, erstens sind wir auf 3200 m Höhe und zweitens ist es erst 9 Uhr in der Frühe. Eine halbe Stunde nach der Landung können wir unser Gepäck greifen und laufen in Richtung Flugplatzausgang. Selbstverständlich stehen dort auch wieder viele Leute mit ihren Taxis. Wir ignorieren das ganze, ziehen uns in eine ruhige Ecke zurück und schlürfen unseren ersten Cocatee, schmeckt irgendwie interessant. Ich kannte ja den Geschmack schon bißchen, so etwas wurde schon mal bei einer Booftour am abendlichen Lagerfeuer gereicht. In der Zwischenzeit nehmen wir Verhandlungen mit einem Taxifahrer auf, er möchte uns gern in ein Hotel bringen, wo die Übernachtung 12 US$ kosten soll, wir handeln auf 8 Dollar runter und fahren mit ihm in die Stadt. Fünf Leute und fünf Rucksäcke sind für den kleinen PKW kein Problem. Für uns auch nicht.

Wir bekommen das erstemal aus dem Taxifenster peruanische Verhältnisse präsentiert: viele laut hupende, stinkende Autos. Verkehrsregeln werden als Empfehlungen angesehen. Irgendwann halten wir vor einem Haus, ganz in der Nähe des Hauptplatzes ("Plaza de Armas"), so heißt in jeder peruanischen Ansiedlung praktisch der Markt, und staun, das Hotel sieht gar nicht schlecht aus, besitzt sogar einen sehr schönen Innenhof. Mir fällt die Ähnlichkeit diverser Einrichtungen und Dinge mit dem spanischen Mutterland auf: angefangen bei dem System der Klospülung, dem Bettenbau bis hin zur Architektur. Währenddessen unsere Zimmer hergerichtet werden, trinken wir den nächsten Cocatee, man muß ja schließlich etwas gegen potentielle Höhenkrankheiten tun. Bald kommt richtig Hunger auf und wir beschließen, auf Nahrungssuche zu gehen, kommen an der Plaza raus und werden sofort massiv von allen möglichen Leuten umworben: Postkarten- und Zigarettenverkäufer, Schuhputzer, Indigena-Frauen mit Textilien und Schmuck, Trekking- und andere Reiseanbieter. Daran sollten wir uns gewöhnen müssen. Wir finden eine Kneipe im mexikanischen Stile und probieren verschiede Menüs, alle so um die 10 Soles (für einen Sol legt man ungefähr 60 Pfennig) und es schmeckt lecker!

Plötzlich schert es mich aus, bekomme Schüttelfrost, mir wird schwarz vor Augen und ich schaffe es gerade noch so bis an die frische Luft. Ich soll wohl auch kreideweiß ausgesehen haben. Nach ca. 20 min ist der Spuk vorbei und ich kann sogar weiter essen. Im Hotel machen wir eine ausgedehnte Mittagsruhe. Danach ist eine Art Stadtbesichtigung angesetzt, diese breche ich aber vorzeitig ab, weil sich wieder ähnliche Symptome wie zu Mittag ankündigen. Die Höhenkrankheit soll aber anders verlaufen, das beruhigt mich. Ich lege mich wieder ins Bett, bin dann abends wieder einigermaßen fit und gehe mit den anderen noch was essen. Gegen 21.00 ist dann aber endgültig Feierabend und ich falle in einen langen, tiefen und traumlosen Schlaf. War wohl doch bißchen viel für den ersten Tag: 24 Stunden nicht richtig geschlafen, Jetlag, die große Höhe, die stinkenden Abgase und letztendlich sicher auch die starke Sonneneinstrahlung.

 

Die ersten paar Tage wollen wir uns akklimatisieren und an die große Höhe gewöhnen. Außerdem ist Cusco und Umgebung ja auch nicht gerade arm an Sehenswürdigkeiten.

Das Frühstück im Hotel ist eher spartanisch, nennt sich "Continental Breakfast" und erinnert ebenfalls sehr an Spanien bis auf den leckeren Papajasaft, frisch gepresst – versteht sich.

In einem Reisebüro an der Plaza machen wir eine Transport nach Chinchero für 100 Soles insgesamt klar. In Chinchero soll es viele Anzeichen der Inkakultur und einen interessanten Markt geben... Bis es los geht, treiben wir uns noch ein wenig auf dem Platz herum. Dort ist gerade eine Art Militärparade im Gange, bewaffnete Soldaten steppen an einer Tribüne vorbei, darauf sitzen sonnenbebrillte Militärdiktatoren und Politiker mit nach hinten gekämmten fettigen Haaren, alle im biblichen Alter. Mir könnte fast schon wieder schlecht werden. Nach den Soldaten marschiert das Lehrerpersonal diverser Schulen aus Cusco und Umgebung. Alles sieht sehr gut einstudiert aus. Wahrscheinlich hängt die ganze Maßnahme mit einer gewissen Alphabetisierungskampangne zusammen, welche noch aus Zeiten der linken Militärregierung unter Velasco stammt und diese, selbst unter Fujimori, irgendwie noch zu Propagandazwecken genutzt wird. Wer weiß.

Die Fahrt nach Chinchero dauert eine dreiviertel Stunde, die Vororte von Cusco ziehen sich noch endlos des Hang hinauf und in diesen Gegenden sieht es schon sehr viel anders aus als um die Plaza. Wir überqueren einen Paß und haben auf einmal einen wunderschönen Blick auf schneebedeckte Sechstausender. In Chinchero machen wir mit unseren Fahrer Zeit und Treffpunkt aus, kaufen uns für 10 Dollar ein Boleto, diese gilt als Eintritt für die meisten Inkaruinen und Museen in und um Cusco. Auf dem Dorfplatz sind dann tatsächlich Reste der Inkakultur zu bewundern. Wie so oft bauten auch hier die spanischen Eroberer ihre Gebäude (inklusive Kirchen) direkt auf die alten Inkamauern. Der Touristenmarkt ist nicht so interessant, so laufen Volker und ich etwas aus dem Dorf heraus und genießen die Einblicke in die wunderschöne Umgebung. Wir entdecken einen richtigen Mark, wo hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte verkauft werden, dort sehen wir dem Treiben eine ganze Weile zu. Fleisch wird in der prallen Sonne getrocknet, dahinter sitzt eine sehr dicke Frau und wühlt mit ihren speckigen Fingern darin herum. Fleisch haben wir keines gekauft, dafür leckeren Kuchen und Obst. In der Kirche scheint gerade eine Massenhochzeit im Gange zu sein, als sich die vielen Leute einigermaßen verflüchtigt habe, schlüpfen wir in den Bau hinein. Das Innenleben kündet von vergangenen Reichtum, es sind immer noch viel Menschen, eigentlich nur Indigenas bis auf ein paar Touristen, anwesend, nur der Priester ist "Weiß". Ich glaube, das spricht Bände, von wo aus die Politik gemacht wird. Wir machen Rast in einem Lehmhäuschen, wo "Bar" daran steht und bestellen Cocatee. In einem Nachbarraum quitscht penetrant ein sehr alter Kopierer, welcher wahrscheinlich Tag und Nacht in Betrieb ist.

Wieder in Cusco angekommen, schauen wir erstmal im Internetcafe vorbei. Ja, so etwas sollte uns in Peru des öfteren begegnen. Außerdem muß man ja wissen, wie die Brandenburger gewählt haben, wie Energie Cottbus gespielt hat usw. Nach einem leckeren Abendbrot zu sehr erschwinglichen Preisen schauen wir nochmal kurz in eine Kirche hinein, wo gerade ein Gottesdienst stattfindet. Auch hier ist der Pfarrer kein Indigena... Zu erwähnen ist noch, daß gerade um die Plaza das nächtliche Leben tobt. Es sind Unmengen von Leuten unterwegs, die meisten selbstverständlich geschäftlich. Massig stinkende und hupende Autos kommen noch hinzu, meistens Taxis, die einem regelrecht den Weg versperren um auf sich aufmerksam zu machen. Manchmal braucht man da wirklich ein dickes Fell um einigermaßen höflich zu bleiben und nicht völlig auszurasten. Ignorieren funktioniert aber meistens ganz gut. Naja, das ist eben Cusco.

 

Heute ist die Besichtigung einiger Inkaruinen oberhalb von Cusco geplant. Auf dem steilen Weg aus der Stadt bekommen Ina und Ricardo arge Probleme mit der Puste. Wir müssen öfters stehen bleiben, damit die beiden verschnaufen können. Dabei haben wir gerade mal 100 m Höhenunterschied bewältigt. Ich bekomme so langsam meine Zweifel bezüglich der Durchführbarkeit noch ganz anderer Touren.

Am Rand des Talkessels befindet sich Saqsaywaman, eine riesige terassenförmig angelegte Inkafestung mit riesigen, fast ohne Spalt, ineinandergefügten Steinen. Man nennt so etwas Zyklopenmauerwerk, manche Steine sind über drei Meter hoch. Dort spazieren wir ein Weilchen umher und staunen. Die Touristenscharen halten sich in Grenzen. Wir laufen zur nächsten Anlage, ca. 1 km entfernt. Unterwegs sollen wir ständig auf irgendwelche klapprigen Pferde aufsteigen. Wir lehnen aber dankend ab.

Bald haben wir Q`enqo erreicht, dort soll es eine okkulte Opferrinne zu besichtigen geben, die wir aber nicht finden. Dafür finden wir einen Pseudoindianer, dieser sieht aus wie Winnetou, springt einem ständig vor dem Fotoapparat herum und möchte dafür selbstverständlich Geld sehen. Ricardo verabschiedet sich, er ist breit, möchte auch seinen Sonnenbrand kurieren und handelt wieder nach Cusco.

Wir steigen weiter auf, Ina muß ab und zu pausieren. Inzwischen hat es sich bewölkt und es ist nicht mehr so heiß. Auf Pukapukara gibt es keine Touristen und auch keine Indianer mehr (nicht mal Goijko Mitic). Wir beschließen, auch noch zum vierten und letzten Tempel rüberzulaufen und bereuen es wirklich nicht. Tambomachay. Hier handelte es sich vermutlich um einen alten Landsitz, dieser diente wohl auch als Bad, weil über eine Terrasse Wasser aus einem Berg geplätschert kommt. Weil es dort Wasser gibt, lagern dort auch ein paar Bauern mit ihren Tieren. Ein kleiner Junge zehrt an einer Ziege herum, diese will aber nicht so richtig wie er möchte.

Auf dem Heimweg machen wir noch einmal an einer "Bar" halt um einen köstlichen Tee zu trinken. In diesem Lehmhaus sitzen wir praktisch in der Stube, nebenan wird Tee über dem offenen Feuer bereitet, fast die ganze Familie ist anwesend und in einer Ecke macht ein kleiner Junge Schularbeiten. Durch das Haus wandern gelegentlich Lämmchen, Meerschweinchen und auch Hunde. Eine Ziege, die dort offensichtlich nichts zu suchen hat, wird wieder hinausbefördert. Man bekommt gute Einblicke in die Lebensweise der Einheimischen, wie dort Tier und Mensch friedlich nebeneinander lebt. Die Straße hinunter überholt uns ein LKW und das dauert sehr lange weil dieser mit maximal 10 kaehmhah bergab fährt. Außerdem gibt er sehr seltsame Geräusche von sich, qualmt ohne Ende, hat total glatte abgefahrene Reifen.... Ich glaube, dieser hätte in Deutschland beim TÜV ein wenig nachzubessern.

Inzwischen hat Ricardo etwas wegen der geplanten Inkatrail-Wanderung recherchiert. Er berichtet von einem Eisenbahnerstreik, außerdem möchte er gern einen Guide und Träger für die Tour nehmen. Ich bin da vorerst ganz anderer Meinung auch weil wir die volle Ausrüstung mit nach Peru geschleppt hatten, einschließlich Kocher und Freßzeug. Die Entscheidung wird aber erst einmal vertagt. Wir wollten ja sowieso noch einen Tag in Cusco bleiben.

Im Hotel mußte noch ein bayrisches Pärchen Ricardos Bekanntschaft machen, diese begleitet uns dann abends ins Kneipchen. Zuletzt landen wir noch alle in einem Irish Pub, Guinness bekommt man schon für 12 Soles (also 7 Mark). Selbstredend befinden sich im Pub nur Amis und Europärer. Das Pub wird wirklich von richtigen Iren betrieben, dementsprechend kundenhaft ist auch die Einrichtung (an der Wand hängen sogar Stadtpläne von Prag und Budapest – sicherlich für alle Fälle...), hat nur eben überhaupt nichts mit Peru zu tun. Warum aber auch? Bei uns gibst ja schließlich auch pakistanische Restaurants. Na egal, zum Abfüllen war uns die Kneipe sowieso zu teuer.

Den nächsten Tag beim Frühstück gehen wir noch mal in Klausur wegen der Ausgestaltung des Inkatrails. Ricardo setzt sich mit seiner Meinung durch. Auf der Plaza in einem Reisebüro machen wir einen Deal: ein Guide, zwei Träger, Transport und Eintrittsgelder für 85$ pro Nase, um Zelt und Verpflegung kümmern wir uns selber, sprich, haben wir ja auch mit. Ich finde es mittlerweile so auch besser. Bei dem gegenwärtigen Trainingszustand von Ina und Ricardo (gestern haben wir es erleben), ist es vielleicht wirklich vorteilhafter, wenn wir zumindest die Träger und einen spanisch sprechenden Guide um uns haben. Außerdem hätten wir für Transport (wie gesagt, Eisenbahn streikt – vielleicht ist da ja auch geschmiert worden in der Hauptreisezeit...) und Eintrittsgelder auch mindestens 30$ bezahlen müssen.

Danach streifen wir wieder durch die Stadt, geraten zur Mittagszeit in eine Kneipe, wo es nur undefinierbare Menüs für sehr wenig Geld zu kaufen gibt. Ricardo steht die Angst förmlich im Gesicht geschrieben. Wir gehen wieder. Danach trennen wir uns, Volker und ich gelangen auf den städtischen Mercado, wir ziehen unsere Taschen fester an uns. Ein Langfinger wird auf der Flucht mit leeren Flaschen bombadiert, ansonsten ist die Angebotspalette aber sehr reichhaltig, in jeder Beziehung. Wir tätigen noch paar Einkäufe (z.B. Cocablätter und Llipta – ist ein Gemisch aus Kalk und Pflanzenasche und wirkt beim Cocakauen als Katalysator, soll also die Alkaloide besser freisetzen). Jojo gesellt sich irgendwann wieder zu uns und wir laufen nochmals zu Saqsaywaman hoch, genießen den Sonnenuntergang und schießen einige Postkarten. Abends finden wir ein Kneipe wo es super Menues für nur 5 Soles gibt. Es muß an dieser Stelle erwähnt werden, die Leute dort können kochen, sogar mit Knoblauch. Nachdem wir den laut plärrenden Lautsprecher rumgedreht haben und schon einiges Bier intus haben, wird es richtig gemütlich. Sogar Peruaner gehen dort essen, endlich mal eine Kneipe, wo nicht für den Amigeschmack gekocht wird und wo man sich auch nicht sorgen muß, daß das Essen nach 10 Minuten wieder ans Licht will..., wobei, die Küche haben wir nicht gesehen. Zwischendurch kommen immer mal paar Musiker durch das Lokal, zuerst Kinder, so um die 7 bis maximal 10 Jahre, diese probieren sich in der typischen Andenfolklore, also Panflöte; Gesang und Getrommel. Ich möchte jetzt keine Musikkritik abgeben. Danach kommt ein Langhaariger mit Gitarre. Wir geben jeweils ein paar Soles.

 

 

Inkatrail

 

4 Uhr klingelt der Wecker, bei unserem verheirateten Pärchen dauert immer alles etwas länger und so gehen wir auf nummersicher. Pünktlich halb Sieben steht ein Kleinbus vor unserm Hotel, vorher wären wir fast in eine falsches Taxi eingestiegen. Nach der Frage, ob den dieses Auto in Richtung Machu Picchu fährt, wurde diese mit Ja beantwortet. Selbstverständlich würde auch diese Auto nach Machu Picchu fahren..., aber, wir hatten ja schon für ein anderes bezahlt. Für die gesamte Strecke von ca. 45 km haben wir vier 4 Tage eingeplant, reichlich 10 km am Tag klingt erst einmal nicht viel, aber immerhin sind Pässe in 4200 m Höhe zu überwinden und anzusehen gibt es unterwegs ja schließlich auch eine ganze Menge.

Irgendwann ist der Bus gesteckt voll mit Trekkern, die Rucksäcke werden auf das Dach geschnallt. In den Kurven blicke ich immer etwas ängstlich nach hinten. Es geht aber alles gut. Bemerkenswert sind die Serpentinen ins Urumbambatal hinunter. In der ersten Ortschaft halten wir. Um den Bus drängen sich anfangs massig Männer, sie alle versuchen ein Job als Träger zu bekommen. Der Bus verschwindet für etwa ein Stunde, er muß noch Lebensmittel und Ausrüstungsgegenstände bunkern. In der Zeit nehmen wir ein zweites Frühstück ein, hätte billiger sein können, aber wo viele Touristen vorbeikommen, sind die Preise allgemein höher.

In Ollamtaytambo endet die Straße und wir fahren auf einem Feldweg weiter. Hin und wieder gibt es komplizierte Manöver bei Begegnungen mit anderen Fahrzeugen zu bestaunen. Am Eisenbahnkilometer 83 müssen wir dann aussteigen, alles ordnet sich. Zu uns gesellt sich der Guide, er heißt Bolito, und die beiden Träger. Ich schüttel die zentimeterdicke Staubschicht von meinem Rucksack, und wir suchen die Dinge für die Träger zusammen, also Zelte, Lebensmittel und Kocher. Als die beiden das kleine Häufchen sehen, was sei tragen sollen, bekommen sie fast einen Lachanfall. Das sollte sich aber bald ändern.

Die ersten paar Kilometer laufen wir ohne nennenswerte Anstiege im Urubambatal entlang. Es ist sehr trocken, überall wachsen Kakteen und Agaven, etwas tiefer windet sich der Urubamba entlang. Anhand der Erosionsspuren kann ich mir gut vorstellen, was sich dort in der Regenzeit abspielt. Über uns türmen sich schneebedeckte Gipfel. Ein überwältigender Anblick.

Etwas oberhalb des Tales (auf Höhe km 88) machen wir die erste Rast und es geht schon wesentlicher entspannter zu. Am Bus waren nämlich hunderte von Trekkern am Start, so langsam zieht sich das Feld in Richtung Machu Picchu aber auseinander. Wir kommen an einem alten Inkadorf namens Llactapa vorbei, dieses wurde einst für ca. 100 Familien dimensioniert, darunter sieht man die terrassenförmig angelegten Felder. In einem Nebental des Urubamba führt der Weg langsam nach oben. In etwa 3000 m Höhe befindet sich eine Zeltmöglichkeit, der Ort heißt Wayllabamba und unser Träger befielt absatteln. Wir staunen nicht schlecht als unsere Zelte auf einem wunderschönen Platz schon stehen, die Träger waren fleißig. Mittlerweile ist es schon halb Fünf und wir beginnen sofort mit der Kocherei, weil es in den Tropen immer schon gegen sechs finster wird. Zuerst gibt’s Cocatee, danach Nudeln. Die Kinder bestaunen Volkers Benzinkocher. Aber nicht nur die Kinder werden angelockt, sondern auch sämtliche Hunde aus der Umgebung und Hunde gibt es in Peru wahrscheinlich mehr als Menschen, zumindest in dieser Gegend. Anfängliches Wegschieben nützt gar nichts, so müssen wir uns dann doch mit Stöcken und Steinen gegen die Hunde durchsetzen. Die Träger schlafen in der Hütte unserer Nachbarn, der Guide hat ein eigenes Zelt dabei. Nach dem Abendbrot verkriechen wir uns bald in die Zelte, langsam wird es auch empfindlich kühl und lesen noch ein Stünden bei Kerzenschein. Mit Schlaf ist aber vorerst nicht viel. Sicherlich aus Rache prügeln sich unmittelbar neben unseren Zelten lautstark die Hunde, und das stundenlang.

 

Gegen 6 Uhr klingelt der Wecker, ich war schon munter, weil neben den Zelten einige Hähne krähten. Es ist kühl, das Thermometer zeigt etwas über 0 °C. Frühstück. Das andere Zelt, also Ina, Ricardo und Jojo kommt ewig nicht aus der Knete, wir werden den nächsten Tag wohl noch eher aufstehen müssen. Wobei, was heißt wir...?! Etwas oberhalb der Zelte verläuft ein Wassergraben, der läuft auf einmal über (wahrscheinlich wurden nach der Nacht irgendwo ein Wehr zugemacht) und das Wasser läuft in Richtung Zelte. Es passiert aber nichts, kurz vor den Heringen kommt das Wasser wieder zum Stehen.

Gegen halb Acht geht es dann endlich los. Heute steht uns das schwierigste Stück bevor: reichlich 1000 Meter Anstieg auf einen Paß in etwa 4200 m Höhe und danach wieder 700 m runter. In den Alpen würden wir so etwas vor dem Mittagessen machen, in den Anden ist die Lage aber etwas anders. Inzwischen knallt die Sonne erbarmungslos und wir wünschen uns die kühlen Morgentemperaturen. Wir haben uns so abgesprochen, daß wir immer nach ca. einer Stunde aufeinander warte. Der Guide läuft immer hinten mit. Jojo führt das Feld an, Volker und ich sind die nächsten, hinter uns laufen Ina, Ricardo und Bolito. Pünktlich nach einer Stunde leitet Jojo die erste Rast ein, ein paar Minuten später erscheinen wir auch und etwa nach einer halben Stunde kommen dann Ina, Ricardo mit dem Guide. Die Träger sind schon lange jenseits von Gut und Böse. So geht es dann weiter. Nach dem halben Anstieg ist Ricardo am Ende und wir beraten, was zu tun sei. Irgendwie müssen wir Ricardos Rucksack losbekommen. Schließlich finden wir eine Bäuerin, diese trägt dann für einen gewissen Obulus Ricardos Rucksack auf den Paß. Ina kämpft tapfer weiter. Die Wände ringsherum sind spektakulär, im Tal, wo wir aufsteigen, wachsen interessante Bäume. Da oben ewiger Schnee liegt, scheinen die Täler auch immer etwas Wasser abzubekommen, das merkt man mittlerweile auch an der Vegetation, in den Alpen würde es in 4000 Meter Höhe nur noch Eis und Fels geben, aber wir sind ja schließlich in den Tropen. Der Pfad ist jetzt richtig ausgebaut, das bedeutet, daß wir uns auf unendlichen Treppen vorwärts bewegen müssen. Das geht dermaßen in die Knochen und fordert viel Kraft. Unterhalb des Passes werden die Abschnitte immer kürzer und die Pausen immer länger. Man muß ziemlich oft verschnaufen. Ich glaube anfangs atme ich zu flach und zu schnell. Danach sauge ich die Luft solange ein, bis die Lungen randvoll sind. Das scheint sich zu bewähren. Trotzdem mache ich vielleicht 15 m unter dem Paß noch einmal eine Pause. Endlich bin ich oben. Jojo hat den Aufstieg schon ein ganzes Weilchen hinter sich gebracht, Volker ist meistens auf meiner Höhe, Ricardo und Ina kommen auch irgendwann. Oben beglückwünschen wir uns alle, machen ein paar Fotos und werfen ein paar Müsliriegel. Mein Puls ist auf 110 (etwa wie nach einem 10 km – Lauf), das Thermometer zeigt 15 °C bei 55% Luftfeuchtigkeit. Wir genießen noch etwas die schöne Aussicht und machen uns wieder an den Abstieg.

Einmal warten wir noch auf Ricardo, im Schneckentempo begibt er sich bergab. Wahrscheinlich hat er Probleme mit seinen zu engen Armeestiefeln, so genau ist das aber nicht heraus zu bekommen. Gegen 16 Uhr sind wir bei unserem Nachtlager, der Fleck heißt Pacaymayu (immerhin noch auf 3500 m Höhe. Nach einer Stunde kommt die Nachhut. Die Zelte sind von den Trägern wieder aufgebaut worden und der Himmel gibt einige Regentropfen frei. Ringsherum sieht es wie Weltuntergang aus, meistens scheint es aber doch nur Nebel zu sein, welcher in den Felswänden hängt.

Vorsichtshalber drängen wir uns für die Kocherei unter ein Vordach. Wir vertun Volkers Bohneneintöpfe, danach passiert nicht mehr viel und wir gehen schlafen. In der Nach werde ich wieder munter, diesmal aber nicht von Hundegebell sondern von einem heraufziehenden Gewitter, es blitzt und donnert recht beeindruckend, Regen gibt es aber kaum. Irgendwann habe ich das Gefühl, ich bekomme wenig Luft, dafür aber Platzangst (hat nichts mit Volker zu tun, er hat sich nicht zu breit gemacht). Nachdem ich bißchen ums Zelt spaziert bin, geht es wieder besser und ich kann wieder einschlafen. Ganz spurlos scheint die Höhe eben doch nicht vorbei zu gehen.

 

Am Morgen, wir stehen gegen 5.30 Uhr auf, es ist weniger kalt weil bewölkt. Ricardo klagt über Kopfweh und Schwindelgefühl. Wir verpassen ihm eine ordentliche Dosis Cocablätter, frühstücken, inzwischen zieht eine fulminante Nebelwand das Tal hinauf. Plötzlich sind wir eingebettet und brechen auch bald auf. Irgendwie wird es aber trotzdem wieder halb Acht. Ab heute haben die Träger zwei Rucksäcke mehr zu schleppen und es wird auch für sie etwas anspruchsvoller...

Wir stapfen wieder bergan in Richtung Runkuraqcuy – Paß, in halber Höhe die gleichnamige Festung. Der Nebel verzieht sich langsam, der Himmel ist leicht bewölkt und gibt die ersten Sonnenstrahlen frei. Zwischen den Ruinen sieht das ganz toll aus, richtig mystisch. Weiter geht es in Richtung Paß, um den Paß befinden sich einige kleine Bergseen, allerdings führen diese aufgrund der Trockenzeit sehr wenig Wasser. Der Abstieg zur nächsten Festung Sayaqmarca verläuft ohne Problem, Ricardo ist wieder ein ganzes Stück hinter uns. Als er endlich auftaucht, schicken wir ihn gleich weiter, weil wir Angst haben, unser Tagespensum nicht zu schaffen. Wir sehen uns die Festung an, müssen vorher noch eine steile Treppe überwinden. Stöhn. Der Guide führt die Anderen durch die Anlage, ich erkunde auf eigene Faust die Gemäuer. Manchmal ist es wie in einem Irrgarten, es gibt viele Sackgassen, verwinkelte Räume und man muß immer um unzählige Ecken laufen um wieder auf einen Hauptweg zu gelangen. Ernsthaft verlaufen kann man sich aber nicht.

Auf einem Rastplatz wartet ! Ricardo auf uns und wir kochen lecker Tomatensuppe. Inzwischen hat es sich stärker bewölkt und es fängt leicht an zu regnen. Das ist beim Laufen sogar ganz angenehm. Inzwischen hat sich die Landschaft gegenüber dem Urubambatal völlig verändert, obwohl wir uns immer noch in gleicher Höhe befinden und nur zwei Täler weiter sind. Es beginnt ein wunderschöner tropischer Bergwald. Wahrscheinlich gelangen feuchte Luftmassen vom Regenwald infolge der Richtung der Täler besser in diese Gegend. Nach der kargen Landschaft der letzten paar Tage ist so etwas die blanke Erholung für das Auge. Die Bäume und Steine sind auf einmal total bemoost, überall ranken sich Schlingpflanzen, alles blüht. Die Landschaft bietet ein Wechselspiel zwischen Sonne und Regen. Ab und zu hat man schöne Blicke ins Tal oder auf umliegende Berge. Dafür hätte sich der Inkatrail schon alleine gelohnt. Kurz hinter dem nächsten Paß befindet sich die Festungsanlage Phuyupatmarca und wir müssen nun noch reichlich 1000 Meter bis zum Zeltplatz in die Nähe von Winay Wayna (2600 m) hinabsteigen. Auch dieser Weg hat wieder -zigtausend Stufen zu bieten und wir sind schon alle sehr gespannt, ob und wann Ricardo ankommen wird. Am Zeltplatz soll es ein Hotel geben, das könnte bedeuten, daß es dort auch Bier zu kaufen gibt... So etwas motiviert ungemein. Sehr einfach ist der Abstieg allerdings auch für uns nicht, das letzte Stück wird dann richtig ätzend, über Geröll und durch Schlamm muß man den Rest hinuntersurfen. Am Zeltplatzeingang befindet sich tatsächlich ein Bierstand. Ein Frau verkauft eimerweise Bier, nicht ganz billig (4 Soles die kleine Flasche...), das ist uns aber jetzt so etwas von egal und die Spiele beginnen, noch bevor wir irgendwelche Zelte und andere Einrichtungen suchen. Nach einer Stunde kommt Ina und wir begeben uns doch erst einmal zu den Zelten. Diesmal können die Träger uns nur einen total reudigen Platz anbieden, der Zeltplatz ist nämlich gut besucht und vor uns sind schon eine ganze Menge Trekker angekommen. Der Platz ist wirklich voll die Scheiße, stürmisch, sehr exponiert und genau über einen Abgrund des Urubambatals gelegen. Wenn hier ein Sturm aufzieht, haben wir verloren, sind so meine kleinmütigen Ängste. Bis auf ein paar Tropfen Regen, bleibt das Wetter aber friedlich.

Bei Einbruch der Dunkelheit erscheint Bolito mit Ricardo. Ricardo muß sich hin und wieder auf einen Holzknüppel abstützen. So sieht er aus wie der echte Messias, leider hat er kein langes Gewand an sich herunterhängen.

Am Zeltplatz befindet sich ein Hotel, die dortigen Preise begeistern uns aber nicht so sehr, so kochen wir unter einem Vordach in der Nähe der Träger. Dieser Ort ist relativ windgeschützt, so daß einem nicht ständig der Kocher ausgeht. Außerdem hat es wieder leicht mit Regnen begonnen. Wir unterhalten uns noch etwas mit unserem Guide, Ina und Ricardo ziehen sich beizeiten ins Zelt zurück. Der Rest geht auf ein paar Bier in die Hotelkneipe, dort ist eine lustige Tanzveranstaltung im Gange. Die Musik finde ich gar nicht mal so schlecht: eben typisch latainamerikanisch, viel Salsa, Rumba usw. Irgendwelches englischsprechendes Volk macht sehr lautstark und sehr ordentlich Party. Ein Typ, dieser hat schon ernsthafte Probleme mit dem aufrechten Gang, schießt aller paar Minuten an die Theke und holt mindesten 10 Pullen Bier und schaut auch mal vorsichtshalber in die Kühltruhe, ob denn noch genügend vorrätig sei. Es ist! Er lallt uns die Frage zu ob wir "Germans" seien und staunt nicht schlecht, daß einer von uns Deutschen Coca Cola trinkt. So etwas hat er wohl überhaupt noch nicht erlebt. Wir lassen die ganze Szenerie noch ein Weilchen einwirken und gehen dann gegen 23 Uhr auch schlafen. Bißchen schlaucht der Inkatrail eben doch.

 

Jojo steht gegen vier Uhr auf weil er zum Sonnenaufgang am Intipuncu also am Sonnentor sein möchte. Dort bietet sich einem angeblich der schönste Blick auf die Anlagen von Machu Picchu. Wir haben nicht diesen Ehrgeiz, auch weil das Wetter am Vorabend nicht so vielversprechend gewesen war. Uns genügt also wieder 5.30 Uhr, das hat auch den Vorteil, das die meisten Zeltplatzbewohner schon unterwegs sind, seht ja auch in jeden Reiseführer, daß Machu Picchu am Morgen am schönsten anzusehen ist und das man dann die Ruinen "völlig allein erkunden kann".

Als wir munter werden, herrscht am Nachbarzelt große Aufregung: Inas Wanderschuhe sind geklaut, sie befanden sich unter dem Vorzelt und da hat wohl jemand in der Nacht lange Finger gemacht. Zum Glück kann unser Guide ein paar Trekkingssandalen organisieren, sonst hätte Ina barfüßig weiterlaufen müssen.... Vom nächtlichen Regen ist unser Zelt total mistig und naß. Wir packen es zusammen und überlassen es wieder den Trägern.

Bis zu Intipuncu ist es nicht weit. Der Weg führt immer oberhalb des Urubambatales entlang, die gegenüberliegenden Bergketten befinden sich teilweise im Nebel, wir sehen zeitweise nicht die Hand vor Augen. Wenn die Sonne durchkommt, wird es aber ordentlich warm, so daß beim kleinsten Anstieg bei 100 % Luftfeuchtigkeit ordentlich ins Schwitzen kommen. Kleine Moskitos stechen uns, da wir uns aber weit über 1500 m befinden, besteht keine Malariagefahr.

Endlich sind wir am Sonnentor angelangt, der Nebel hat sich mittlerweile verflüchtigt und wir haben einen wunderbaren Blick auf Machu Picchu. Jojo ist auch vor Ort und erzählt, daß sich der Nebel auch dort erst vor einer viertel Stunde verzogen hat. Mit Blick war also nichts, dafür schwärmt er von seinem Morgenspaziergang durch den dämmrigen, fast noch schlafenden Bergwald. Bis auf ein paar Vogelstimmen war absolute Stille. Hinzu kam der Nebel. Ich glaube, so etwas muß man auch mal erlebt haben. Jojo ist ja noch von den großen Trekkingströmen vom Lager losgekommen.

Nun geht es noch ein Stück bis Machu Picchu hinunter. Diese Anlage mit den Gebäuden und Terrassen fügt sich wirklich absolut harmonisch in die Landschaft ein. Hoch über dem Urubambatal gelegen, blieb sie sowohl Eroberern als auch Forschern bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts verborgen. Die Zeit der Erbauung wir auf etwa 1450 datiert. Welchen Zweck diese Festung zu erfüllen hatte, ist bis heute noch relativ ungeklärt. Es gibt Vermutungen, daß Machu Picchu ein landwirtschaftliches Verwaltungszentrum gewesen sein soll, andere besagen, daß es sich um einen östlichen Vorposten für weitere Eroberungen gehandelt haben soll. Ob es jemals zur Klärung kommen wird ist ungewiß weil es kaum Überlieferungen aus dieser Zeit gibt und ein Großteil des kulturellen Erbes der Inkas durch Plünderungen nicht nur der spanischen Eroberer zum Opfer gefallen ist.

Wir geben die Rucksäcke im nahe gelegenen Hotel ab und beginnen gegen 10 Uhr mit der Besichtigung. Inzwischen ist es richtig heiß geworden, wir schleppen uns durch die Ruinen, suchen jedes Plätzchen Schatten und irgendwann sieht auch der Guide ein, nicht das volle Besichtigungsprogramm zu fahren. Anzumerken ist, daß sich Machu Picchu in einer relativ geschützten Lage nur noch in ca. 2500 m Höhe befindet. Da kann es in der Mittagszeit schon mal sehr warm werden.

Zwischen der Bahnstation im Tal (Aquas Calientes) und der Festung befindet sich eine Schlängelstraße. Auf dieser werden nun mit Bussen und im 20 Minutentakt Touristen hinaufgebaggert. Das ist das Signal für uns langsam zu verschwinden. Ina, Ricardo und Jojo fahren mit dem Bus hinunter. Volker und ich, wir lassen es uns nicht nehmen, auf einem Trampelpfad bis ins Tal hinunter zulaufen. Etwa zur gleichen Zeit kommen wir an der Bahnstation an. Dort wartet auch Bolito mit Platzkarten und mit dem restlichen Gepäck auf uns. Die Träger sind schon verschwunden. Als ich mein Zelt genauer betrachte muß ich feststellen, daß dieses absolut gesäubert und fast wieder trocken ist. Die lieben Träger haben netterweise unsere Zelte in der Zwischenzeit geputzt und getrocknet. Dafür und für den gute Arbeit hätte ich ihnen gern ein Dankeschön gesagt und ihnen noch ein paar Dollars in ihre Hände gedrückt. Sie verdienen nämlich bei den ganzen organisierten Unternehmungen nur einen sehr geringen Teil am Gesamtumsatz! Der meiste Knack bleibt beim Manager im Touristenbüro. So ungerecht kann es auch in Peru zugehen, der blanke Manchester – Kapitalismus. Der Guide hat ebenfalls keine Festanstellung in einem Büro, so hatte er uns erzählt, und muß sich sozusagen eigenverantwortlich für Touren immer wieder neu anbieten.

Am Bahnsteig findet wieder ein großes Gehandel und Verkaufen statt. Der Zug wird dann sehr voll, ich schätze dreiviertel Touristen und einviertel Händler. Nach zwei Stunden Fahrt, die Lok muß an manchen Stellen ein paarmal anfahren, bis die Räder richtig greifen, so steil ist es, halten wir in Ollamtaytambo. Das Nest kannten wir schon von der Herfahrt. Dort wird alles wieder in die Busse umgeschaufelt. Die Rucksäcke laden wir wieder auf das Dach und es geht nach Cusco. Der Busfahrer ist ein großer Bob Marley Fan. Ein so großer, daß er die Kasette gleich dreimal hören muß. Unterwegs gibt es einen kräftigen Regenschauer, das Gepäck auf dem Dach bleibt aber trocken.

 

 

Cusco II

 

Wir stuhlen uns wieder ins gleiche Hotel ein. Ina und Ricardo nehmen sich ein Einzelzimmer (kostet aber trotzdem nicht mehr als 8 Dollar) weil es vorher zwischen Volker und den Grafs lüftungstechnische Diskrepanzen gab. Als erste Handlung ist ein großes Duschen angesagt, nach vier Tagen Schwitzen und Katzenwäsche ist das der reinste Orgasmus. Während des Duschens ist mal für paar Minuten das Wasser weg, eingeseift war aber gerade keiner. Dann gehen wir wieder in die Kneipe, wo es uns am Vorabend zum Inkatrail schon mal so gut geschmeckt hat. Auch diesmal sind wieder diverse Musiker zugange und unser Guide Bolito. Er sitzt mit einigen Freunden am Nachbartisch. Es gibt nochmal ein großes Hallo, Wiedersehensfreude usw. Im Hotel trinke ich gemeinsam mit Volker noch ein Gute-Nacht-Bier.

 

Den nächsten Morgen steht Ricardo halb Neun vor unserer Tür und eröffnet uns, daß er Scheißerei hat. Das kann ja alles passieren, ist nichts besonderes und wir machen uns vorerst auch keinen großen Kopf darüber. Bald darauf sitzen wir beim Frühstück, dürfen Ricardos Marmeladen- und Butterportion mit verspeisen, blättern etwas im Reiseführer zwecks der weiteren Planung und stellen erschrocken fest, daß Züge nach Puno (das soll unser nächstes Reiseziel sein) nur montags, mittwochs, freitags und sonnabends fahren. Außerdem hat der Bahnhofsschalter am Sonntag nur zwischen 9 und 10 geöffnet. Heute ist Sonntag und es ist bereits halb Zehn. Volker und ich lassen alles stehen und liegen und wir speicken ohne Rücksicht auf Verluste zum Bahnhof. Die besser klassierten, privaten Waggons wie Pullman und Inkaklasse sind bereits ausverkauft und wir müssen schnell eine Entscheidung treffen, ob wir unserem halbkranken Kind verstopfte Trockenklos die staatliche Economyclass anbieten sollen. Wir müssen! Letztendlich haben wir keine andere Wahl, wenn wir nicht noch bis Mittwoch in Cusco hängen bleiben wollen... Nach diesem Kraftakt entspannen wir uns erst mal und latschen dann langsam zurück. Im Bahnhofsgebäude hat man ein lustiges Plakat aufgehangen, worauf eindrucksvoll mit abgebildeten Handschellen vor dem Transport von illegalen Drogen gewarnt wird. Wir überlegen uns so, dieses müßte eigentlich geklaut und dann z.B. im "Bad" (muß nicht jede(r) kennen) angebracht werden.

Unterwegs pflücken wir bei einer Straßenverkäuferin eine leckere Ananasfrucht. Die Frau hat kein Wechselgeld und hält deshalb kurzerhand ein vorbeifahrendes Auto an.

Wieder im Hotel angekommen, melden Ina und Jojo ebenfalls Scheißereibeschwerden an. Bei Ina ist es wohl nicht so schlimm, Jojo und Ricardo werfen aber ziemlich starke Tabletten, was ich persönlich nicht gemacht hätte weil damit nicht die Ursache sondern nur die Symptome bekämpft werden. Die Genesung kann dann bei Durchfall manchmal länger dauern, das aber nur nebenbei. Langsam wird uns nun doch mulmig. Wir haben die Tickets und drei von uns hat es erwischt...

Da wir noch den ganzen Tag Zeit haben, packen wir unsere vom Inkatrail verdreckten Klamotten zusammen und geben sie in eine nahegelegene Wäscherei und verstehen irgend etwas, daß uns die Sachen gegen 16 Uhr ins Hotel gebracht werden. Soweit so gut.

Nach dem Mittagessen (Ricardo versucht ebenfalls feste Nahrung zu sich zu nehmen) besichtigen Jojo, Volker und ich die Kolonialkirche Santa Domingo, danach bummeln wir noch etwas über die Märkte und gehen irgendwann auch wieder ins Hotel.

Das Chaos nimmt jetzt seinen Lauf. Wir erfahren, daß sich bei Ricardo ernsthafte Probleme eingestellt haben, er hat auch leichtes Fieber. Ein Arzt war da und hat dollarschwere Antibiotika und andere Medikamente hinterlassen. Wir halten Kriegsrat und beraten, ob wir morgen alle gemeinsam oder ohne Ina und Ricardo weiterfahren sollten. Wir beschließen, dieses von Ricardos Zustand am nächsten Morgen abhängig zu machen. Zur Not würden wir die Beiden dann in Puno zwei Tage später am Zug abholen.

Inzwischen machen wir uns aber noch andere Sorgen: die Wäsche ist noch immer nicht im Hotel und der Portier weiß uns auch nicht zu helfen. Es ist bereits 18 Uhr und da wir sowieso noch einkaufen müsse, dachten wir uns, gehen wir gleich mal bei der Wäscherei vorbei. Die hat geschlossen. Wir werden langsam richtig nervös und suchen eine auf dem Wäschezettel angegebene Adresse auf. Dort ist ebenfalls alles verrammelt. Eine Frau fragt was los sei, läßt sich von ihren englisch sprechenden Kumpel übersetzen, dieser erzählt wiederum überhaupt nichts Gutes über die Wäscherei und wir freunden uns langsam mit den Gedanken an, daß wir die Klamotten nie mehr wieder sehen. Jedenfalls gehen wir erst mal zur Touristenpolizei, dort hört man sich unser Problem geduldig an. Bei genauer Betrachtung des Zettelchens lesen wir: "6 pm". Wir haben das Hotel aber schon gegen 18 Uhr verlassen und inzwischen die halbe Stadt verrückt gemacht. Ich renne zurück (heute schon das zweite mal im Laufschritt quer durch die Stadt) und siehe da, die Wäschebeutel stehen ganz friedlich im Hotel. Mir fällt ein Stein vom Herzen, laufe wieder in die andere Richtung und kläre die anderen, die noch bei der Polizei sitzen, über den glücklichen Umstand auf und gebe somit Entwarnung. Wir entschultigen uns noch bei dem Beamten, er lächelt nur, hat so etwas wahrscheinlich nicht zum ersten Mal erlebt. Was lehrt uns das? Vor dem Handeln Gehirn einschalten! Wenigstens haben wir nun mal eine peruanische Polizeiwache von innen gesehen.

Im Internetcafe versenden wir noch paar emails, Energie Cottbus hat dummerweise auch noch gegen Fürth verloren, gehen zu Abend essen und fallen nach diesen hektischen Tag erschöpft ins Bett.

 

 

 

Zugfahrt

 

Ina kommt uns Punkt 5.15 Uhr wecken. Ricardo scheint es wieder besser zu gehen. Wir packen, frühstücken und laufen zum Bahnhof. Dieser ist stark von Transportpolizei bewacht. Nur Leute, welche einen gültigen Fahrschein haben, werden auf das Bahngelände gelassen. Der Zug besteht aus den privaten Pullman und Inkaklassewagen und zwei staatlichen E-Klasse Wagen, worin wir unsere Plätze reserviert hatten. Auch diese Wagen machen einen vernünftigen Eindruck, auf den Toiletten gibt es sogar Wasser. Pünktlich um Acht setzt sich der Zug in Bewegung. Kurz darauf kommt eine Frau durch und verkündet; daß der zweite E – Hänger für alle Nichttouristen gesperrt ist und daß es wohl besser wäre, wenn wir auch in diesen Wagen überwechseln würden. Das tun wir dann auch aus Gründen einer übertriebenen Vorsicht. Wir greifen wieder die Rucksäcke und wanken bei dem starken Geschaukel in den anderen Wagen. Schwitz! Das muß man sich mal vorstellen: der Zug besteht aus 7 Hängern. Die ersten 5 dollarschweren Privatwagen kann sich sowieso kaum ein Einheimischer leisten und von den restlichen zwei ist noch einer für Einheimische gesperrt. Dies wird anfangs auch rigoros von zwei bewaffneten Beamten durchgesetzt, nur ausgewählte bzw. zahlungskräftigere Händler werden durch unseren Wagen gelassen, der Rest wird schroff abgewiesen.

Der Zug fährt immer im Tal des Rio Vilcanota, einem Nebenfluß des Urubambas, hinauf. Manchmal ist das Tal mehrere Kilometer breit. Diese Gegenden werden landwirtschaftlich genutzt und an der Strecke befinden sich auch größere Ansiedlungen. Wir sehen auch vom Hochwasser zerstörte Brücken und teilweise durch Erosion eingestürzte Gebäude. Weiter in Richtung Paß wird die Landschaft immer spärlicher, jetzt sieht man nur noch größere Viehherden, welche am Flußufer immer noch genügend Nahrung finden. Wir halten ein- oder zweimal etwas länger, sofort ist der Zug von Händlern umringt. Diese verkaufen Obst, Gemüse, Brot, Kuchen, Getränke, Pullover, Mützen oder spielen einfach etwas auf ihren Flöten vor dem Zugfenster. Wir vertreten uns die Beine, schauen dem bunten Treiben zu und kosten auch mal den leckeren Kuchen.

Der nächste Stop findet auf dem Paß Abra La Raya in 4321 m Höhe statt. Hier gibt es nun noch Hochlandgras, Steine, schneebedeckte Gipfel und eine kleine Kapelle. Der Zug macht eine längere Pause und wir erkunden die schöne Umgebung.

Dann geht es wieder hinunter. Der Zug gewinnt an Geschwindigkeit und das Geschaukel nimmt zu, wir beobachten die Hängerkupplungen und es ist schon sehr erstaunlich, welche Freiheitsgrade solch ein Gelenk alle ertragen muß... Bei manchen Schienenstößen fliegt alles einen halben Meter hoch inklusive des Wagens, irgendwie bleibt aber alles auf den Gleisen.

Inzwischen hat das Zugpersonal gewechselt, der Wagen ist nicht mehr so sehr nur Touristenzone und er füllt sich langsam mit einheimischen Reisenden, Händlern usw. Ina muß mal auf´s Klo, die Tür geht nicht richtig zu verriegeln und ihre Sitzung dauert einer wartenden Frau zu lange. Die Situation eskaliert. Die Frau möchte sich Einlaß verschaffen, von außen trommelt ihr Mann an die Toilettenwand, Ina brüllt und dreht langsam durch. Ricardo wird nervös und geht schon in Angriffshaltung. Dann entspannt sich die Lage aber langsam wieder - ohne daß Blut fließt. Die lange Zugfahrt scheint eben doch alle etwas zu nerven. Vielleicht hätte man doch eine Pulle Becherovka und Rauchzeug einpacken sollen.

Der Zug rollt jetzt durch die Puna, das ist die Landschaft oberhalb 4000 Meter. Die Berge sind weit weg gerückt und wir fahren durch eine riesige Hochebene. Man hat gar nicht mehr so richtig den Eindruck, in den Anden zu sein. Zwischen den Steinen gedeihen vorwiegend Postergewächse und niedrige Kräuter. Ab und zu begegnen wir Viehherden. Die Sonne steht schon tief und wirft lange Schatten. Ich genieße von der Plattform den schönen weiten und eisigen Blick.

In der Dämmerung erreichen wir Juliaca. Die Stadt sieht fürchterlich aus. Kilometerweit dehnen sich die Slums. Kein Wasser, kein Strom, halbfertige Lehmhäuser, Müll, Dreck, barfüßige Kinder. Weiter in Richtung Stadtmitte erstrecken sich unendliche Märkte. Dicht an der Strecke befinden sich unzählige Händler, einmal muß der Zug sogar halten weil eine Bude halb die Strecke versperrt und erst umgebaut werden muß. Dann passieren wir wieder ein stark gesichertes Tor. Wir sind auf dem Bahnhof. Nach einiger Zeit fahren wir weiter nach Puno. Noch im Zug werden wir umworben, man bietet uns Hotels an. Ein Angebot klingt ganz gut: Zimmer mit Warmdusche für 5$.

 

 

Puno I

 

Am Bahnhof herrscht ein riesiger Massenauflauf. Überall tanzen buntbekleidete Menschen nach Blasmusik. Erst dachten wir, das ganze sei inszeniert, um die ankommenden Touristen zu erfreuen. Später erfahren wir, das gerade ein studentischer Tanzwettbewerb in Puno stattfindet. Puno ist sowieso die Tanzhauptstadt Perus. Die Leute sind sehr bunt gekleidet, viel haben teils heidnische teils religiöse Masken auf und die jungen Mädchen mit ihren kurzen Röckchen bei 2°C sehen gar nicht mal unattraktiv auf.

Der Bahnhof ist stockfinster und wir haben mehrmals die Gelegenheit über Stahlseile zu stolpern oder in unergründliche Schächte hinabzustürzen. Es bleiben aber alle gesund und wir lassen uns erst einmal zum Hotel kutschen. Dieses ist o.k. Nervig ist nur, daß gleich wieder einer vom hoteleigenen Reisebüro angeschlappt kommt und uns Touren und Ausflüge aufschwatzen will. Der Typ klappert unsere Zimmer ab, klopft und steht gleichzeitig auch schon in der Bude. Ina ist gerade halbnackt und legt sich nun das zweite Mal am heutigen Tag mit der peruanischen Bevölkerung an.

Danach gehen wir auf Nahrungssuche, sehen vorher noch ein wenig den lautstarken und bunten Umzügen zu. Wir geraten in eine Pizzeria. Dort ist es arschkalt, die Pizzas werden in der Mikrowelle vorgeglüht und kommen danach noch für etwa 3 Sekunden in einen Backofen. Der Kellner ist auch kaum bei der Sache, ständig muß er nachsehen, was auf der Straße passiert. Ricardo knipst einen ganzen Film herunter.

Unter Zimmer hat den großen Vorteil, daß es nach hinten raus gelegen und so, im Gegensatz zu Cusco, schön ruhig ist. Die Blasmusiken hören dann auch irgendwann auf.

 

Wir frühstücken in der Hotelcafeteria, für 4 bis 5 Soles ist man da ganz gut bedient, auch weil es "American Breakfast", sprich Rührei mit Schinken gibt. An unseren Frühstückstisch gesellt sich der Reisebüromensch von gestern und zeigt uns bunte Werbezettelchen. Er wirbt für Ausflüge auf die Titicacasee-Inseln. Wir lehnen dankend ab, erstens weil uns seine penetrante Art auf die Säcke geht und zweitens möchten wir uns selber erst einmal ein Bild machen, welche Möglichkeiten existieren, um von Puno auf die Inseln zu gelangen.

Puno liegt am Ufer des Titicacasees in ca. 3800 m Höhe, hat nicht so viel kulturhistorisches zu bieten wie Cusco, dafür geht es in der Stadt wesentlich entspannter zu. Wir laufen recht zielgerichtet in ein vom Reiseführer empfohlenes Reisebüro und machen innerhalb von 5 Minuten eine Zweitagestour auf die Inseln Amatani und Taquile sowie für heute noch einen Ausflug nach Sillustani klar und buchen auch gleich für später die Bustickets nach Arequipa. Nach getaner Arbeit gehen Ina und Ricardo Schuhe kaufen. Volker, Jojo und ich spazieren noch etwas über die zahlreichen Märkte, gegen 12 Uhr wollen wir uns wieder zur Nahrungsaufnahme treffen.

An dieser Stelle möchte ich mal etwas über den "informellen" Sektor erzählen, einen nicht unerheblichen Anteil des Einkommens in Peru. Die meisten sogenannten "selbstständigen" Tätigkeiten sind in den Bereichen Handel und Dienstleistungen angesiedelt. Es gibt eine räumliche Ordnung, man bekommt nämlich nirgends an einem Ort alles zu kaufen, sondern bestimmte Ecken oder Straßenzüge sind bestimmten Produkten vorbehalten. Angefangen von Autoersatzteilen, über Obst, Gemüse, Lebensmittel, Kleidung bis hin zu billigem Spielzeug und Andenken für Touristen. Dienstleistungen werden ebenso angeboten. Zum Beispiel sahen wir in Puno in einer Seitenstaße der Plaza ein Dutzend Leute hinter Schreibmaschinen sitzen, diese tippen Behördenbriefe und geben oft auch Formulierungshilfe. In Juliaca sahen wir eine ganze Straße entlang, Männer an Nähmaschinen sitzen, Neben der räumlichen Ordnung existiert aber auch eine Rangordnung. Einige Händler besitzen einen zweirädrigen Karren (diese haben sich relativ etabliert), andere haben ihre festen Standplätze und breiten ihre Waren auf riesigen Plastikplanen aus. Diese sind an den Ecken mit Schnürren versehen und werden nach Feierabend mit einem Griff an den Ecken zusammengebunden und weggetragen. Viele Händler übernachten auch gleich in der Nähe der Märkte. Die Ärmsten, viele Kinder, haben nur eine Handvoll Stifte, Bonbons oder Ansichtskarten (wie in Cusco) anzubieten. Mittlerweile gibt es viele "illegale" Werkstätten, wo die Waren selbst hergestellt werden, vor allem Kleidungsstücke, Schuhe aber auch Souveniers und Kunstgewerbe.

Bei unseren Streifzügen über die Märkte, haben wir eine hervorragende Kneipe ausgemacht, dort gehen auch viel Einheimische hin, dementsprechend schmeckt es auch sehr. Dort sollen wir nicht das letzte Mal gewesen sein.

Ca. halb Drei holt uns ein Kleinbus ab und wir fahren zur alten Gräberanlage Sillustani. Der Typ vom Reisebüro lungert wieder vorm Hotel herum, sieht, daß wir bei einer Fremdfirma gebucht haben und kotzt sichtlich ab. Arschloch! Die Fahrt geht hinter Puno über einen Paß, dort hat man einen hervorragenden Blick über Puno und die Bucht. Danach geht es in die Ebene hinein bis zum See Umayo, inzwischen steht die Sonne schon recht tief und alles sieht sehr fotogen aus. Ich setze mich beizeiten von der Gruppe (ca. 20 Leute) ab und ergründe allein die Umgebung. Die Anlage Sillustani befindet sich auf einer Halbinsel ca. 100 Meter über dem See Umayo. Man hat einen überwältigenden Blick über den See auf interessante Tafelberge und ferne gezackte Bergketten. Also ich muß sagen, die präinkaischen und inkaischen Friedhofsbauer hatten Geschmack und einen gut ausgeprägten Landschaftssinn.

Kurz vor Sonnenuntergang wird wieder alles zum Bus getrieben, inzwischen wird es empfindlich kalt. Bei völliger Dunkelheit erreichen wir dann wieder Puno. Wir erledigen noch paar Einkäufe. Kaufen Obst und Süssigkeiten, wir hatten gehört, daß sich die Inselbewohner über solche Dinge am meisten freuen und wir wollen ja morgen bei unserer Gastfamilie einen guten Eindruck machen.

Abends im Hotel werden wir noch einmal vom Reisebürotypen angebaggert, wohl zum siebenden oder achten Mal, der Knochen ist zäh und gibt nicht auf... Wir packen und trinken noch ein paar Gute-Nacht-Biere.

Titicacasee

 

Heute startet die Zweitagestour auf die Inseln. Halb Sieben steht Ricardo im Zimmer und erzählt uns, daß Ina die Scheißerei hat, diesmal richtig. Sie beschließen, beide in Puno zu bleiben und den nächsten Tag eventuell einen Tagesausflug zu unternehmen. Das sollte sich auch als günstiger erweisen, wie sich später herausstellt, weil die Peruanischen Kutter selbstverständlich kein Klo besitzen. Das kann bei 5 Stunden Überfahrt, Schaukelei und Flitzkacke zu ernsthaften Problemen führen.

Nichtsdestotrotz handeln wir erst mal zum Frühstück in die Hotelcafete. Dort ist alles stockfinster. Man bedeutet uns mit bedauernder Geste, daß der Frühstücksbevollmächtigte noch pennt, vielleicht als lustige kleine Racheeinlage von Seiten der Hotelangestellten. Wir gehen zum nächsten Bäcker, dort schmeckt es mindestens genauso gut und stehen pünktlich am vereinbarten Treffpunkt. Im Reisebüro hinterlassen wir unsere überflüssigen Klamotten, die Bude von Ina und Ricardo ist ziemlich eng. In einem Kleinbus fahren wir durch die gerade erwachende Stadt zum Hafen. Der Kahn mit seinen 10 Metern Länge sieht einigermaßen Vertrauen erweckend aus, das möchte bei ungefähr –5°C Wassertemperatur auch sein. Vorerst sind wir eine angenehm überschaubare Truppe von etwa einem Dutzend Rucksacktouristen (Israelis, Skandinavier, Holländer), Amis, also Staatsbürger der Vereinigten Staaten von Amerika, konnten wir bis jetzt noch nicht orten.

Das Wetter ist schön, die kleine Bucht von Puno ist schnell durchquert und wir erreichen die charakteristischen schwimmenden Schilfinseln, auf welchen bis zum heutigen Zeitpunkt noch einige Uro-Indianer leben. Leider sind die zu besichtigenden Inseln eigens für Touristen hergerichtet. Sobald die ersten Boote morgens anlegen, verschwinden alle neuzeitlichen Segnungen der Zivillisation (Radios, Benzinkocher usw.) in irgend welchen dunklen Ecken der Hütten und die Insel wird ganz und gar Folklore. Die Menschen auf diesen vielleicht 50 x 50 Quadratmeter großen Inseln leben vergleichsweise gut. Die anderen Inseln verfallen immer mehr, viele Indianer haben dort keine Lebensgrundlage mehr, saufen, ihre Traditionen gehen verloren bzw. sie wandern ab auf das Festland und lassen sich vorwiegend in den Slums der Städte nieder. Ein generelles Problem, wo Traditionelles mit dem vermeintlichen Fortschritt in Berührung kommt, letztendlich spielt bei dieser Entwicklung der Tourismus eine nicht unwesentliche Rolle. Zum Beispiel wurde auf eine vorgelagerte Insel ein sehr futuristisches Hotel hingeklotzt.

Es geht weiter auf den Titicacasee hinaus, das gegnüberliegende Ufer ist nicht zu sehen und man kommt sich vor wie am Meer – in 3800 m Höhe. Wir fahren an Landzungen und kleineren Inseln vorbei, die Sonne glitzert im Wasser und langsam wird unser Ziel, die Insel Amantani, größer. Der Steuermann sitzt hinten auf dem Heck, er ist gleichzeitig Kapitän, 1. Offizier und ich weiß nicht was noch alles, hat ein von Nike gesponsertes Basecape, pennt hin und wieder ein (klar er muß ja den Teich jeden Tag sehen...) und das Boot beginnt lustige Spiralen zu drehen. Irgendwann hat er wieder alles im Griff und die Fahrt geht nun zielgerichtet weiter.

Am "Hafen" warten viele Frauen, diese erhoffen sich alle, so viel wie möglich Leute zur Unterbringung abzubekommen. Für die Familien sind die Reisenden eine nicht zu verachtende, wenn nicht gar die Haupteinnahmequelle. Der Reisechef spielt Gott und weist uns einer jüngeren Frau zu. Viele bekommen nichts ab und ziehen enttäuscht wieder von dannen. Die junge Frau, offensichtlich eine Tochter der Familie, führt uns zu ihrem Haus. Es geht einen Hang hinauf, der Pfad überwindet Mauern und andere Hindernisse und wir kommen bei der dünnen Luft mit unseren Rucksäcken ordentlich ins Schnaufen. Das Mädchen legt auch ein ganz schönes Tempo vor.

Der Hof ist von drei Seiten bebaut, wir ziehen in ein Obergeschoß des mittleren Hauses ein. Vorher bekommen wir noch Teile der Familie zu Gesicht, der Vater baut gerade an einem seiner Lehmziegelhäuser herum. Leider funktioniert die Verständigung nur sehr schlecht. Das Zimmer ist für uns anspruchslose Gesellen in Ordnung, drei alte Betten, etwas Stuhl, ein kleiner Tisch, eine Schüssel und eine Kerze. Was will der Mensch mehr? Hauptsache ein Dach über dem Kopf.

Wir bekommen ein reichhaltiges Mittagessen serviert, alles was die Insel so her gibt bis auf den Reis, der ist wahrscheinlich vom Festland. Es gibt leckere Gemüsesuppe, Reis, Ei und als Gemüsebeilage Kartoffel (wie Pommes geschnitten). Überhaupt gibt bei peruanischen Gerichten meistens beides: Reis und Kartoffeln. Dazu einen Kräutertee, dieser schmeckt irgendwie nach Menthol - Bonbons. Das Kraut wächst auf der Insel, wir sollten es später noch kennenlernen. Das Mädchen kommt mit einigen klitzekleinen bunten Stoffpuppen, die sie uns hinhält. Wir rätseln, soll das ein Gastgeschenk sein (wir hatten vorhin den Kindern einiges Obst geschenkt) oder will sie uns lediglich etwas verkaufen. Was tut man in einer solchen Situation, um niemanden zu verletzen? Wir zucken mit den Schultern, stellen uns bißchen dumm und beschauen die Puppen ausführlich. Vielleicht will sie uns ja auch nur etwas zeigen. Wir sollten es nie erfahren. Schließlich geht sie wieder.

Gegen 16 Uhr trifft sich an der Schule alles zum Inselrundgang, das Mädchen von vorhin (den Namen haben wir noch nicht herausbekommen) schafft uns zum Treffpunkt und wird uns wohl auch ständig begleiten. Auf einer Mauer sitzen zwei kleine Kinder, als wir vorbeikommen, laufen sie uns hinterher und spielen etwas auf ihren Flöten. Selbstverständlich werden nach ein paar Takten die Hände aufgehalten. Den anderen ergeht es ähnlich. Wir werden auf den höchsten Punkt der Insel geführt, wir hätten den Weg sicherlich auch alleine gefunden, das hätte aber länger gedauert weil der ganze Hang aus unzähligen Terrassen mit den entsprechenden Mauern besteht und da hat es gewisse Vorteile, wenn einer den Weg kennt. Der Nachteil ist, daß uns die Kinder den ganzen Weg die Ohren voll flöten. Nach dem zwanzigsten Mal "El Condor Pasa" ist mein Folklorebedarf für den Rest des Urlaubs gedeckt. Die Kinder sind nicht zu bewegen, mit dem nervigen Geflöte aufzuhören, weder durch kleine Spenden noch durch Ignorieren. Sie scheinen auch eine gewisse Routine in ihren Handeln entwickelt zu haben, schließlich sind wir ja nicht die ersten Touristen auf der Insel.

Auf dem höchsten Punkt der Insel befindet sich eine alte Tempelanlage und man hat einen wunderschönen Rundblick auf den Titicacasee. Inzwischen zieht von Osten eine beeindruckend schwarze Wand herüber. Die Lichtspiele über dem See sind einfach überwältigend und uns wird auch langsam etwas unheimlich zumute. Es beginnt zu hageln. Man spürt die Geschosse sogar durch die Kapuze hindurch. Wir steigen wieder abwärts in Richtung Dorf, die Kinder haben sich inzwischen verkrümelt, entweder war ihnen das Wetter zu schlecht oder sie haben andere Opfer gefunden.

Im Dorf stellen wir fest, daß es sogar Geschäfte und eine Kneipe gibt. Die Kneipe hat geschlossen (wahrscheinlich weil es heute keinen Strom gibt), dafür hat einer der Läden geöffnet. Der Kauf einer (EINER!) Flasche Bier erweist sich als sehr schwierig. Irgendwie gibt es Probleme mit der Pfandflasche, das Mädchen muß versprechen, diese am nächsten Tag wieder zurück zu bringen.

Das Wetter beruhigt sich wieder, inzwischen ist es fast finster und wir handeln zu unserer Unterkunft zurück. Das Dorf macht im Gegensatz zu andren peruanischen Ansiedlungen ein recht vernünftigen Eindruck. Der noch sanfte Tourismus scheint sich für die Inselbewohner positiv auszuwirken. Noch gibt es keine Hotels und Restaurants. Schön wäre es, wenn es so bleiben würde.

Wir erfahren, daß auf der Insel zwar Strom vorhanden ist, wahrscheinlich existiert ein Seekabel vom Festland, Solaranlagen haben wir keine gesehen. Der Strom wird aber praktisch nie in Anspruch genommen weil er für die Bewohner viel zu teuer ist. So nehmen wir unser Abendessen bei Kerzenschein ein und beginnen danach mit einer zünftigen Skatrunde. Ich teile mir mit Volker unser einziges Bier (Jojo trinkt kein Bier, was zumindest jetzt in dieser Situation für uns geringe Vorteile bedeutet). Es hat wieder zu regnen begonnen. Da keiner Lust hat zum See runter zu latschen um Wasser zu holen (muß ja wirklich nicht sein) nutzen wir das fließend Wasser aus der Dachrinne und kommen doch noch zu unserer Abendtoilette.

In der Nach leide ich unter Schlafstörungen, bekomme auch irgendwie Platzangst. Ich muß raus, vertrete mir etwas die Beine und schnappe frische Luft. Danach geht es wieder besser.

 

6.15 Uhr kommt uns der Familienpapi wecken. Es gibt leckeres Frühstück. Wir verabschieden uns von der Gastfamilie. Selbstverständlich begleitet uns die Tochter zur Anlegestelle. Der Himmel ist immer noch wolkenverhangen, es weht eine steife Brise und es ist empfindlich kalt.

Der Kahn legt ab und bei schwerer See tuckern wir hinüber nach Taquile. Wir bleiben diesmal in der Kabine sitzen, nur Jojo hat plötzlich einen sehr großen Frischluftbedarf. Er lagert sein Kinn auf der Reling, immer bereit, bei entsprechenden Anzeichen die Fische zu füttern. Das Frühstück bleibt aber im Magen und wir nähern uns nach etwa einer Stunde der zweitem Insel. Beim Andocken an eine Art Kai muß das Boot längst zu den Wellen gestellt werden, das bedeutet, daß sich die Schaukelei noch verstärkt. Ein Staken fällt vom Dach, kann somit vorerst nicht benutzt werden, das erschwert die ganze Maßnahme erheblich. Die Schiffsleute besitzen aber viel Erfahrung, bekommen das Boot unter Kontrolle und es auch irgendwann ohne größere Schrammen und Beulen in den Hafen.

Wir latschen die Insel hinauf, inzwischen scheint auch die Sonne wieder. Im Dorf gibt es ein "Plaza de Armas" mit Kirche, zwei Kneipen, Post und Souvenirgeschäften. Wir entscheiden uns für eine der zwei Kneipen und schlürfen erst einmal ganz gemütlich ein Teechen. Dann werden wir wieder abgeholt und laufen auf einen Hügel, wo es ebenfalls wieder sehr alte Steine zu bewundern gibt. Auffällig ist, daß die Insel wesentlich touristischer ausgebaut ist, es existieren mehrere Restaurants, ein Hotel und etliche Läden. Mit unsere Wahl, auf der ersten Insel zu übernachten, lagen wir also goldrichtig.

Gegen Mittag sitzen wir alle wieder im Boot, außerdem heuern noch viele andere Rucksacktouristen und auch ein paar Einheimische an, so daß man sich teilweise sehr nahe kommt. Einigen ist diese Nähe zu groß und sie legen sich auf das Dach. Das kann man verantworten, weil der Wellengang inzwischen nachgelassen hat. Man muß also nicht unbedingt davor Angst haben, vom Schiff geschüttelt zu werden. Ca. 3 Meilen vor dem Ziel fängt auf einmal der Motor an, sehr komische Geräusche von sich zu geben. Nach ein paar Minuten hat die Besatzung aber alles wieder im Griff (Kühlwasser gibt es ja genug), außerdem haben wir Rückenwind und wären sowieso irgendwann an Land gespült worden. Kurz vor Puno fängt es wieder an zu regnen aber wir sind schon fast da. Unterwegs kreuzen wir ein schönes traditionelles Segelschiff. Noch zu erwähnen ist, daß Toor Heyerdaal die Boote der Einheimischen als Vorbild für seine Papyrusboote genutzt hat.

 

 

Puno II

 

Der Kleinbus vom Reisebüro reicht für die vielen Leute nun nicht mehr aus, wir bleiben außen vor und müssen uns ein Taxi bis in die Stadt nehmen. Das ist uns für 3 Soles relativ egal. Vom Reisebüro schaffen wir wieder unseren restlichen Kram ins Hotel und sehen zuerst nach Ina und Ricardo. Ina geht es wieder besser, sie machten am heutigen Tag sogar einen Ausflug auf die Schilfinseln. Am Vortag wurde sie allerdings in einem Peruanischen Krankenhaus an den Tropf gehangen, weil Elektrolytflüssigkeit zur Scheißereibekämpfung nicht als Schluckvariante zur Verfügung stand. Na egal, auf alle Fälle ist wieder alles auf den Beinen...

Für die morgige Busfahrt nach Arequipa tätigen wir noch paar Einkäufe. Danach rücken wir in unser Lieblingskneipchen zu einer großangelegten Freßorgie ein. Diesmal gibt es Peruanischen Rotwein, so kann sich auch Jojo ein bißchen betrinken.

 

Da vor um Sieben nirgends Frühstück aufzutreiben ist, im Hotel sowieso nicht, essen wir auf der Bude. Zur Tee kochen wird der Gaskartuschen - Kocher benutzt, bei geöffneten Fenster im Badezimmer. Wir kaufen auf einem Markt noch etwas Obst ein, halb Sieben stehen wir am Bus. Die Rucksäcke werden diesmal richtig komfortabel im buseigenen Gepäckraum verladen. Für die Rucksäcke bekommen wir Scheine mit Nummern, damit steigen die Chancen, daß wir unser Gepäck wiedersehen. Bis auf zwei Japanerinnen gibt es im Bus keine weiteren Touristen.

 

 

Busfahrt

 

Pünktlich 7.00 Uhr geht die Reise los. Wenn alles gut geht, sollten wir gegen 17.00 Uhr in Arequipa eintreffen. Das sind 10 Stunden für schätzungsweise 300 km. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, auf was wir uns eingelassen haben. Die ersten paar Kilometer bis Juliaca vergehen sehr schnell, die Straße ist gut asphaltiert und man holt noch bißchen Nachtschlaf nach.

In Juliaca macht der Bus eine längere Pause, weitere Leute steigen zu. Der Bus ist nun gut gefüllt. Wir nutzen die Gelegenheit, uns ein wenig umzusehen. Das Busbahnhofsgebäude ist eine riesige Betonruine. An manchen Ecken wird noch gebaut, woanders kommt schon wieder die rostige Stahlbewehrung zum Vorschein und die Überdeckung bröckelt großflächig ab. Ansonsten ist der Service aber gut. Am Bus wird Kuchen verkauft. Mehrere Frauen erscheinen mit ihren bunten Teewagen, gekostet haben wir das Getränk leider nie. In einem Topf köchelt Wasser vor sich hin, darin stecken lange spitze undefinierbare Blätter, nicht einmal Jojo wußte damit was anzufangen... Der Extrakt wird dann in ein Glas gefüllt, dazu gibt es wahlweise noch eine farbige Flüssigkeit. Ich tippe auf Sirup. Mmmhm?!? In Juliaca sind zu dieser frühen Stunde schon wieder massig Händler unterwegs. Dort gibt es auch die besagte Straße mit den vielen Nähern an ihren Maschinen.

Jetzt wird es interessant. Noch ist die Straße asphaltiert, das bedeutet, man sitzt noch einigermaßen ruhig, kann noch atmen und ist auch noch aufnahmefähig. Das nutzen einige pfiffige Leute, um Ideen, Produkte oder beides an die Frau oder den Mann zu bringen. Als erster schlappt eine Art religiöser Fanatiker in den vorderen Teil des Busses. Ich verstehe nur die spanischen Worte für Alkohol, Prostitution sowie Sex und kann mir anhand seiner energischen Gebärden und Bewegungen in etwa ausmalen, daß er nicht unbedingt ein Verfechter von diesen Dingen ist. Nach seiner kurzweilen "Predigt", diese ging bestimmt 20 Minuten, verteilt er Schokoladenriegel, wahrscheinlich als Ersatzbefriedigung für die von ihm verbotenen Sachen. Naja, da schiele ich doch viel lieber zu den hübschen Japanerinnen... Ich stelle mich schlafend, bekomme aber trotzdem meinen Teil (von den Schkoriegeln) ab und warte erst mal ab, was weiter passiert. Als er durch ist kommt er ein zweites Mal und will nun Geld für seinen Scheiß haben. So haben wir aber nicht gewettet und ich packe ihn den ganzen Kram wieder in seine Kiste.

Bald darauf kommt ein Polizeiposten, das sollte nicht der letzte gewesen sein. Es werden die Dokumente des Busfahrers kontrolliert, in den Gepäckraum wird ein längerer Blick geworfen und - der Fanatiker wird in Handschellen abgeführt. Entweder hatte er keinen Fahrschein oder dem Staat war es ein bißchen Kirche zuviel. Wer weiß?!

Das war aber lange noch nicht alles. Kaum rollt der Bus wieder, tritt ein Kreole auf den Plan mit Rollkragenpullover und Hornbrille, irgendwie erinnert mich der Mann an Robi Williams im "Club der toten Dichter". Dieser schimpft auf die Bildungsmisere im Land und verkauft Buchkataloge und Schulbücher. Uns läßt er in Ruhe, wir sehen wahrscheinlich schlau genug aus.

Dann hört die Straße abrupt auf und es beginnt eine Staub- und Schotterpiste ungekannten Ausmaßes. Es sind nur noch etwa 8 Stunden bis Arequipa. Ich verkeile mich in meinen Sitz so gut wie es geht und bereue zum zweiten Mal, daß ich kein Rauchzeug dabei habe.

Die Landschaft entschädigt uns aber immer wieder für die Strapazen. Wir fahren auf der kurvenreichen Piste durch ein interessantes Tal, es geht höher und höher. Man hat schöne Blicke zu entfernten schneebedeckten Berggipfeln und über Gebirgsseen. Kurz vor dem höchsten Paß macht der Fahrer eine Pinkelpause, niemand macht sich die Mühe, auch nur weiter als zwei Meter vom Bus wegzugehen...

Dann erreichen wir den höchsten Punkt der Reise, den Abra Toroja – Paß in 4690 m Höhe. Sehr beeindruckend! Es gibt nur noch niedrige Vegetation, unter anderen auch die riesigen Hochlandflechten, Yareta´s, wie sie von den Einheimischen genannt werden. Danach wächst fast nichts mehr, die Landschaft wird sehr übersichtlich, merklich trockener und mutiert zur Sand- oder Steinwüste. Manchmal liegen an der Oberfläche große weiße Salzstöcke auf, unter diesen extremen Bedingungen, hinzu kommt die Kälte und die Trockenheit, kann wirklich fast nichts existieren.

Das nächste Mal macht der Bus an einer Raststätte mitten in der Pampa halt, dort gabelt sich der Weg und ein Abzweig führt zurück nach Cusco. Auf den ausgefahrenen Wegen kommen hin und wieder große LKW´s vorbei gedonnert und nebeln alles ein. Lustig sind vier kleine, blau gestrichene Toilettenhäuschen anzusehen, welche einsam und allein vor einer großartigen Landschaft einfach so dastehen. Ich glaube, das war allen ein Foto wert.

Nun sind es nur noch ca. 3 Stunden bis Arequipa, vorausgesetzt der Bus hält durch und es gibt keine anderen unvorhersehbaren Ereignisse wie Terroristen, Bergstürze, Revolutionen, Schneeeinbrüche und weiß der Geier was noch alles. Ich habe zum tausendsten Mal meine Brille und meine Nase vom Staub befreit. Alles knirscht, die Kamera, das Gebiß, aus den Ohren und anderen Vertiefungen und Ritzen könnte man tonnenweise Dreck fördern. Inzwischen ist auch kein Wölkchen mehr am Himmel zu sehen und die Sonne tut ihr Übriges.

Wir fahren an einem großen Salzsee vorbei, die Laguna Salinas (wie auch sonst?!). In der Brühe stehen tausende Flamingos mit ihren roten Bäuchen. Das sieht schön aus. So richtig aufnahmefähig bin ich aber nicht mehr.

Später sieht man die beiden schneebedeckten Vulkane oberhalb von Arequipa, also den Volcano Pichu Pichu (5350 m) und - den Misti (5822 m). Volker und mir wird etwas ängstlich zumute. Ursprünglich hatten wir mal geplant, diesen letztgenannten Hügel zu besteigen. Wir sollten es dann aber lassen, eher aus Zeitgründen und dem Vorhandensein interessanter Alternativen. Dazu aber später.

Ganz weit unten erahnen wir im Dunst die Ebene, wo Arequipa liegen muß. Dort müssen wir noch hinunter. Es geht nochmals über unzählige Serpentinen die staubige Piste ins Tal hinein, langsam fahrende Autos können nicht überholt werden, bei Gegenverkehr gibt es atemberaubende Ausweichmanöver. Bis auf lauwarmes Wasser haben wir nichts mehr zu trinken...

Urplötzlich hört das Geschaukel auf, wir befinden uns wieder auf einer asphaltierten Straße, der nächste Polizeiposten läßt nicht lange auf sich warten. Es gibt keine Probleme. Es zeigen sich auch schon die ersten Vororte von Arequipa. Selbstverständlich taucht auch sofort wieder ein Redner auf und bietet bunte Bücher an.

 

 

Arequipa I

 

Im Vergleich zu Juliaca machen die Vororte von Arequipa auf dieser Seite der Stadt einen besseren Eindruck. Aus dem Feldweg durchs Gebirge ist eine großzügig angelegte zweispurige Straße mit einem Grünstreifen in der Mitte geworden. Ich mache mir so meine Gedanken, wie wohl die Wasserversorgung der Stadt gesichert sein möge. Aus den Bergen kommende und auch wasserführende Flüsse gab es praktisch überhaupt keine zu sehen. Später sollen wir erfahren, daß es in Arequipa ungefähr 2 (zwei) Regentage im Jahr gibt. Sehr rätselhaft, das ganze.

Der Busbahnhof mutet sehr modern an. Laut Reiseführer muß sich dieser in der Nähe der Plaza, also im Zentrum befinden. Offensichtlich sind wir aber auf einen neueren, etwas außerhalb gelegenen Busbahnhof gelandet. So lassen wir uns dann doch mit einem Taxi auf die Plaza kutschieren. Arequipa besitzt ungefähr 600 000 Einwohner, Tendenz steigend.

Ohne größere Experimente fußen wir gleich in ein empfohlenes Hotel und spülen uns erst einmal gründlich den Staub aus den Löchern und Schlitzen. Unsere Mägen brummen, der Durst ist auch nicht ganz zu verachten, so gehen wir auf Nahrungssuche, was sich gar nicht so als ganz einfach erweisen sollte. Um die Plaza ist es für Peruanische Verhältnisse sehr teuer (15 Soles aufwärts) und auch sehr restaurantisch (weiße Tischdecken, korrekt gekleidete Kellner mit aufgeschlagenen Speisekarten vor ihren Etablissements, Folklore... Arequipa ist eben eine richtige Großstadt. Paar Straßen weiter gibt es dann auch mexikanische Würfelbuden, wo ein komplettes Menü 2,50 kostet. Man ist aber skeptisch. Als Alternative gibt es, wie überall in Peru, fast an jeder Ecke eine Polleria (auf deutsch ist dies ein Gasthaus, wo es ausschließlich Goldbroiler zu erwerben gibt). Das ist nichts für Ricardo, weil alles mit Knochen bei ihm Ekelgefühle hervorruft. Hühnerphobie! Wäre mal was für´s Sofa, bestimmt eine frühe Störung oder so. Irgendwann finden wir was Holländisches. Das Essen schmeckt super, Bier sowieso und wir werden langsam zufriedener. Ina, Ricardo und Jojo sind nun zufrieden genug und sie beschließen den Tag im Hotel.

Volker und ich ziehen noch bißchen um die Blocks um den akkumulierten Staub, vollständig und nachhaltig, auch innerlich los zu bekommen. Nach zwei, drei langweiligen Buden landen wir in einer Eckkneipe, dort sitzen nur Peruaner, nicht gerade Intellektuelle, eher sehr einfache Menschen, an den Tischen. Wir fallen selbstverständlich auf, kommen auch sofort mit den Leuten ins "Gespräch" - Hauptthema ist Bayer München. Gegen Mitternacht stellt der Kneiper die Stühle hoch, wir pressen uns noch die angerissenen Biere hinein. Zwei Tage später erfahren wir, daß die Kneipe in einer sehr gefährlichen Gegend liegt, wo man als vermeintlicher Ami-Grinko eher nicht hin geht. Wir handeln also zurück und verlaufen uns unterwegs noch ein bißchen. Das dürfen wir, denn wir sind ja schließlich das erste Mal in dieser großen Stadt. Bald stehen wir aber doch vor dem vertrauten Hotel, klingeln die Portiöse heraus und fallen ins Nest. Ein abwechslungsreicher und strapaziöser Tag geht zu Ende.

 

Den nächsten Tag gehen wir sehr entspannt an, nehmen ein langes, schmackhaftes und nahrreiches American Breakfast ein. Das Hotel besteht aus zwei kleinen Innenhöfen im zweiten Stock, von dort führt eine Leiter auf das Dach wo sich eine wunderschöne Terrasse befindet. Von dieser hat man einen grandiosen Blick über die Stadt und die östlich gelegenen Volcanos. Also, erstklassige Wahl!

Als erstes bekommen einige meiner T-Shirts, Slips und Socken eine Waschung verabreicht. Das Experiment mit einer Wäscherei lassen wir lieber, auch ist dieser Service im Hotel ziemlich teuer. Im Zimmer hat man zwar ein Schild angebracht, worauf so etwas wie "Wäsche waschen verboten" steht, was kümmert es mich.... Jetzt hängen über sämtlichen Nachttischchen, Stühlen und Schranktüren unsere nassen Klamotten.

Nach dieser Aktion gehen wir zur Plaza, es gibt auf dem Platz seltsamerweise keine Händler. Sicherlich wurden von der Verwaltung entsprechende Verbote erlassen. Das ist teilweise ganz angenehm aber auch ein wenig befremdlich. Der Handel und das Anbieten von Dienstleistungen gehört zu Peru wie das Bier und die Knödel zu Böhmen. Dafür gibt es etliche Reisebüros.

Wir hatten beim Frühstück beschlossen, eine ausgedehnte Reise in das Colca-Tal zu unternehmen. Ricardo lehnt eine weitere Trekkingtour ab, so müssen wir einen Kompromiß machen. Für uns bleibt aber wenigstens ein voller Tag übrig, um von einem Nest in halber Höhe eine Tagestour bis auf den Grund des Canyons zu unternehmen. Wir organisieren eine Dreitage-Tour für 45$ pro Person, Transport und Übernachtung inklusive. Das erscheint uns vorerst nicht zu teuer. Außerdem buchen wir einen Inlandsflug von Arequipa nach Lima und lassen uns sicherheitshalber auch gleich die Rückflüge von Lima bestätigen. Wir hatten auf unserer letzten großen Tour in Moskau schlechte Erfahrungen gemacht...

Nach getaner Arbeit setzen wir uns in ein Cafe am Markt und lassen es uns gut gehen. Der Plaza ist eine absolute Augenweite, im Osten befindet sich die Kathedrale aus weißem vulkanischen Gestein, das Kirchenschiff erstreckt sich entlang des Platzes, dementsprechend weit stehen auch die beiden Türme auseinander. Damit erscheint das Gebäude wie die breiteste Kirche der Welt. Auf den anderen drei Seiten befinden sich Gebäude mit gigantischen gewölbten Bogengängen (also fortlaufende Reihen von Bögen auf Pfeilern), welche vor den Erdgeschossen angeordnet sind und das zweite Geschoß mit tragen, die untere Etagen bestehen aus Tonnengewölben. Auch die Häuser der Seitenstraßen sind meist ähnlich gebaut.

Danach schlendern Volker und ich etwas durch die Stadt. Die Innenstadt mit ihren Geschäften, Banken Restaurants usw. hält jedem westlichen Vergleich stand. Hier treten die krassen Unterschiede zum Umland am deutlichsten zu tage. Der Verkehr ist chaotisch. Die meisten Autos sind Taxis. Diese fahren ihre Runden über die Plaza und die angrenzenden Straßen und warten auf Kundschaft. Kein Wunder, daß in diesem Bereich alles verstopft ist und zeitweise gar nichts mehr geht. Uns wundert nur, daß die Luft in Arequipa nicht sooo schlecht ist, entweder haben unsere Geruchsorgane schon einen mächtigen Grind oder die Thermik im Arequipa ist günstiger oder hier wird einfach besserer Sprit verkauft. Wer weiß. Auf dem Weg zu einer riesigen Markthalle, kommen wir an einer Polizeistation vorbei. Davor stehen einige Militärfahrzeuge, stark gepanzert, zerbeult, zerschrammt und mit Einschüssen in der Windschutzscheibe. Diese stammen bestimmt vom letzten Einsatz gegen den Sendero luminoso, denken wir uns so.

Der "Mercado Central" ist schnell gefunden, die enorme Halle ist ja auch wirklich nicht zu übersehen. Wir fassen unsere Kameras kürzer, ziehen unsere Brustbeutel strammer – und hinein geht es in das bunte Vergnügen. Der Markt besteht aus verschiedenen Abteilungen, Saftbars, viel Fisch, säckeweise unverarbeitete Naturalien, Fleischprodukte, Tierhäute, Sonnenbrillen, Batterien, Klamotten, mexikanische Würfelbuden, nicht zu verachten, das riesige Obst- und Gemüseangebot. Ausdrücklich erwähnt werden müssen die Saftbars mit den hübschen Mädchen hinter den Tresen, diese bieten lautstark ihr Frischgepreßtes an. Bei dieser Fülle und Vielfalt fällt die Auswahl schwer... In einer Ecke des Marktes findet auch mal eine Prozession statt, irgend ein Heiliger wird durch die Bude getragen, selbstverständlich ist dort auch wieder eine Blaskapelle zugange. Also ich muß sagen, auf den Märkten kann man wirklich das wahre Leben der Peruaner studieren.

Auf den Rückweg haken wir noch eine Kirche ab. Interessanterweise hat keine Kirche in Arequipa einen hölzernen Dachstuhl, sondern das Dach besteht meistens aus einem oder mehreren gemauerten Tonnengewölben oder Kuppeln. Ist ja auch klar, Holz ist wenig verfügbar, zumindest solches in Dimension und Ausmaß nicht, welches man zur Überbrückung großer Spannweiten benötigen würde. Und das Holz aus dem Regenwald quer über die Anden nach Arequipa zu schleppen, das wäre Quatsch.

In einem Cafe verspeisen wir noch ganz feudal riesige Batzen an Kremtorte, trinken leckeren Kaffee und lassen es uns einfach gut gehen. Die Kalorien sollen wir die nächsten Tage noch brauchen...

Wieder im Hotel angekommen, stelle ich fest, daß meine zum Trocknen ausgelegten Klamotten verschwunden sind. Der Schreck wärt aber nur kurz, wir finden alles fein und akurat draußen in der Sonne aufgehängt – die Hotelportiöse war so selbstlos – und bei 5 % Luftfeuchtigkeit ist selbstverständlich schon alles trocken.

Der Rest unserer Gruppe sitzt auf dem Dach und unterhält sich mit einem Typ aus Frankfurt / Main, wir setzen uns dazu und erzählen diverse Geschichten und Abenteuer. Er ist ebenfalls wie Jojo im zweiten Biosemester. Als alle studienrelevanten Dinge ausgetauscht sind, gibt er eine Story zum Besten, die auch wenn er sie nicht erlebt hat und vielleicht sogar nur erfunden ist, trotzdem sehr gut ist weil diese voll zur Mentalität der Peruaner paßt: Auf einer Eisenbahnfahrt fehlen auf einmal vor dem Zug vier Meter Gleis, hat wahrscheinlich jemand für irgend etwas gebraucht. Nach kurzem Überlegen krempelt man die Ärmel hoch, holt sich das fehlende Stück Gleis vom hinteren Ende und setzt es davor wieder ein. Soll sich doch der nächste einen Kopf machen. Vielleicht kommt die Lücke ja irgendwann mal bei einem Bahnhof an... Die restlichen 20 cm "Stoß" sind für den Lokführer auch kein echtes Problem und nach zwei Stunden Pause geht es weiter.

In unserer kleinen Runde fehlt Ina schon seit geraumer Zeit. Irgendeiner muß mal runter und entdeckt eine tobende und gegen die Tür prügelnde Ina. Ricardo hat sie aus versehen in ihren Zimmer eingeschlossen und sie bekam langsam Panikattacken.

Auf ausdrücklichen Wusch von Ina und Ricardo gehen wir zum Abendessen in ein Restaurant an die Plaza speisen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis geht so, die Kellnerinnen sind nicht von schlechten Eltern. Ansonsten ist es aber stinklangweilig, weiße Tischdecken mit weißem Stoff überzogene Stühle, die Musik spielt Gott sei Dank in einer anderen Ecke der riesigen Veranda und wir bleiben relativ unbehelligt.

Ansonsten passiert diesen Tag nicht mehr allzu viel und wir gehen zeitig schlafen.

 

 

Colca Canyon

 

Wir stehen zu einer sehr gemäßigten Zeit auf. Heute soll die Dreitage – Tour zum Colca Canyon starten. Wir frühstücken und werden gegen 8.30 Uhr vor dem Hotel von einem Kleinbus abgeholt.

Der Bus ist gestopft voll, irgendwie pressen wir uns und die Rucksäcke noch hinein und los geht es. Jetzt lernen wir Arequipa mal von einer anderen Seite kennen, wir fahren durch endlose Vororte. Einmal hält der Bus noch vor einem kleinen Laden, der Besitzer ist sicherlich ein sehr guter Kumpel von unserer Tourenchefin. Sie empfiehlt uns, viel Kohlenhydrate, also teure Schokolade, gegen eventuell auftretende Höhenbeschwerden zu akkumulieren. Naja, ich hatte das schon mal anders gelernt... Aber Hauptsache der Umsatz stimmt.

Weiter geht es durch die Vororte, die je weiter wir in Richtung Stadtrand kommen um so slumartiger werden. Wir sehen einfache Lehmhäuser, aber auch Stahlbetonbauten, wo oftmals aus dem Erdgeschoß eine wilde Bewehrung gegen den Himmel strebt. Vielleicht hoffte man beim Bau auf bessere Zeiten um irgendwann mal ein zweites Geschoß zu errichten.

Viele Landbewohner, die in ihren Dörfern kein Auskommen haben, siedeln sich an den Rändern der großen Städte an und hoffen dadurch irgendwie Arbeit zu bekommen. Das sind praktisch wilde Landbesetzungen, diese werden von der Obrigkeit meistens toleriert. Anfangs haben diese Siedlungen kein Trinkwasser und keinen Strom, von Müllabfuhr ganz zu schweigen. Erst nach einigen Jahren, nachdem sich die Menschen, oftmals ganze Dorfgemeinschaften, im neuentstandenen Viertel besser organisiert haben und so auf die Verwaltung Druck ausüben können, werden dann auch mal soziale Forderungen durchgesetzt. Von Stadtplanung kann aber unter diesen Umständen absolut keine Rede sein.

Unsere Tourenbegleiterin hält das aber nicht für erwähnenswert, anscheinend existieren die Slums nur als Phantom, sie zeigt uns lieber solche neoliberalen Errungenschaften wie Großflughäfen und Zementwerke.

Im Bus sind alles Deutsche, bis auf Fahrer, Guide und zwei Irinnen. Diese unternehmen eine Zweitage – Tour zum Colca Canyon.

Die Landschaft nördlich von Arequipa ist ebenfalls sehr trocken. Die Straße windet sich den Berg hinauf und geht bald wieder in eine Schotterpiste über. Dann kommen wir wieder in eine große Ebene, die Puna, und sind schon weit über 4000 m. Der Blick auf die Vulkane ist einzigartig. Wir sehen viel Tierherden, meistens Lamas, Alpacas oder Vicunias. Der Bus hält ab und zu und wir beobachten wie Vicunias geschoren werden. An einer kleinen Raststätte trinken wir Cocatee. Wieder im Bus versammelt, reicht unsere Begleiterin Cocablätter nach hinten weil wir bald einen Paß auf 4800 m Höhe überqueren werden. Wir hatten selbstverständlich selbst vorgesorgt und stopfen uns auch ein paar Blätter inklusive "bola" (Kugel aus Pflanzenasche und Kalk) in die Backen. Außer etwas Taubheit im Mund, bringt das aber keinen nennenswerten Effekt. Wahrscheinlich lindert es wirklich nur die Schmerzen bei Höhenproblemen oder anderen Befindlichkeiten bzw. macht etwas gleichgültig diesen Dingen gegenüber. Uns geht es aber gut, wir sind mittlerweile sehr gut akklimatisiert, so daß wir den ganzen Kram nach relativ kurzer Zeit wieder ausspucken. Die einheimischen Bergarbeiter zum Beispiel sollen ja die ganze Schicht Coca - Blätter im Mund haben..., was ich auch gut verstehen kann.

Auf dem Paß macht der Kleinbus eine kurze Rast. Überall sind Steinpyramiden errichtet. Um einen besseren Ausblick zu haben, klettere ich einen kleinen Hang hinauf. Im Hintergrund sind schneebedeckte Berge zu sehen. Leider ist das Wetter nicht optimal, es ist dunstig, ein kalter scheidender Wind geht. Na ja, immerhin sind wir ja auch in 4800 m Höhe. So hoch ist der höchste Gipfel in den Alpen... Bis auf ein paar Gräser gibt es keine Vegetation mehr, dafür um so mehr Steine. Die ganze Hochebene ist eigentlich mit Steinen übersät. Volker kommt nun ebenfalls etwas schnell den Hang hinauf gehastet und gerät ordentlich außer Atem. Die Höhe!

Über weite Serpentinen geht es wieder hinunter. In einer Ortschaft, bestehend aus zwei Häusern, befindet sich ein anderer Kleinbus. Diesem wurde offensichtlich der Tank abgerissen, man sieht noch die hunderte Meter lange Dieselspur. Die Leute stehen ratlos herum, unser Fahrer hält es aber nicht für nötig anzuhalten und Hilfe zu leisten. Was soll er auch machen?

Wir sollten den Bus aber nicht das letzte Mal gesehen haben. Man half sich nämlich selbst: irgendwie wurde entweder der Tank wieder geflickt oder ein anderer aufgetrieben, dieser wurde auf das Dach gebunden und ein Schlauch führte zum Motor. Ich habe wirklich den aller höchsten Respekt vor dem Improvisationstalent der Peruaner...

Unser Tagesziel nennt sich Chivay, eine kleine Stadt auf angenehmen 3600 Metern. Dieser Ort befindet sich am Eingang des Colca-Canyons. Es wird behauptet, daß dieses Tal tiefer als der Grand Canyon in den Vereinigten Staaten ist. Die höchste Berg in der Umgebung ist der Ampato 6318 m, die Talsohle liegt vielleicht auf 2500 m, mit diesen Höhenunterschied kann der Grand Canyon selbstverständlich nicht mithalten. Trotzdem stimmt die Rechnung so nicht: erstens wird der große Höhenunterschied beim Colca-Canyon nur örtlich erreicht und zweitens befinden sich die hohen Berge nicht unmittelbar am Talrand. Na egal, sollen sich die Geographen streiten... Was wir die nächsten drei Tage aber zu sehen bekommen sollten, existiert zu diesem Zeitpunkt noch jenseits unseres Vorstellungsvermögens.

In Chivay angekommen, werden wir erst mal in eine Kneipe zur Abfütterung verfrachtet. Das Menü kostet 10 Soles, das Essen schmeckt. Ausdrücklich hervorzuheben ist eine Knoblauchsuppe, wovon ich den letzten Teller eines sehr großen Topfes abbekomme. Deshalb ist dort auch ordentlichst Dickes darin, sprich Unmengen an Knoblauch. Lecker!

Danach quartiert man uns in ein kleines, einfaches Hostal in der Nähe der Plaza ein. Auf dem Plan steht heute noch die Besichtigung der heißen Quellen, drei Kilometer außerhalb des Ortes. Leider ist es schon wieder 17 Uhr, das bedeutet, daß es bald finster wird. Die Quellen sind nicht naturbelassen und das Ganze gleicht so eher einer Badeanstalt. Es stinkt mörderisch nach Schwefelwasserstoff. Die Anlage hat zwei Becken aufzuweisen, eins für Touristen und eins für Einheimische. Das ist uns etwas Apartheit zu viel und wir beschließen, uns doch lieber das schöne Tal oberhalb der Quellen anzusehen. Wir folgen einen Pfad, laufen an kunstvoll angelegten Terrassen vorbei, passieren kleine Höfe, genießen auch mal den schönen Blick ins Tal. Ganz toll sieht die Färbung des Himmels zu dieser Stunde aus, eine abziehende Regenwolke wird von der Sonne angestrahlt und läßt die ganze Landschaft in einem gelb-rötlichen Farbton erscheinen. Wundervoll.

Wieder zurück, fanden Volker und ich nach einem Glasbiergeschäft. Dieses ist im Handumdrehen gefunden. Wir lassen uns den Ladentisch voll Getränke stellen, vorher wischt die Frau noch ganz penibel den Staub von jeder Flasche, wollen gerade bezahlen und abziehen, da textet uns die Frau auf einmal auf Quechua voll. Sie zeigt immer wieder auf die Flaschen und gibt uns zu verstehen, daß diese unbedingt im Laden zu bleiben haben. Wir wollten eigentlich nicht unbedingt gleich 5 Bier auf Ex trinken, was aber aufgrund der weiteren Abendgestaltung vielleicht gar nicht sooo schlecht gewesen wäre. Doch dazu später. Jedenfalls müssen wir den Laden unverrichteter Dinge wieder verlassen. Um die Ecke bekommen wir dann aber alles Gewünschte und wir machen es uns erst mal auf unserem Zimmer gemütlich.

Daß es uns nicht zu langweilig wird, ist für den Abend noch eine Folklore - Veranstaltung organisiert. Der Laden ist hübsch hergerichtet, weiße Tischdecken, Knabberzeug, etwas Dekoration an den Wänden. Bald laufen 5 Typen auf mit Elektogitarren, Verstärkern, weißen Hemden, schwarzen Westovern, gelben Stilkämmen... Diese machen eine dermaßen schlechte, glattgebügelte Musik, das haut den stärksten Charakter um. "El Condor Pasa" wird uns nicht erspart! Wir stopfen fix unser Essen hinter und verlassen fluchtartig das Lokal, nicht bevor Jojo ein Nudelgericht das zweite Mal bringen läßt weil die erste Portion eiskalt war.

Wir drehen ein Runde auf der Plaza. Es gibt noch zwei touristische Einrichtungen, woraus ebenfalls jeweils "El Condor Pasa" tönt und eine Art Cafe, dieses hat sogar irgendwie Stil. Leider sind wir die einzigen Gäste. Nachdem uns eine Kellnerin das Gewünschte gebracht hat, verschwindet sie auch in irgend einem Nebenraum. Das war vielleicht auch besser, sonst hätte sie sich die ganze Zeit unser dummes Gesülze anhören müssen.

 

Am Vortag hatten wir die Guide gebeten, das ganze Programm etwas nach vorn zu verschieben, erstens wollen wir die Vögelchen am Cruz de Condor sehen, diese erscheinen, so der Sonnengott will, nur früh am Morgen und zweitens hatten wir uns für den Tag noch so einiges vorgenommen, zum Beispiel von Cabanaconde auf den Grund des Canyons zu wandern.

Der Wecker klingelt also 5.00 Uhr. Pünktlich 5.30 Uhr sind wir am Start. Um diese Zeit soll es Frühstück geben. Unsere Reiseleiterin rüttelt und klopft vergebens an einer verschlossenen Tür, offensichtlich ist da die Nachtruhe noch nicht ganz vorbei..., gibt irgendwann auf und führt uns in ein nahegelegenes Hotel. Bis etwas Eßbares auf dem Tisch steht, ist unser zeitlicher Vorsprung dahin geschmolzen. Mit schon leicht angeschwollenen Hälsen unsererseits geht es dann endlich los.

Chivay liegt so ziemlich auf dem Grund des Colcatales. Ein staubiger Fahrweg führt langsam bergan, so daß wir bald stark an Höhe gewinnen und ab und zu wunderbare Ausblicke in den riesigen Canyon haben. Auffällig sind die enormen Terrassenanlagen, die sich links und rechst die Hänge hoch erstrecken. Wir machen einen kurzen Zwischenstop in Achona, latschen einmal um die Kirche ??, mittlerweile ist es halb 9 als wir am Cruz de Condor ankommen. Wir sind nicht die ersten, inzwischen hat sich ein gigantischer Haufen Touristen angesammelt, die alle mit Teleobjektiven und Videokameras einen oder mehrere Condore ablichten möchten. Man gibt uns eine Stunde, in der Hoffnung, daß in dieser Zeit das von allen erwartete Ereignis eintritt. Und siehe da, ein Condor erbarmt sich wirklich, zieht ein paar Kreise über der Kante des Canyons und verschwindet bald darauf in Richtung Westen. Unter den vielen Leuten befinden sich auch ein paar Naturschützer, die darauf achten, daß übereifrige Urlauber nicht über die karge Vegetation latschen oder gar beim Guck-In-Luft in den Abgrund stürzen.

Im Canyon soll es wohl nur noch wenige Pärchen geben, diese fliegen in der Trockenzeit oftmals runter an den Pazifik, weil sie an den Hängen wenig zu fressen finden.

Extra wegen uns fährt der Kleinbus noch nach Cabanaconde. Von dort wollen wir auf den Grund des Canyons hinabsteigen. Wir werden in ein kleines Hostal einquartiert, Urlaub auf dem Bauernhof, es gibt Hunde, Katzen, anderes Getier und... ein Condor an der Kette. Vorher beknieen wir die Reisechefin noch eindringlich, daß wir ja den nächsten Tag von diesem gottverlassenen Nest wieder abgeholt werden. Die Sorge war unbegründet, weil zur Not auch Linienbusse über Chivay zurück nach Arequipa gefahren wären. Na egal.

Wir halten uns gar nicht lange auf, satteln unsere Klamotten und brechen in den Colcacanyon auf. Ricardo bleibt am Ort, er schützt Erkältung oder Migräne vor. Ein netter Herr vom Hostal zeigt uns noch den Einstieg, dann sind wir bis auf einen Hund vom Gehöft auf uns allein gestellt. Der Weg vom Dorf weg ist über und über mit Zivilisationsmüll übersät: Plastetüten, Verpackungen, Flaschen, Autoreifen, ein Tierkadaver. Darin suhlt sich unser Hund mit sehr großer Vorliebe. Danach wird das liebe Tier von uns nicht mehr gestreichelt.

Von Cabanaconde bis zum Grund des Canyons sind es nach unseren vorsichtigen Schätzungen ca. 1000 Höhenmeter, das stellt für uns eigentlich kein größeres Problem dar. Erschwerend kommen aber die große Trockenheit, der allgegenwärtige Staub und die starke Sonneneinstrahlung hinzu. Außerdem ist der Weg sehr sandig und mit Geröll und Steinen belegt, das macht das Laufen schwer. Als erste bekommt Ina Konditionsprobleme. Auch dem Hund schleift die Zunge schon auf dem Dreck. Kaum macht einer von uns Pause, wirft sich der Hund in dessen spärlichen Tropenschatten.

Die gegenüberliegende Wand ist sehr beeindruckend, man kann stellenweise von der Talsohle bis zu den schneebedeckten Bergen hinauf sehen. Irgendwo, noch ziemlich weit unten, befindet sich ein Dorf, darunter und darüber sind wieder die Terassenfelder angelegt und von dort schlängeln sich Pfade in verschiedene Richtungen. Nur mit Hilfe dieser geographischen Orientierungspunke kann man sich die wirkliche Dimension des Tales vorstellen. Ich glaube 3500 m vom Grund bis zu den Gipfeln sind nicht zu wenig geschätzt, dagegen erscheint der Grand Canyon in den Staaten wie das Polenztal, ein kleines unscheinbares, etwa 20 km langes Tal im Einzugsgebiet der Sächsischen Schweiz unweit von Dresden – muß man nicht kennen!

Unterwegs gibt es ein paar wunderschöne Basaltformationen zu bestaunen und wir nähern uns immer mehr einer Oase mit Palmen, Feldern und viel Grün. An dieser Stelle laufen ein paar Bäche zusammen, diese sorgen für genug Leben in der ansonsten wüstenartigen Umgebung, wo es außer Gräsern, Kakteen, den Hund und außer uns nicht Lebendiges zu geben scheint. Noch zu erwähnen ist ein staubtrockenes, runzliges und uraltes Weiblein, welches mit ihrem beladenen Gaul, wahrscheinlich ins nächste Dorf unterwegs ist.

Vorerst haben wir es geschafft und sind am Grund des Tales, also in der Oase angekommen. Dort gibt es einen kleinen Zeltplatz für Trekker, ein Swimmingpool, erstaunlich viel schattiges Grün, Palmen, Moskitos und selbstverständlich auch wieder unser Straßenköter. Dessen Bettelei ist mittlerweile ins Aggressive übergegangen als wir unsere Vorräte auspacken. Weder mit Steinchen noch mit Stöcken ist das Tier zu verscheuchen, selbst Fußtritte scheinen es kaum zu beeindrucken.

Ina ist endbreit! Zum Glück treffen wir einen Mann mit Pferd, dieser ist bereit, gegen einen gewissen Obolus, Ina nach Cabanaconde reiten zu lassen. Jojo bleibt zur Sicherheit dabei. Ansonsten halten wir uns nicht sehr lange in der Oase auf, es wird ja bekanntlich gegen 18 Uhr wieder finster und der Aufstieg soll etwa 4 Stunden dauern. Das sollte man auch sehr ernst nehmen. Bevor wir zu zweit wieder hoch stapfen, machen wir noch einen Abstecher zu einer nahe gelegenen Hängebrücke. Auf dieser ist es auf einmal wie im Windkanal, bei dem starken Wind und dem Geschaukel kann ich mich beim Ablichten der Umgebung kaum auf den Beinen halten.

Dann geht es aber endgültig nach oben. Kurz nach dem Start entdecken wir am Weg ein Kreuz mit Gebinden und Blumen... Das macht extrem Mut für den Aufstieg. Außerdem haben wir für den Marsch nur noch 1,5 Liter Wasser. Der Staub und die Trockenheit macht einem wirklich zu schaffen, irgendwann bringe ich gar keine Wörter, sondern nur noch gelben Schleim hervor. Röchel, Kotz, Schwitz! Der Weg nimmt kein Ende. Kurz vor dem Ziel wird es aber wieder etwas motivierender und angenehmer, und wir haben sogar noch Zeit und Muse, ein paar Kakteenabsenker für zu Hause zu pflücken.

Nach reichlich drei Stunden sind wir an den ersten Häusern von Cabanaconde, zum Glück hat auch gleich ein Eckladen geöffnet und wir gulken die ersten Biere ohne Abzusetzen hinein. Allerhöchste Eisenbahn !!! Erst danach merken wir, nachdem der Grobstaub weggespühlt ist, wie breit und müde wir eigentlich sind. Kurze Zeit sind auch Ina und Jojo wieder im Lager, bei den beiden verlief alles gut. Ricardo geht es wieder besser.

Duschen!

Das Dorf ist touristenmäßig nicht sehr unterwandert, auf der Plaza gibt es keine Kneipen bis auf eine Hühnerbude..., das Problem wurde bereits geschildet. Dafür spielt dort eine Blaskapelle, die Leute tanzen dazu und sind guter Dinge. Wir sehen ein Weilchen zu, wobei ich heute beim besten Willen nicht zum Tanzen zu bewegen wäre... In einer Seitenstraße finden wir dann doch eine ganz passable Wirtschaft, dort lassen wir ordentlichst auftafeln und den Abend langsam ausklingen.

Wir frühstücken in der Hostal-Cafete. Der Laden macht einen sehr urigen Eindruck, die Wände sind naturbelassen (also luftgetrocknete rötliche Lehmziegel), Tische und Stühle sind grob zurecht gezimmert. Einige Typen von der Wirtschaft sehen aus, als wüßten sie sogar mit dem Begriff "Sepultura" was anzufangen. An den Wänden hängen diverse landwirtschaftliche Utensilien, vertrocknete staubige Blumen, Mitbringsel von Reisenden, u.a. eine Ansichtskarte von Jena. Vielleicht hätten wir am gestrigen Abend dort mal reinschauen sollen.

Danach laufen wir auf die Plaza um die Situation zu beobachten: der gebuchte und schon bezahlte Kleinbus soll uns zwischen 9.30 und 10 Uhr in Cabanaconde wieder abholen. Wir sind aber etwas skeptisch, ob das auch so funktioniert. Nach unserer Recherche fährt der letzte Linienbus Punkt 10 Uhr in Richtung Arequipa. Es wird langsam spannend, 5 vor 10 ist immer noch kein Kleinbus zu sehen, deshalb kaufen wir Fahrkarten. 14 Soles sind solide zu verkraften. 2 vor 10 biegt unser Kleinbus um die Ecke und wir machen den Kauf wieder rückgängig. Das ist in Peru ohne weiteres möglich. Stöhn.

Wir quetschen uns in die drei freien Plätze, machen auf der Rückfahrt noch ein paarmal Halt. Unter anderem an einer durch Erdbeben stark zerstörten Kirche. Einer von beiden Türmen war völlig zusammengebrochen, Kirchenschiff und die anderen Teile sind von faustgroßen Rissen durchzogen. Also ich würde nicht in das Gebäude gehen.

In Chivay machen wir wieder zwecks eines organisierten Mittagessens Halt. Volker und ich, wir suchen uns was anderes und essen in einer Eckkneipe leckere Hähnchenburger. Danach spazieren wir etwas über den Markt und jagen einer Trauerprozession hinterher um ein paar Fotos zu machen. Ein Priester mit viel Brimborium, massig Girlanden und Blumen, Marienstatuen und einer Meute Menschen im Schlepptau klopft an jede zweite Bude und gibt den Leuten irgendwelche Segnungen. Das ganze wird von der obligatorischen Blaskapelle begleitet, diese spielen auf ihren verbeulten Instrumenten Trauermärsche. Die heißen Quellen bleiben uns auch das zweite Mal nicht erspart, zu Glück kommt es dort aber nur zu einem Kurzaufenthalt. Bis die anderen mit der Besichtigung fertig sind, stuhlen wir uns an einem Bierstand ein.

Ohne weitere Pausen geht es dann nach Arequipa. Die Fahrt ist wieder sehr stressig. Am meisten macht uns der Staub zu schaffen, auch weil wir streckenweise riesige LKW´s vor uns haben, die alles einnebeln und nicht überholt werden können. Dadurch eskaliert die ganze Angelegenheit.

 

 

 

 

 

 

Arequipa II

 

Wir quartieren uns wieder im gleichen Hotel ein, dort hatten wir während der Colcatour einige Klamotten untergestellt. Anschließend spülen wir mal wieder den Staub von den Gliedern und machen uns stadtfein.

Heute wollen wir unbedingt mal Meerschweinchen essen gehen, das ja bekanntlich für die Gourmets ein peruanisches Nationalgericht darstellt

Wir finden eine recht traditionell gehaltene Kneipe in der Jerusalen Straße, nicht ganz billig aber originell eingerichtet. Folklore wird gespielt, besser als in Chivay, die Leute haben wenigstens ihre typischen Ponchos an und benutzen ihre Instrumente unverstärkt. Die Leute an jedem Tisch werden befragt, wo sie denn herkommen. Selbstverständlich ist niemand aus Peru, dafür gibt es jede Menge Nordamerikaner, Holländer, Franzosen . Der Wo-kommt-ihr-denn-her Fragetrip hat zur Folge, daß die Musiker nun ihr großes internationales Repertoire unter Beweis stellen möchten und uns Deutsche beispielsweise mit "Oh Susanna..." beglücken. Wir hätten uns vielleicht doch als Finnen oder Ukrainer ausgeben sollen... Jojo, Volker und Ina bestellen Meerschweinchen. Diese werden mit komplett mit Kopf, Schwanz und Beinen, das ganze paniert, serviert. Die Innereien waren wohl herausgenommen. Jojo ist schon mit mehreren Gläsern Rotwein am Start, seziert das Tier fachmännisch und gibt die Namen der einzelnen Knochen kund. Ina stochert etwas herum und schiebt den Teller bald darauf zur Seite. Das zum Thema Meerschweinchenessen.

Danach latschen Volker und ich, diesmal mit Ricardo, noch einmal in unsere Lieblingseckkneipe. Dort unterhalten wir uns prächtig und leicht angetütert mit einem englischsprechenden Peruaner über Gott und die Welt. Wir bleiben wieder bis zum Anschlag, im Hotel probieren wir noch zur großen Freude aller Nachbarn Volkers neu gekaufte Panflöte aus...

 

Bis zu unserem Rückflug haben wir noch drei Tage Zeit, diese wollen wir in Arequipa und der näheren Umgebung verbringen. Arequipa ist reich an Sehenswürdigkeiten, diese möchten wir besichtigten und nebenbei einfach noch bißchen die Seele baumeln lassen. Sehr große aufregende Dinge sollten uns also nicht erwarten. Soweit die nähere Grobplanung.

Nach dem Ausschlafen gehen wir in ein Art Konditorei Frühstücken. Wir sitzen in einem wunderschönen Innenhof, es gibt leckeren Kaffee, frische Brötchen und man kann sogar Torte zum Frühstück essen.

Derart gestärkt handeln wir zum Kloster "Santa Catalina" um selbiges zu besichtigen. Dieses ist wirklich unbedingt sehenswert, es erwarten uns herrliche Kreuzgänge, verwinkelte Ecken, Gärten mit viel Grün und Blumen, die ehemaligen Behausungen der Novizinnen und Nonnen sind hervorragend erhalten. Von einem riesigen Küchentrakt bin ich dermaßen begeistert, daß ich sofort und vor Ort beschließe, dort meinen nächsten Geburtstag mit – sagen wir mal – mindestens mit der Combo "In Extremo" zu feiern, sozusagen als musikalische Zugabe. Von einem antiken Türrahmen brösel ich ein mittelgroßes, von einer Termitenart stark zerfressenes Holzstückchen heraus. Diese liegt jetzt bei uns am Lehrstuhl als Ausstellungsstück im gläsernen Schaukasten. So weit so gut.

Am Ausgang des Klosters warten wir, bis alles wieder beieinander ist und zu unserem größten Erstaunen treffen wir die beiden Bayern aus Cusco wieder. Die nächste Stunde sind wir damit beschäftigt, unsere Erlebnisse auszutauschen. Die beiden hatten ungefähr auch unsere Route gewählt, nur etwas zeitverzögert. Die Welt, ganz besonders in Peru, ist eben ein Dorf.

Danach trennt sich die ganze Meute, Volker und ich ziehen etwas durch die Straßen, schauen nochmals in die spektakuläre Markthalle hinein. Dort findet abermals eine Prozession statt. Wir klappern einige Läden nach Klamotten und anderen Mitbringseln ab, leider ist das Angebot nicht so vielfältig wie anderswo. Da wird wohl mit uns nicht viel Umsatz zu machen sein. Wir entdecken einen CD-Laden. Auf den Hüllen stehen Zahlen von 18 bis 20. Wir fragen, ob damit Soles oder Dollar gemeint sind. Als man uns zu verstehen gibt, daß mit den Zahlen Soles gemeint sind (die Preise erscheinen uns angemessen) beginnen wir mit der Sucherei. Wir packen den Ladentisch voll, hören in diese oder jene Schallplatte hinein, Stunden später haben wir uns endlich für einige Exemplare entschieden und wollen bezahlen. Da will dieser Knilch von Verkäufer auf einmal doch Dollars gelegt haben, dessen Anzahl der Zahl auf der CD-Hülle entspricht. Nein Danke, solche Tonträger bekomme ich in Deutschland beim Weltmusikhandel oder auf der Straße viel günstiger. Wir gehen!

Bevor wir wieder ins Hotel gehen, machen wir noch an der Plaza eine größere Rast bei Kaffee und Kuchen, fast wie zu Hause.

Abends geht’s zum leckeren Essen, vorher wird uns im Hotel kundgetan, daß wir unbedingt vor 23 Uhr wieder zurück sein sollten. Sonst müßten wir draußen schlafen. Irgendwie gab es für die Nacht wohl keinen Portier. Ina, Ricardo und Jojo möchten wieder ganz fein Essen gehen, Volker und ich sind da eher experimentierfreundlicher (unser dauernder schwelender Konflikt). Für den späteren Abend verabreden wir uns dann aber wieder in einer riesigen Diskothek namens "Forum Rock". Die drei bleiben also erst einmal in einem argentinischen Steakhouse. Wir gehen weiter und entdecken nach ca. 100 Metern einen Dönerimbiss. Da kommt richtig Freude auf, wir stürzen hinein und schlagen uns die Wänster voll. Als der gröbste Hunger und Durst gestillt ist, gucken wir uns in dem Laden etwas genauer um und erfahren, daß der Chef ein Türke aus Berlin ist und selbstverständlich auch deutsch spricht... Das war sehr lustig.

Wir beenden den Abend im "Forum Rock", das ist eine gigantische Diskothek mit mehreren Bars und Bühnen, man kommt sich vor wie im Urwald, überall Teiche, kleine Brücken, Pflanzen, Treppen, Springbrunnen, mehrere Etagen, Bananenpflanzen – nur leider ist heute zum Mittwoch wenig los. Wir lassen uns an einer Bar nieder und bestellen einige Drinks, sogar Ina findet im reichhaltigen Angebot etwas ihr genehmes.

 

In der Nach schlafe ich schlecht, bekomme Sodbrennen und wache mit Scheißerei auf. Somit hätte es wohl alle von uns mal erwischt, das war bestimmt gestern irgend etwas schlecht gewesen... Naja, warten wir es ab. Das Frühstück geht einigermaßen moderat über die Bühne. Danach machen wir eine Rundfahrt durch die Vororte von Arequipa, vorher entleere ich mich noch mal gründlichst. Die Tour dauert 3 Stunden, wir besichtigen alte landwirtschaftliche Terassen, eine Getreidemühle, das Kolonialhaus des Gründers von Arequipa und machen noch eine Rast bei einer Art Aussichtsturm. Von diesen hat man tiefe Einblicke in das Hinterhofleben der ärmeren Bevölkerung.

Ich setzte mich auf Diät. Mittag verbringen wir auf einem Dachgarten, man reicht uns eine Speisekarte in Englisch! Der sehr junge Kellner scheint aber nicht einmal Spanisch zu verstehen; Jojo bekommt anstatt den bestellten gefüllten Avocados "Russische Eier", das nach zwei Stunden Wartezeit. Uns kommt der ganze Laden vor wie ein Jugendklub, wo irgend welche jungen Menschen versuchen, einen auf Restaurant zu machen. Inzwischen fängt auch mein Arsch an, wieder mächtig zu kochen, schaffe es aber noch bis ins Hotel. Zur Scheißerei gesellen sich nun auch noch Magenschmerzen, Fieber habe ich aber keines. Gegen 15 Uhr lege ich mich hin, den Tag passiert für mich nicht mehr viel. So müssen die anderen den letzten Abend allein in die Kneipe gehen. Kotz! Diese sind aber trotzdem, seltsamerweise gegen 22.30 Uhr wieder da.

Der letzte Tag unserer Reise ist angebrochen – denken wir!! Heute abend soll unser Inlandsflug von Arequipa nach Lima gehen, dort haben wir nach einigen weiteren Stunden Anschluß in Richtung Heimat. Doch dazu später.

Wir lassen unseren Kram im Hotel und drehen noch ein paar Runden durch die Stadt.

Vorerst frühstücken wir in unser Lieblingscafeterie, heute ist es hier besonders voll. Die Bäckerin scheint mit unseren Bestellungen leicht überfordert zu sein, anstatt 5 bekommen wir nur 3 Portionen. Egal, bis zum Abend ist noch massig Zeit. Mir geht es wieder etwas besser. Wobei ich mit der Esserei noch mehr als vorsichtig zu Werke gehe.

Danach sehen wir beim Gottesdienst in der Kathedrale zu, besichtigen noch zwei oder drei Kirchen und finden uns irgendwann wieder auf der Hotelterrasse wieder. Das hat für mich den großen Vorteil, daß sich immer eine Toilette in Reichweite befindet. Da ich erst den zweiten Tag Problem mit meinen Gedärmen habe, nehme ich die Sache nicht weiter ernst. Die Medikamente bleiben vorerst im Rucksack. So entwickelt wo jeder seine eigene Philosophie, wie mit diversen Unpäßlichkeiten in den Ländern der 3. Welt umzugehen sei.

Gegen 16.30 Uhr lassen wir uns von einem Taxi zum Flughafen fahren. Unterwegs hat man noch einmal einen wunderschönen Blick über die Ebene von Arequipa mit den schneebedeckten Volcanos in der Abendsonne. Es gilt, langsam Abschied zu nehmen. Schade!

Der Flug von Arequipa bis Lima dauert ca. eine Stunde, Probleme gibt es keine. Das muß bei unserem Flugglück mal ausdrücklich erwähnt werden!

 

 

Lima II

 

Wir haben noch viel Zeit und machen es uns erst einmal in einer Ecke bequem. Das heißt, die anderen machen es sich bequem... Ich knalle meinen Kram auf eine Bank und schieße davon um das nächste Kackhaus zu erstürmen. Der Flughafen von Lima der ist groß, denn Lima ist die Hauptstadt von Peru. Dieser wurde so großzügig gebaut weil stündlich viele Menschen in Lima ankommen und wieder abreisen. Diese Umstände erschweren das Aufsuchen einer gemeinen Toilette ganz erheblich. Ich will sagen, ich konnte es gerade so errennen, schmeiße mich auf die erst beste Schüssel, kann auch beim besten Willen nicht mehr sagen, ob ich beim richtigen Geschlecht gelandet bin. Das ist mir zum Zeitpunkt auch völlig egal. Wichtig ist, daß nichts in der Hose bleibt..., den Zustand der Box möchte ich nicht näher beschreiben. Ich breche an dieser Stelle ab.

Danach handel ich völlig entspannt, wie neu geboren, wieder mit einer gesunden Farbe im Gesicht, guter Dinge und optimistisch zu den anderen zurück.

Inzwischen hat Ricardo eine etwas sehr lange Schlange am Check In von American Airlines entdeckt. Wir stellen uns vorsichtshalber schon mal an. Am Schalter gibt es paar Unstimmigkeiten (wir haben keine zusammenhängenden Plätze weil wir angeblich nicht zurückgerufen hätten...). Daraufhin möchte Ricardo mindestens den Geschäftsführer der Fluggesellschaft sprechen. Naja es gibt schlimmeres als nicht zusammen sitzen zu dürfen, finde ich. Eine Flughafensteuer von 25$ sollen wir auch noch blechen. Aus irgendwelchen Gründen, die ich vergessen habe und die auch nicht weiter wichtig sind, müssen wir deswegen über den ganzen Flughafen hetzen... aber was tut man nicht alles um nach Hause zu kommen. Lange dauert es an der peruanischen Paß- und Zollkontrolle (Zollerklärungen sind auszufüllen und werden eingesammelt.

Die Boarding Time müßte eigentlich heran sein, wir lungern ewig im Zollraum herum, werden zwischenzeitlich von jungen Leuten über unsere Erfahrungen in Peru befragt und füllen Fragebogen aus.. Inzwischen ist es, ich glaube, so um Mitternacht. Irgendwann eröffnet uns eine Angestellte unserer Lieblingsfluggesellschaft, daß der Flug ersatzlos gestrichen ist. Eine Funke soll angeblich defekt sein, wie wir später erfahren. Wahrscheinlich schickt "American Airlines" nur ihre Schrottkisten in die Hinterhofländer. Diesen Eindruck bekommen wir wirklich langsam.

Die Peruanischen Kontrollen (wir sind ja mittlerweile bis in den Zollraum vorgedrungen) dauert wieder sehr lange. Wir müssen praktisch nach Peru wieder einreisen! Unsere Zollzettel werden wieder ausgekramt, auf dem Tisch liegt ein riesiger Stapel. Die Leute werden nacheinander aufgerufen, bekommen einen Stempel und dürfen passieren. Wir haben Pech, unsere Zettel liegen ziemlich weit unten. So kommt es, daß wir nun am Umbuchungs - Check In weit hinten stehen.

Früh um Fünf sind wir endlich dran. Dort erzählt man uns, daß wir einen Tag in Lima warten müßten, als Alternative gibt es noch eine Art Warteschleife. Wir sollten uns wieder in den Zollraum begeben, um eventuell einen Flug nach Miami und dort einen Anschluß nach Frankfurt zu bekommen. Vorausgesetzt es gibt noch freie Plätze, das sollen wir aber erst kurz vor Abflug erfahren. Wir durchlaufen die Prozedur von neuen, also wieder Flughafensteuer gültig machen, Zoll, Paß usw. um später am Flieger zu erfahren, daß doch nichts mehr zu haben ist. Mittlerweile liegen die Nerven blank und wir haben auch so langsam die Schnauze gestrichen voll, schimpfen auf Gott und die Welt und besonders auf "Amerikan Airlines". Die armen Angestellten müssen unsere Schimpfattacken nun ertragen.

Wieder am Schalter angekommen, gehen wir nun auf Nummer sicher und buchen einen Flug für den heutigen Abend über Miami, Chicago nach Frankfurt. Bis dahin sind noch zwanzig Stunden Zeit. "Amerikan Airlines" zeigt sich nun sehr großzügig, spendiert uns ein reichhaltiges Frühstück in einer Flughafencafeteria und bucht für uns Einzelzimmer in einem 5-Sterne-Hotel in Lima Miraflores um uns das Warten so angenehm wie möglich zu gestalten. Der Flughafen liegt etwa 15 km außerhalb. Die Fahrt ins Hotel schlafe ich durch, ich werde erst kurz vor dem Ziel munter und erblicke den Pazifik, leider ist alles neblig – wie so oft in dieser Jahreszeit.

Das Hotel ist eines der Feinsten, welches Peru überhaupt zu bieten hat, es nennt sich Riosto – Residensial. Am Eingang werden wir von einem Liftboy empfangen, dieser wuchtet unsere mistigen und staubigen Rucksäcke in einen Fahrstuhl und buckelt alles in den 5. Stock. Eigentlich könnte man jetzt paar Stunden schlafen, aber da die Verpflegung auch umsonst ist, möchten wir selbstverständlich "American Airlines" ordentlich schädigen. So rücken wir gleich wieder ins Hotelrestaurant ein und erstürmen die kalten, warmen, heißen, vegetarischen, nichtvegitarischen, gesunden und ungesunden Salat-, Fleisch-, Fisch-, Käse-, Kuchen- und Obstbuffets und schlagen uns dermaßen unsere Wänster voll, daß es kracht. Meine Gedärme haben sich zum Glück wieder beruhigt. Das gleiche veranstalten wir mittags und abends, so daß wir kaum zum Schlafen kommen. Zu Abend bekomme ich mit Ach und Krach nur einen knackigen Salat hineingewürgt.

Vom Zimmer hat man einen schönen Ausblick über den neuen Teil Limas, dieser ist gleichzeitig Geschäfts-, Banken- und Vergnügungsviertel. Die Armut findet in anderen Stadtteilen statt.

Abends werden wir dann wieder auf den Flughafen gefahren. Der Abflug verzögert sich wieder um Stunden, das ist uns diesmal aber egal. Erstens stumpft man langsam ab und zweitens haben wir in Miami 6 Stunden Aufenthalt.

 

 

Die Rückreise

Es ist jetzt Samstag Nacht und wenn alles gut geht, sollten wir Montag gegen 8 Uhr morgens in Frankfurt landen. Das sollte eigentlich wieder mein erster Arbeitstag werden. Dieser wird sich wohl ein bißchen nach hinten verschieben. Auch gut!

Auf dem Flug von Lima nach Miami geht alles gut. In Miami angekommen entsteht im angenehm klimatisierten Flughafengebäude die spontane Idee, daß man sich doch eigentlich mal eine nordamerikanische Großstadt ansehen könnte. Also latschen wir aus der Bude raus um ein Taxi zu chartern. Dort schlägt uns ein dermaßen heißer Wind ins Gesicht, sämtliche Brillen beschlagen, alles beginnt zu transpirieren..., so daß wir auf der Stelle wieder umkehren und es uns im Flughafengebäude bequem machen. Die ersten Sitze sind etwas unbequem, irgendwann ziehen wir in Ledersessel um, werden aber bald davon gejagt, weil diese zu einem Hotel gehören, wir aber nicht!

Teils im Halbschlaf die Zeit verbringend, teils durch die Gegend latschend bekommen wir die Stunden bis zum Abflug ganz gut herum.

In Chicago geht alles relativ schnell, bald sitzen wir im nächsten Flieger nach Frankfurt. Die restliche Zeit schlafe ich fast durchweg. In Frankfurt verabschieden wir uns alle voneinander, Volker fährt nach München, Ina, Ricardo und Jojo nach Dresden und ich fahre nach Cottbus.

 

Ein sehr interessanter, abwechslungsreicher, schöner, strapaziöser und unvergeßlicher Urlaub geht zu Ende und ich bin mir ziemlich sicher, daß ich nicht das letzte mal in diesem Landstrich gewesen bin.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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