NEPAL 1999 

 

Datum

Ort

   

10/18

Kathmandu

19

Kathmandu, Patan

20

Kathmandu => Chitwan National Park

21

CNP

22

CNP => Pokhara

23

Pokhara => Besisahar (820 m)

24

Annapurna Circuit 1. Tag => Bahundanda (1310 m)

25

2. => Tal (1700 m)

26

3. => Koto Qupar (2600 m)

27

4. => Humde (3330 m)

28

5. => Gunsang (3900 m)

29

6. => Thorung Pedi (4450 m)

30

7. => Thorung La (5416 m) => Muktinath (3800)

31

8. => Kagbeni (2800 m)

11/01

9. => Tukuche (2590 m)

02

10. => Rupse (1600 m)

03

11. => Tatopani (1100 m) => Sikha (1935 m)

04

12. => Ghorepani (2750)

05

13. => Poon Hill (3193 m) => Pokhara (833 m)

06

Pokhara, Besuch Farm

07

P. => Kathmandu

08

K., Versuchsfarm

09

K., Bhaktapur

10

K., Shreeram

11

K. => Zhangmu

 

17./18.10. Montag

Nach einem Abschiedstee in der Substanz brachte uns Micha am späten Nachmittag zum Leipziger Flughafen. Dort begann unsere große Asienreise. Mit einem kleinen Flugzeug ging es erst bis Wien, und von dort direkt nach Kathmandu mit Austrian Airline. Am Gate in Wien warteten viele Leute in Wanderschuhen - eine erste Einstimmung auf die bevorstehende Bergwanderung. Durch meine Erkältung gestalteten sich Start und Landung als sehr schmerzvoll für meine Ohren. Kurz vor der Landung in Khatmandu waren aus den Flugzeugfenstern im Sonnenaufgang die schneebedeckten Berge des Himalaya zu sehen. Von oben betrachtet wirkten sie überwältigend und ließen einen ihre Größe erahnen. Der Anblick rief auch eine Aufregung unter den Fluggästen hervor. Jeder wollte einen ersten Blick auf die Berge werfen und eventuell ein Foto schießen. So hatten die Stewardessen Arbeit alle auf ihre Plätze zurückzuschicken, die Anschnallzeichen für die Landung leuchteten bereits.

Um zehn erreichten wir Kathmandu. Wir mußten noch einen Visaantrag ausfüllen und durften nach Erfüllung dieser Formalitäten problemlos einreisen. Gemeinsam mit zwei deutschen Mädchen verhandelten wir mit einem Taxifahrer, um zu einem vernünftigen Preis (Rs100) in die Stadt zu kommen (1 DM = Rs37). Wir mußten uns in den Kleinbus quetschen und wurden noch intensiv vom Beifahrer bearbeitet, in einem bestimmten, d.h. in seinem Hotel einen Unterkunft zu suchen. Unterwegs sahen wir die ersten Märkte auf den Straßen. Hühner wurden in riesigen Bastkörben lebendig zum Verkauf angeboten. Wir stiegen in der Freak Street aus und fanden auch bald eine Unterkunft. Nach dem wir unser Gepäck abgeladen hatten, gingen wir auf erste Erkundungstour in die Stadt. Es war so mild, daß wir keine Jacke brauchten. Die Straßen kamen uns sehr ruhig vor und die Leute sehr freundlich und kaum aufdringlich. Das hatten wir nicht so erwartet, da wir uns eher auf indische Verhältnisse eingestellt hatten. Der Durbar Square mit seinen alten Tempeln war das Herzstück der Stadt. An den Tempeln standen lange Reihen buntgekleideter Nepalis. Später erblickten wir die Köpfe geopferter Ziegen und Büffel. Ein kopfloser Büffelkörper wurde auf einer Fahrradrikscha transportiert. Dieses geschäftige Treiben auf dem Platz fand anläßlich eines Feiertages (Dasain) statt, wie wir später erfuhren. Dabei wurden viele Tieropfer dargebracht. Wir waren spürbar in einer anderen Kultur angekommen.

Sadhus schmückten dekorativ die Tempeleingänge. Sie hatten meist gelb-orange Gewänder, lange Haare und Gesichtsbemalung. Sie wandern als asketische Priester auf den Pfaden einer bestimmten Gottheit und besuchen die heiligen hinduistischen Stätten. Häufig wandern sie auf Shivas Pfaden, erkennbar an einem Dreizack, den sie bei sich tragen. Sie setzen sich gerne für Touristenfotoapparate in Pose oder sie wollen einem eine Tika auf die Stirn zeichnen für "good luck". Sie verlangen danach aber Bakschisch.

 

19.10. Dienstag

Wir frühstückten im Hotelrestaurant. Man konnte hier auch auf der Dachterasse sitzen, von da beobachteten wir gestern viele Drachen, die von den verschiedensten Dächern oder Straßenecken gesteuert wurden. Dann spazierten wir über den Durbar Square nach Thamel. Hier gibt es unzählige Läden, Hotels und Restaurants. Es ist eine zentrale Sammelstelle der Individualreisenden. Wir wollten im KEEP in Erfahrung bringen, ob eine Trekking Permit nötig ist oder nicht. Nach längerer Suche fanden wir auch das Büro, aber es war geschlossen wegen der Feiertage. In Nepal gibt es sehr viele Feste und Feiertage.

Wir wanderten durch kleinere Gassen Richtung Bagmati River. Die Gassen machen teilweise eher einen dörflichen Eindruck. Immer entlang des Flusses und dann ans andere Ufer ging es dann nach Patan. Patan war früher eine getrennte Stadt. Heute trennt nur noch der Bagmati river Kathmandu und Patan voneinander.

Durch Zufall entdeckten wir den Goldenen Tempel, ein altes buddhistisches Kloster. Das rechteckige Gebäude umschließt einen Innenhof. Die mit Kupfer gedeckten Dächer glänzen in der Sonne.

Am Durbar Square konzentrieren sich unzählige Tempel. Viele sind im Pagodenstil errichtet, aber auch indische Architektur ist vertreten. Von einer Dachterasse aus beobachteten wir in Ruhe das geschäftige Treiben auf dem Platz. Da waren viele Touristengruppen, die Erklärungen zu den verschiedensten Tempeln erhielten. Neben Europäern waren auch Inder reichlich vertreten. Die Straßensouvenirverkäufer versuchten ihre Ware an den Tourist zu bringen. Es gab Gebetsmühlen, Messer, Masken, geschnitzte Figuren, Bilder usw. Oder sie mußten wieder Plastikplanen über die Tische ausbreiten, wenn es regnete. Für den Rückweg nach Kathmandu nahmen wir eine Motorrikscha.

 

20.10. Mittwoch

Bereits 6.00 standen wir auf. Mit dem Bus fuhren wir zum Chitwan-Nationalpark. Unterwegs bei einer Rast trafen wir die beiden Mädchen aus dem Flugzeug wieder. Sie waren aus dem Weg nach Pokhara. Während der Bus sich über atemberaubende Serpentinen ins Tal schlängelte, hatten wir einen überwältigenden Blick auf ein Panorama schneebedeckter Berge. Unterwegs sahen wir auch einen LKW und einen Bus, die in den Seitengraben gerutscht waren und aus eigenen Kräften nicht mehr herauskamen. Es war eine tiefer Graben zwischen Hang und Straße angelegt. Man kann sich vorstellen, welche Wassermassen in der Regenzeit ins Tal strömen. In Sauhara, dem Ort an der NP-Grenze überquerten wir zu Fuß eine Brücke und erreichten unsere Lodge per 4WD. Die Hütten waren sehr schön mit Garten angelegt. Hier im flachen Terai war es auch viel wärmer als in Kathmandu und der Ventilator blieb nicht ungenutzt. Außerdem soll er ja auch vor Mücken schützen. Die Mücken waren auch ein Grund trotz der Wärme nachts lange Sachen zu tragen. Die Mücken im Terai waren noch bis vor einigen Jahren stark Malaria verseucht.

Am späten Nachmittag wurden wir noch durch das traditionelle Tharu-Dorf geführt. Tharus sind die Ureinwohner des Terai. Heute kommen auch viele Hill People ins Terai. Die kleinen Häuser sind mit Schilfgras gedeckt, das alle Jahre erneuert wird. Dazu dürfen die Einheimischen auch einmal jährlich das Gras im NP holen. Die Wände sind aus Schilf, Lehm und Dung und werden alle drei Jahre erneuert. Es gibt nur kleine Fenster, damit keine Geister oder Tiere ins Haus kommen. Wir wunderten uns über kleine Holztürmchen auf den Reisfeldern. Das waren Wachtürme. Wenn Nashörner auf die Felder kommen muß der Wächter versuchen, sie durch Lärm zu vertreiben. Beim Sonnenuntergang am sehr breiten Fluß sahen wir in weiter Ferne 2 Nashörner, die über die Grasflächen am anderen Ufer zogen.

 

21.10. Donnerstag

Früh am Morgen brachen wir zur Elefantensafari auf. Der Sammelplatz der Elefanten war von dichtem Nebel überzogen, was dem Platz eine geheimnisvolle Atmosphäre gab. Jeder Elefant konnte auf einem Holzgerüst 4 Passagiere aufnehmen. Der Guide saß barfuß direkt hinter dem Kopf des Elefanten. 5-6 Tiere brachen in den NP auf und verteilten sich dann im Gelände, dabei waren Flüsse zu queren und Dickicht zu durchdringen. Wir ritten auf der 23-jährigen Lakshmi-Kali. Die Elefanten werden in Indien trainiert. Bis zu drei Jahren wird dann ein Einheimischer eingearbeitet, der dann mit dem Elefant zusammen bleibt. Ein Elefant ist in seiner Anschaffung sehr teuer, 20000 Dollar. Das 2-jährige Training der Elefanten beginnt zwischen ihrem 8. und 20. Lebensjahr. Er kann dann bis zu einem Alter von 40-50 Jahren eingesetzt werden. Jede Menge Futter und etwa 200 Liter Wasser benötigt er am Tag. Der Ritt führte uns durch die verschiedenen Landschaften des NP, wie Grasland, Wald und sumpfige Abschnitte.

Leider waren kaum Tiere zu beobachten und in der Sonne wurde es ziemlich heiß. Glücklicherweise bekamen wir aber ein Nashorn zu Gesicht. Es lungerte in 10m Entfernung friedlich in einem Wassertümpel. Die Begegnung mit einem Nashorn kann durchaus gefährlich werden. Einige Tage davor ist ein Israeli von einem Nashorn angegriffen worden und mußte ins Krankenhaus. Er war allerdings zu Fuß im Dschungel unterwegs. So ist es schon beruhigender, die Tiere vom Elefantenrücken aus zu beobachten. Ein Norweger erzählte uns eine andere Geschichte. Als sie mit ihrem Führer durch den Dschungel liefen machten sie ihn auf Nashörner aufmerksam, die sie selbst entdeckt hatten. Ehe sie sich versahen verschwand der Führer auf einem Baum.

Nach der Arbeitsschicht am Vormittag wurde der Elefant gefüttert. In Reisstroh wurden Getreidekörner eingewickelt. Diese Pakete dirigierte der Elefant gekonnt mit seinem Rüssel ins Maul. Danach wurde er zum Baden geführt, eine Lieblingsbeschäftigung des Elefanten. Uwe konnte gemeinsam mit dem Führer auf dem Rücken des Elefanten baden gehen. Es war ein lustiges Schauspiel, wie Uwe wie bei einem Rodeo hin- und hergeschleudert wurde oder aber auch ins Wasser fiel. Dann wurde die starke Flußströmung zu einem Problem um zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Der Elefant genoß es im Wasser auf- und abzutauchen und herumzuplanschen. Auch die anschließende Massage durch seinen Meister ließ er sichtlich zufrieden über sich ergehen, ausgestreckt im Wasser liegend nur den Rüssel als Atemrohr aus dem Wasser reckend.

Am Nachmittag erlebten wir noch eine ruhige Kanufahrt auf einer Art Einbaum mit 12 Leuten. Wir glitten fast geräuschlos über das strömungslos scheinende Wasser eines Nebenflusses. Wir sahen einige Reiher und Eisvögel und die Schnauze eines Krokodils, die nur so weit herausragte, daß das Tier gerade Luft holen konnte. Keiner hätte den dunklen Fleck als Krokodil erkannt, wenn man uns nicht darauf aufmerksam gemacht hätte. Beim anschließenden Jungle-Walk beobachteten wir Spottet Deer, einige Pfauen und sahen den Fußabdruck eines Leoparden. Da wir aber mehr oder weniger über eine Büffelweide liefen, war es auch nicht zu erwarten spektakuläre Tierbeobachtungen zu machen.

Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir die Elefantenzuchtfarm. Die Qualmwolken vom Futter, daß verbrannt wurde, vor dem blutroten Himmel verbreiteten eine dramatische Atmosphäre. Auf der Farm standen Elefantenjunge, Muttertiere und die Zuchtbullen. Sie werden an einem Fuß angekettet. Am Horizont breitete sich das herrliche Bergpanorama des Himalaja in den letzten Sonnenstrahlen aus. In einem schmalen Kanu überquerten wir wieder den Fluß. Diese schmalen Boote schwanken sehr stark und man versucht sich nur in der Hocke zu bewegen, um nicht aus dem Boot zu kippen. Viele Einheimische stehen darin ohne Probleme, auch mit Fahrrad oder anderen zu transportierenden Dingen. Durch das Flußbett machten sich auch die Wasserbüffel auf den Heimweg in die Dörfer. Sie bewegen sich frei und kommen bei Sonnenuntergang zurück.

Nach dem Abendessen schauten wir uns noch die traditionellen Stick-Tänze der Tharus an. Mit den Stöcken wird bei den Kreistänzen immer ein begleitender Rhythmus erzeugt. Es wird gesungen und außer einer Trommel kein Instrument verwendet.

 

22.10. Freitag

Wir versuchten den Nepali, der uns beim Birdwatching begleiten sollte, davon zu überzeugen, daß es besser sei vor dem Frühstück Vögel zu beobachten. Schließlich waren wir extra zeitig aufgestanden. Er sprühte nicht gerade vor Lust, kam aber unserem Wunsch nach. Wir liefen durch die nähere Umgebung des Dorfes. Einige Vögel bekamen wir mit ihrem englischem Namen vorgestellt, was uns dann wieder nicht allzu sehr half. Für weitere Informationen zu den Vögeln reichten wohl die Sprachkenntnisse des Nepali nicht. Im Wald sahen wir auf einem Blatt einen Blutegel. Im Reiseführer hatte ich gelesen, daß auf den Treks durch die Rhododendronwälder nach der Regenzeit unzählige Blutegel auf Wanderer lauern, natürlich um sich festzusaugen. Das sollen sie auch ziemlich gut beherrschen und dabei sogar unter Hosenbeine und andere Kleidungsstücke kriechen. Eine widerliche Vorstellung.

Am Vormittag brachen wir mit dem Jeep zur Busstation auf. Es war bereits sehr heiß geworden. Ca. 5 Stunden waren wir dann bis Pokhara unterwegs. An einem Platz einige Minuten vom Stadtkern entfernt endete die Fahrt. Wir stiegen aus und bekamen einen stürmischen Empfang von den Schleppern und Taxifahrern der Hotels geboten. Trotz der Hauptsaison im Oktober und November scheint der Konkurrenzkampf sehr hoch sein. Aus den vielen Leuten, die permanent auf uns einredeten, suchten wir einen der behauptete nur Taxifahrer zu sein und uns zu einem sehr niedrigen Preis ins Stadtzentrum bringen würde. Es stieg dann aber noch ein Mann ein, der uns sein Hotel zeigen wollte. Es lag aber nicht an der Seeseite. Wir weigerten uns und beschlossen den Rest des Weges zu Fuß zurückzulegen. Der Taxifahrer lehnte gekränkt den Fahrpreis ab. An der Seeseite angekommen setzte ich mich mit dem Gepäck in ein Cafe´ und Uwe ging auf Zimmersuche. Ich konnte von meinem Platz gut beobachten, wie tibetische Straßenhändlerinnen ihre Waren anboten. Von der Seeseite Pokharas waren wir ziemlich enttäuscht. Der Blick auf den legendären Phewa-See war nämlich vollständig zugebaut und nur über einige Gartenrestaurants erreichbar. So war es eigentlich egal, ob man an der Seeseite wohnte oder nicht. Uwe fand aber ein Hotel (Lubbly Jubbly), mit einem kleinen Garten, daß etwas in der Seitenstraße gelegen auch ruhiger gemütlicher Platz war. Nach dem Dunkelwerden machten wir einen Spaziergang durch die belebte Straße entlang des Sees. Unzählige Geschäfte hatten bis spät am Abend geöffnet. Es gab alles, was man für Trekkingtouren gebrauchen könnte. Wir besorgten uns ein Buch, in dem unsere Route sehr gut mit Karten, Zeit- und Höhenangaben beschrieben war. Dann deckten wir uns noch mit Postkarten ein, die wir an den Abenden der Wanderung schreiben wollten.

 

23.10. Samstag

An diesem Morgen ging alles etwas hektisch zu. Uwe ging Geld tauschen, in den Bergen würde es dazu nur noch sehr begrenzte Möglichkeiten geben. Wir wollten um 11.00 einen Bus nach Besisahar nehmen. In diesem Ort endet die Straße und der Annapurna-Circuit beginnt. Dieser Bus war ausgebucht und wir hätten bis zum nächsten Tag warten müssen. Da wir aber nicht länger in Pokhara bleiben wollten, entschlossen wir uns 10.30 einen öffentlichen Bus nach Dumre zu nehmen und dort in einen Bus nach Besisahar umzusteigen. In sehr kurzer Zeit mußten wir unser Gepäck auf das Nötigste reduzieren und in einem Taxi zur Busstation aufbrechen. Die Abfahrtszeit war schon fast herangerückt. Auf dem Platz standen aber sehr viele Busse und es war schwierig den richtigen zu finden. Kaum war unser Gepäck aufgeladen fuhren wir auch schon ab. Auch diesmal sollte die Busfahrt wieder ein Erlebnis werden.

Im überfüllten Bus gab es eine Menge zu beobachte. Frauen quetschten sich mit Gepäck und Kleinkindern in die Gänge. Ein Kind wurde gestillt und brach wenige Minuten später alles neben dem Busfahrer wieder aus. Wenn von hinten jemand aussteigen wollte begann an der Tür immer ein Tumult. An einer Station stiegen viele Leute aus und es wurde wieder luftiger im Bus. Die sprachliche Verständigung mit dem Busfahrer war nicht möglich, trotzdem bemerkten wir nach einiger Zeit, daß wir Dumre verpaßt hatten. Eigentlich sollten man uns dort aussteigen lassen. Wir versuchten das dem Busfahrer klarzumachen, der dann auch eine Geste machte, als habe er es vergessen. Dann bedeutete er uns sitzen zu bleiben. Aber wir wußten ja nicht, was er verstanden und nun vorhatte. Etwa eine halbe Stunde später ließ er uns aussteigen und wir hatten dabei wieder etwas Glück, weil wir direkt in einen Bus nach Besisahar umsteigen konnten. So brauchten wir uns in Dumre nicht auf Bussuche begeben.

Die Straße nach Besisahar schlängelte sich steil und eng in die Höhe. Irgendwann gab es ein pfeifendes Geräusch und wenig später stand der Bus wieder. Ein Reifen hatte die Luft verloren. Ein anderer Bus, ein viel älteres Modell, stand davor, war aber bereits überfüllt. Von einem Einheimischen der uns in seine Unterkunft mitnehmen wollte, wurden wir motiviert auf das Dach dieses überfüllten Busses zu steigen. Ich hatte einige Mühe hinaufzusteigen und fand mich oben als einzige Frau wieder. Man saß sehr unbequem auf geladenen Eisenstangen und klammerte sich krampfhaft am Rand fest. Der Bus hatte straßenbedingt nicht vielmehr Tempo als ein Traktor. Er quälte sich mit letzter Kraft die Serpentinen hinauf. Manchmal mußte man schnell den Kopf einziehen, weil ein Kabel quer über die Straße gespannt war. An einigen Stellen war der Weg durch Erdrutsche zerstört und die Straßenform nur provisorisch wieder in das Geröll gegraben. Dann schaukelte der Bus gefährlich hin und her. Ich wagte nicht hinunter zu schauen, denn rechts der Straße ging es einige hundert Meter ins Tal und es drängte einem die Vorstellung auf, daß der Bus umkippt und in den Abgrund stürzt. Gleichzeitig hatten wir aber auch herrliche Blicke über die Täler auf das Hochgebirge. Unterwegs sahen wir zwei interessante Riesenradkonstruktionen, ein kleineres aus Holz und ein größeres aus Metall, wo in der Mitte drei Männer das Rad wie in einem Hamsterrad antrieben. Immer hatten sich auch einige Dorfbewohner um diese Attraktionen angesammelt. Wir kamen gesund und unbeschadet in Besisahar (820 m über Meeresspiegel) an und gingen mit unserem Begleiter in seine Unterkunft, da er uns beim Absteigen half und unterwegs auf so manches Kabel oder Balken hinwies.

 

24.10. Sonntag

Um 7.30 starteten wir unsere große Wanderung. Der Weg führte immer entlang eines Flußbettes. In diesen Höhen war es auch noch sehr heiß und die Anstrengungen beim stetigen bergauf gehen taten ihr übriges. Da der Weg immer wieder die Flußseite wechselte lernten wir in den nächsten Tagen die verschiedensten Hängebrücken kennen. Es gab tief durchhängende Bambusbrücken und in höheren Gebieten stabil gebaute Metallhängebrücken. Wir kamen durch Bhulebhule, wo an einem Kontrollpunkt die Rs1000 Eintrittsgebühr entrichtet werden mußten. Ein Travel Permit braucht man aber nicht mehr auf diese Strecke. Hinter dem Ort gab es einen großen Wasserfall. Die Geräusche des herabstürzenden Wassers und die Strudel gaben dem Ort seinen Namen. Hier konnten wir noch die hohen schneebedeckten Berge sehen, während in den nächsten Tagen der Weg in Tälern zwischen halbhohen Bergketten verschwand, die den Blick auf die Giganten erst auf den letzten Etappen vor dem Thorong La Pass wieder freigaben.

Der letzte Tagesabschnitt nach Bahundanda stieg noch einmal extrem steil an, wobei uns die Nachmittagssonne zu schaffen machte. An den Berghängen recht und links des Tales kletterten die Terassenfelder bis in die Gipfelregionen. Hier gab es noch eine üppige Vegetation. Sogar Bananenstauden und Orangenbäume waren sehr verbreitet. Wir beobachteten viele Schmetterlinge und Libellen. Als wir unser Ziel erreicht hatten war ich wirklich sehr geschafft. Nun hieß es sich Tag für Tag aufs neue zu motivieren.

Am Abend unterhielten wir uns noch mit einem interessanten Amerikaner aus Santa Fe, der als Anwalt für Umweltbelange in der Regierung gearbeitet hatte, jetzt nach einem Machtwechsel entlassen wurde und die Zeit bis zum nächsten job für Urlaub nutzte.

 

25.10. Montag

Bereits 7.00 hatten wir gefrühstückt und gepackt und begannen den steilen Abstieg zum Marsyandi River durch herrlich hellgrüne Reisfelder. Natürlich war uns dann der nächste Anstieg sicher, schließlich mußten wir viele Höhenmeter schaffen. Unterwegs trafen wir einen Mann mit seiner etwa dreijährigen Tochter. Die beiden kletterten mit hoher Geschwindigkeit über eine weite Strecke. Immer wenn wir erschöpft eine Pause machten überholten uns die beiden wieder. Das Mädchen hielt mit ihren kurzen Schritten eine zweistündige Wanderung durch.

Unterwegs begegneten uns täglich die Maultiere, die schwer beladen in Gruppen von 15-20 Tieren und begleitet von ein bis zwei Männern die Versorgung der Bergdörfer sicherten. Das Leittier trug manchmal einen großen bunten Federbusch als Kopfschmuck, zusätzlich zu dem kleinen bunten gewebtem Flecken, den alle Tiere auf der Stirn trugen. Um den Hals hing eine fast überdimensionierte Glocke, etwa halb so groß wie der Kopf. So kündete ein angenehm dunkel klingendes Läuten vom Herannahen einer Maultierherde. Am meisten beeindruckten uns aber die Ausdauer und Kraft der menschlichen Träger. Sie trugen ihre Lasten in großen Bastkörben mit einem breiten Riemen über die Stirn gehängt. Die Lasten hatten teilweise eine Größe von 2-3 Rucksäcken. Das Erstaunlichste aber war, daß sie fast ausschließlich Badeschuhe und nur in hohen kalten Regionen Stoffturnschuhe trugen. Nicht nur einmal sahen wir am Rande des steinigen Weges abgerissene Sohlen von Badeschuhen. Die Armen, die dann barfuß weitergehen mußten!

Wir kamen durch drei kleine Dörfer, Syanje, Jagat und Chamje. Vor den Holzhäusern trockneten auf Holzgestellen die leuchtend gelben Maiskolben, durch ein kleines Strohdach vor Regen geschützt.

In der Dämmerung erreichten wir Tal. Hier öffnete sich das Tal und bildete eine Hochebene. Der Fluß breitete sich hier aus begrenzt von einem breiten Uferstreifen mit grauem Gestein. Es war bereits sehr kühl geworden nach Sonnenuntergang. Viele Rinder- und Ziegenherden wurden gerade ins Dorf getrieben. Hier sind die Bedingungen für den Feldbau schon viel schlechter. An den Häusern konnte man schon deutlich den tibetischen Einfluß erkennen. Die Häuser werden hauptsächlich aus Steinen errichtet. Die Bereitung des Abendessens für die Wanderer nach einheitlicher Speisekarte bedeutet einen erheblichen Aufwand für die Familien, die nur einen Holzofen in der Stube haben. Häufig sind diese Wohnküchen auch sehr dunkel und verrußt, aber der einzige warme Platz im Haus. Viele der Bergbewohner leiden deshalb an Konjunktivitis. So dauert es auch meist eine Stunde bis man etwas zu essen bekommt, aber man hat ja viel Zeit.

 

26.10. Dienstag

Vom 1700m hoch gelegenen Tal ging es weiter. Die Vegetation wechselte mehr und mehr zu Kiefernwäldern. Reisfelder und Bananenstauden waren längst verschwunden. Das Wandern erzeugte bei mir einen hohen Energiebedarf, d.h. Hunger alle zwei Stunden. In Dharapani machten wir eine Brotpause. Dort waren auch gleich einige neugierige Kinder zur Stelle, die sich für den Inhalt meines Rucksackes interessierten. Leider wird man oft von den Kindern für einen Kugelschreiber oder Süßigkeiten angebettelt. Das gönnerhafte Verhalten einiger Ausländer richtet großen Schaden an. Die Süßigkeiten können für die Kinder schlimme Folgen haben, da die medizinische Versorgung in den Bergregionen dafür nicht existiert. In Bagarchap gab es Mittagessen. Der Weg bog jetzt in westliche Richtung ab und gab den Blick wieder auf schneebedeckte Bergriesen frei, eine Belohnung für die Strapazen. Hier war es sehr windig, so zogen wir uns trotz des Sonnenscheins und der schönen Aussicht in den Gastraum zurück. In Latamarang war gegen 14.00 das 2. Mittagessen nötig. Wir aßen mal wieder Instantnudelsuppe. Dieses Gericht haben wir in den 14 Tagen sehr oft gegessen. Es ist sättigend und schnell in der Zubereitung.

Der Weg klebte jetzt am Hang einer tiefen Schlucht. In der Tiefe hörte man das Wasser des Flusses tosen. Im Flußbett lagen riesige Steine und mächtige Baumstämme durcheinander gewürfelt, ein Spielplatz der Giganten. An den Stämmen großer Kiefernbäume wanden sich Kletterpflanzen in herbstlicher Rotfärbung empor. An diesen steilen Hängen kommt es häufig vor, daß Erdrutsche Teile des Weges zerstört werden. Dann entstehen schnell auf Geröll und Sand neue Trampelpfade. Es ist ja die Hauptverkehrsader dieser Region. Kurz vorm Ziel unserer Tagesetappe kamen wir dadurch aber vom Wege ab und irrten durch den Wald. Richtungsmäßig konnte man ja nichts falsch machen. Aber es war sehr unangenehm durch das Unterholz an einem Abhang zu klettern. Es war schon sehr düster und ich hatte Angst, daß wir von der Dunkelheit überrascht werden, bevor wir wieder den Weg erreichen. Bald sahen wir die Häuser von Koto Qupar (2600m). Wir versuchten ins Tal zu steigen. Wir liefen über ein Feld hinter den Häusern konnten aber keinen Durchgang zur Straße finden, so mußten wir schließlich durch die verräucherte Wohnküche einer tibetischen Familie gehen. Die Leute waren sehr erstaunt über unser Erscheinen durch die Hintertür.

Wir übernachteten in einer Lodge, deren Speiseraum einen herrlichen Blick auf das Bergpanorama hatte. Nachts wurden die schneebedeckten Berge bei klarem Himmel vom Vollmond hell erleuchtet und strahlten wunderschön in der Dunkelheit.

 

27.10. Mittwoch

An diesem Tag kam ich nur sehr schwer in Gang. An der Höhe konnte es noch nicht liegen. Es war wahrscheinlich eine normale Ermüdungserscheinung am 4. Tag. Um so deprimierender, wenn man einen 78-jährigen Österreicher mit viel Schwung und Elan den Berg erklimmen sieht. Er war mit seiner Tochter und Schwiegersohn unterwegs. Auch den Amerikaner vom ersten Abend trafen wir wieder. Auch er überholte uns sehr schwungvoll mit zwei Wanderstöcken. In Bhratang gab es leckere Äpfel zu kaufen. Eine willkommene Begründung für eine Rast. Wir genossen die Sonne. Der Wirt und sein Sohn waren tibetischer Abstammung und betrachteten sich mit großem Interesse die Bilder in unserem Reiseführer von Tibet. Sie sind aus einem alten tibetischem Flüchtlingsort nach Bhratang umgesiedelt. Unser Reiseführer war noch sehr oft beliebtes Anschauungsmaterial. Für viele Leute sicher auch eine seltene Gelegenheit Bilder aus Gegenden zu sehen, die sie wahrscheinlich nie besuchen werden.

Auf einem Feld beobachteten wir einen Bauern, der sein Feld mit einem Ochsenkarren pflügte. Bilder, die bei uns völlig verschwunden sind. Der Weg war jetzt hoch über dem Fluß in den Felsen gehauen. Bei entgegenkommenden Maultieren mußte man darauf achten, auf der Wandseite zu stehen. Die Tiere drängeln manchmal und "denken" nur für ihre Körperbreite, nicht für das aufgeladene Gepäck. In Pisang (3200m) standen die Symbole des Buddhismus, wie Gebetsmühlen und Mani-Mauern. Manchmal wurde eine Gebetsmühle auch durch Wasserkraft angetrieben, eine sehr bequeme Möglichkeit des Gebets. An den Brücken waren immer die im Wind flatternden Gebetsfähnchen angebracht, um die Gebete zum Himmel zu tragen. Da es erst 14.00 war beschlossen wir noch drei Stunden zum nächsten Ort zu wandern. Wir mußten noch einige steile Anstiege bewältigen, wurden aber an einem Aussichtspunkt für die Mühen entschädigt. Wir beobachteten, wie Einheimische im Wald zurechtgeschnittene Wanderstöcke lagerten. Gegen eine Spende nahmen wir 2 Stöcke mit, die uns bei der Paßüberquerung und insbesondere beim Abstieg gute Dienste leisteten. Dann ging es ins Humde-Tal (3330 m) hinein. Es ist ein breites flaches Tal mit einem kleinen Flugplatz. Wir stiegen am 'Airport-Hotel' ab. Da es in der Nacht empfindlich kalt wurde und wir neben einem Israeli die einzigen Gäste waren, wurden wir freundlich von der tibetischen Familie in die Wohnküche eingeladen. So saßen wir gemütlich und warm am Holzofen im Kreise der Familie und konnten bei der Zubereitung des Abendessens zusehen. Der Israeli war auf dem Rückweg. Die Höhenkrankheit hatte ihm stark zugesetzt. Er litt an starker Übelkeit Erbrechen und Schwäche und mußte wieder umkehren. Hier ging es ihm wieder gut. Er wollte aber nach der Anpassungsphase keinen zweiten Versuch starten, sondern so schnell wie möglich zurückgehen.

 

28.10. Donnerstag

Wir gönnten es uns auszuschlafen und bekamen unser Frühstück von der netten Frau wieder in der Küche serviert. In Hongde gab es eine Mauer mit 266 Gebetsmühlen. Im nächsten Ort war eine ca. 1,5m große Gebetsmühle in einer kleinen Stupa mit Wandgemälden zu sehen. Am Ortseingang von Braga klebte am Hang eine Gompa, die uns in der äußeren Form an den Potala in Miniaturausführung erinnerte. Nun begegneten wir auch der ersten Yak-Herde. Man soll diesen Tieren nicht zu nahe kommen, da sie aggressiv sein können. Die Yaks überquerten den Fluß und kämpften dabei gegen die starke Strömung. Wir gingen ein kleines Stück des Weges mit einem Mädchen, das uns erzählte, es stamme aus Manang. Sie arbeitete in Khatmandu und fuhr auf Besuch in ihr Heimatdorf. Sie und ihre Cousine machten einen sehr erschöpften Eindruck. Sie waren mit dem Flugzeug nach Hongde gekommen, die Berge nicht mehr gewöhnt und spürten möglicherweise schon den Höhenunterschied bei dem schnellen Wechsel.

In Manang (3540 m) gab es sehr viele Hotels und Shops. Es war wieder ein Dorf, daß nicht nur aus wenigen Häusern bestand, wie bei den letzten Ansiedlungen durch die wir kamen. Wir machten eine Mittagspause mit Blick auf den Gangapurna-Gletscher. Es wurde immer empfohlen in Manang bei einer Höhe von 3540m einen Ruhetag einzulegen zur besseren Adaptation an die Höhe. Da wir aber noch nichts spürten und es noch viel zu früh am Tage zum Rasten war, beschlossen wir den nächsten Ort zu erklimmen, der bereits bei 3900m liegt und für die Gewöhnung an die Höhe bestimmt viel besser geeignet war. Es war ein sehr steiler Anstieg, der uns viel Kraft und Zeit kostete. Wir waren immer sehr schnell wieder erschöpft, die ersten Anzeichen der dünnen Luft. Vorher wanderten wir noch durch die mittelalterlich wirkenden verwinkelten Pflastergassen von Manang. In Gunsang hatten wir den herrlichen Blick auf Gangapurna und Annapurnas direkt, wenn wir aus unserer Zimmertür ins Freie traten und bekamen einen perfekten Sonnenuntergang. In Gunsang gibt es keinen Strom und die zentrale Wasserstelle war ca. 500 m vom Haus entfernt. Auch zur Toilette, einer Bretterbude über einem Graben, mußte man fünfzig Meter zurücklegen. Zum Abendessen wurde der Raum mit Petroleumlampen erleuchtet.

 

29.10. Freitag

Auf dem letzten Abschnitt bis zum Paß wollten wir uns viel Zeit lassen und die Höhe ernst nehmen. Prophylaktisch nahmen wir Diamox ein. Ein Arzt auf der Gesundheitsstation in Manang hatte es verkauft. Das Mittel ist in Nepal zur Höhenprophylaxe weit verbreitet. Wir hatten uns nur die Strecke von ca. drei Stunden bis Letdar (4200 m), dem letzten Ort vor dem Paß, vorgenommen, um dann einen halben Ruhetag zu machen. Beim Mittagessen in einem Ort trafen wir Robert und Nicole aus Deutschland und staunten nicht schlecht, als sie erzählten, sie kämen von Manang und wollten heute noch zum Base Camp in Thorung Pedi (4450 m). Sie erzählten, daß 20 Minuten hinter Letdar ein Abzweig kommen soll, und daß man über den niedrigeren Pfad zum Base Camp abkürzen kann. Der obere Weg wäre viel weiter und würde an einem Teehaus vorbei führen. Wir sahen einen solchen Abzweig, hielten ihn aber nicht für diesen, da wir noch nicht in Letdar angekommen waren. Wir stiegen also bergauf und hatten immer einen Blick auf den unteren Weg auf der anderen Flußseite. Als nach langer Zeit immer noch keine Häuser zu sehen waren wurde uns klar, daß wir hatten Letdar verpaßt hatten. Es war mit Churi, dem vorherigen Dorf, zusammengewachsen. Also würde nichts aus dem Ruhetag werden und wir würden am Abend das Base Camp erreichen. Uwe war sehr ärgerlich, daß wir die Abkürzung verpaßt hatte. Wir nahmen an, daß der Hauptgrund für den oberen Weg das Teehaus war. Später im Camp erfuhren wir von Nicole und Robert, die trotz 'Abkürzung' später als wir ankamen, daß dieser Weg sehr gefährlich war. Er führte sehr eng an Abhängen vorbei über Erdrutschgebiete. Zwei Tage später trafen wir einen Norweger und er zeigte uns seine aufgeschabten Hände.

 

30.10. Samstag

Um 6.00 wollen wir starten, aber die Unruhe packt mich. Die ersten Wanderer brachen bereits in der Nacht um 3.00 auf. Wir gehören zu den letzten, die das Base Camp verließen. Eine kalte Nacht liegt hinter uns und auch für den Aufstieg ziehen wir uns warm an. Eine Stunde kletterten wir die steilen Serpentinen hinauf, bis wir eine Art Plattform erreichten. Ab da ging der Anstieg allmählicher weiter. In kleinen Schritten und vielen Verschnaufpausen quälen wir uns den Berg hinauf. Durch die Kälte tropfte mit ständig die Nase. Oben auf der Plattform gibt es noch ein High Camp. Dort wollten wir bei unserem ursprünglichen Plan übernachten. Es ist ein eisiger zugiger Ort und wir sind eigentlich froh, daß uns das erspart blieb. Das Wetter ist sonst ausgezeichnet. Die Sicht ist klar. Nach vielen kleinen Verschnaufpausen erreichen wir gegen 10.15 den Thorung La-Paß in einer Höhe von 5416m. Wir sind sehr glücklich und genießen wenige Minuten das Gipfelgefühl. Für ein längeres Verweilen weht der Wind zu kalt.

Nun ging es natürlich über 1600 m abwärts bis zum Abend und zum Teil sehr steil. Die Fußzehen und Knie wurden dabei stark belastet. Wir bewunderten die Träger, die bei minimaler Ausrüstung ihre Lasten über den Paß schleppten. Völlig erschöpft kamen wir in Muktinath (3800 m) an. Wir waren froh, alles ohne ernsthafte Probleme geschafft zu haben. Als Höhensymptome waren bei uns nur leichte Kopfschmerzen und das Schwächegefühl zu spüren gewesen.

 

31.10. Sonntag

Am nächsten Tag spüre ich an allen Gliedern, was wir am Vortag geleistet haben, Muskelkater in den Beinen und Knieschmerzen. Das Frühstück dehnen wir lange aus wie nie. Zur Eingewöhnung gehen wir ohne Gepäck ein paar Minuten zurück. Dort stehen einige berühmte buddhistische und hinduistische Tempel. Das Besondere eines Tempels ist seine ewige Erdgasflamme, ein kleines bläuliches Flämmchen, das einen unangenehmen Geruch im Tempel verbreitet. Hierher kommen auch Pilger zu Fuß oder mit dem Helikopter, wie wir beobachten konnten. 3-4 alte indische Pilger landeten gerade auf dem Landeplatz vorm Tempel. Beim Aussteigen flog Einem der Wickelrock durch den starken Propellerwind davon, was zur allgemeinen Belustigung beitrug. Ein alter Mann humpelte am Stock die Treppen hinauf. Ohne die moderne Technik hätte er diesen heiligen Ort nicht erreicht.

Wir stiegen unter Schmerzen durch eine karge Einöde ohne erkennbare Vegetation hinab bis Kagbeni (2800 m), einem mittelalterlich wirkenden Dorf. Unser Fenster zeigte auf eine der engen Gassen des Dorfes. Durch die engen Gassen herrschte geschäftiges Treiben. Ständig wurden Maultiere, Pferde, Ziegen und Rinder entlang getrieben. Es herrschte ein Hochbetrieb, der teilweise sogar zur Verstopfung der Straßen führte. Einem richtigen Stau. Über dem Ort thronte einer der über 6000 m hohen Nilgiris.

Ein kräftiger Wind blies aus dem Tal das Flußbett hinauf. Dieser Wind soll jeden Tag ab 11.00 wehen. Wir bekamen das an den nächsten Tagen deutlich zu spüren.

 

01.11. Montag

Wir standen schon 6.15 auf, um am Vormittag ohne Wind im Gesicht den Abstieg fortzusetzen. Aber die Bezahlung des Zimmers und das Frühstück zogen sich ziemlich in die Länge. Der Weg führte jetzt direkt durchs Flußbett, da der Wasserstand niedrig war. So brauchte man nicht die Höhenunterschiede das Weges zu überwinden, der sich am Hang entlang schlängelte. Das Laufen über die rundgeschliffenen Steine war aber schon ermüdend genug. Es ist vergleichbar mit einer Strandwanderung an einer Steilküste. Hier im Flußbett sollen auch die Ammoniten zu finden sein. Die Fossilien erinnern daran, daß das Himalaja aus einem Meer entstanden ist. Es ist eine unglaubliche Vorstellung beim Anblick der Hochgebirgslandschaft.

Jomsom ist eine größere Ansiedlung. Es gibt sogar einen kleinen Flugplatz. Für viele Touristen beginnt daher die Route in der Höhe und sie wandern dann ins Tal. Hinter dem Ort hat auch die nepalesische Armee eine Anlage. Hier gönnten wir uns bereits das zweiten Frühstück. Es gab Apfelstrudel. Es war nach Tagen der erste Kuchen, sehr lecker und deshalb erwähnenswert.

Hier sollte es auch eine Bank geben - eine seltene Gelegenheit, die wir zum Geldtauschen nutzen wollten. Mit Hilfe einiger Einheimischer fanden wir aus einem Gewirr von Gassen die richtige. Das Zimmer verstaubte Stube befand sich in einem Hinterhof und war mit reichlich Spinnweben bestückt. Ein Angestellter hackte angestrengt auf einem Taschenrechner herum und hatte vor sich große Kassenbücher liegen. Er schien scheinbar zu ignorieren, daß bereits 4-6 Touristen vorm Schalter warteten. Als sich nach 10 Minuten nichts bewegt hatte, beschlossen wir den Weg fortzusetzen, das Geld müßte noch reichen.

Auf dem Weg nach Marpha hatten wir mit dem täglichen Wind zu kämpfen, der zusätzlich noch viel Sand aufwirbelte. In Marpha waren sie Häuser weiß getüncht und wirkten dadurch sehr freundlich. Auf den Dächern wurde Holz und Mais zum Trocknen gelagert. Der Ort lag in einer Art Kessel dicht am Hang und hatte dadurch eine windgeschützte Lage. Am Hang mit gutem Blick über das Dorf stand ein in leuchtenden Farben frisch bemalter Tempel.

Bis zum abend erreichten wir Tukuche (2590 m). Die Häuser hatten teilweise reich verzierte geschnitzte Holzbalkons. Es waren die Häuser reicherer Händler, die früher vom Salzhandel mit Tibet lebten. Von hier hatten wir auch wieder einen herrlichen Blick auf den Nilgiri.

 

02.11. Dienstag

Mit Blick auf den mächtigen Dhaulagiri (8167 m) und seinen Gletscher ging es im Flußbett weiter bis Kalopani (2530 m). Einmal mußten wir einen großen Teil der Strecke umkehren, um zu einer Hängebrücke zu kommen. Zur Flußüberquerung hätten wir sonst die Schuhe ausziehen müssen. In Kalopani genossen wir auf einer Dachterasse bei herrlichem Sonnenschein ein Panorama mit Nilgiris, Annapurna 1 (8091 m) und Annapurna Süd und dem Dhaulagiri auf der anderen Seite. Es ist das tiefste Tal der Welt.

Auf der weiteren Strecke erwies es sich als Fehler, eine Abkürzung zu gehen. Diese führte nämlich über einen reißenden Bach. Nach einigem hin- und hersuchen nach dem besten Übergang balancierten und sprangen wir mit viel Glück trockenen Fußes über ein paar Steine. Wir kamen durch Gaza und folgten dann dem Pfad, der sich jetzt hoch über einem Abgrund am Felsen entlang schlängelte. Er war oft nicht viel breiter als ein Meter. So mußte man aufpassen, wenn die Trägern mit ihren breiten Gepäckstücken entgegen kamen. Die Nachmittagssonne brannte ziemliche heiß. Am späten Abend erreichten wir Rupse, kurz nach einem großen Wasserfall. In der einfachen Unterkunft bereiteten die Frauen die verschiedensten Gerichte in einer winzigen Küche. Es waren auch vier Träger zur Übernachtung da, die ihr traditionelles Dal Bat aßen. Der Garten hinter dem Haus klebte an einer steilen Felswand. Über mehrere Stufen mußte man hier auch den Weg zu Toilette und Dusche erklimmen.

 

03.11.Mittwoch

Ehe wir das 1100 m tief gelegene Tatopani erreichten, kamen wir durch Dana. Das ist die ehemalige Hauptstadt von Jomsom. Es gab hier relativ hohe Häuser. Manchmal hatten sie drei Etagen und schöne Holzschnitzereien an den Balkons. Die Vegetation war jetzt wieder sehr üppig. Weihnachtssterne, Obstbäume und verschiedene Blumen vor den Häusern erfreuten das Auge. In Tatopani genossen wir eine lange Mittagspause in einem schattigen subtropischen Garten eines Restaurants.

Am frühen Nachmittag brachen wir dann noch auf, um noch einen Teil des großen Anstiegs an diesem Tag zu schaffen, der nach Ghorepani in 2750 m Höhe führt. Ein Stau an zwei Hängebrücken kostete uns fast eine Stunde Zeit. Eine große laut blökende Schafherde verursachte diesen Stop. Einige Tiere hatten das Leittier aus den Augen verloren, welches die Brücke bereits überquerte, und versuchten panisch umzukehren. Vom anderen Ende kamen aber schon die nächsten Tiere auf die schwankende Brücke, angetrieben durch die Pfiffe und Stöcke der Hirten. Eine Maultierherde wartete auch schon geduldig auf die Auflösung der Verstopfung. Später drängten wir mitten durch die aufgebrachte Schafherde die Stufen empor. Der Weg bestand fast nur aus Treppen. Die Marmorsteine waren durch die tausend Schritte zum Teil sehr blank poliert. Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir endlich Sikha (1935 m). Am Abend wurde es kalt.

 

04.11. Donnerstag

Stufe um Stufe kämpften wir uns durch den Rhododendronwald höher. Die Kraxe erschien mir heute besonders schwer. Der Elan war am 12. Wandertag irgendwie geschrumpft. Am Himmel zogen mehr und mehr Wolken auf. Abends in der Hütte saßen wir gemütlich in einem Raum mit Ofen. Draußen ging ein heftiger Regenguß nieder. Am nächsten Morgen wollten wir vor Sonnenaufgang auf den Poon Hill (3193 m) steigen. Von dort soll man die höchsten Berge des Annapurnamassivs gut sehen können. So konnten wir beim Schlafengehen nur hoffen, daß die Wolken über Nacht verschwinden würden.

 

05.11. Freitag

Verschlafen konnte man nicht, da durch die dünnen Bretterwände schon zeitig die Aufbruchsgeräusche in den Nachbarzimmern zu hören waren. Ein Blick aus dem Fenster zeigte Sterne am Nachthimmel. Wir hatten also Glück mit den Wolken. Wir zogen uns warm an und stürmten gemeinsam mit ca. 200 Leuten auf den Poon Hill. Von der Sonne war noch nichts zu sehen, aber die Giganten des Himalaja wurden schon von den ersten Lichtstrahlen erreicht und zeichneten sich wie gemalt am Himmel ab. Sie ragten aus einer Nebelschicht und wirkten dadurch wie ein unwirkliches Traumbild am Himmel. Zum Panorama gehörten der Dhaulagiri, die Nilgiris, Annapurna 1 und Annapurna Süd und der Machapuchare, der Fischschwanzgipfel. Es war ein wunderbarer unbeschreiblicher Anblick, der Belohnung für viele Strapazen der letzten Tage war. Wir waren froh, daß wir die 1500 m, die wir auf dieser Route von Tatopani wieder aufsteigen mußten doch auf uns genommen hatte, statt den kurzen Weg direkt ins Tal zu gehen. Als die schneebedeckten Gipfel im direkten Sonnenlicht erstrahlten stiegen wir bereits wieder ab. Nach einem Frühstück begann also der letzte Abstieg, erst durch Rhododendronwälder und dann ab Ulleri über unzählige Stufen sehr steil ins Flußtal zurück.

Um 15.30 erreichten wir über Birethanti (1025 m) Nayapul, die Endstation. Schon von weitem waren das Hupen und die Motorengeräusche von der Straße zu hören, ein ungewöhnlicher Klang nach fast zwei Wochen fern jeder Motorisierung. Mit einem Taxi fuhren wir direkt in unsere Unterkunft in Pokhara.

 

06.11. Samstag

Am heutigen Tag war geplant eine Schulkollegin von meiner (Uwes) Mutter in einem Krankenhaus für Leprakranke am Stadtrand von Pokhara zu besuchen. Das einzig verfügbare war die Adresse (Jutta Weber, c/o Green Pastures Leprosy Hospital, Pokhara, Nepal). So brachte mich ein Motorradfahrer nach dem Frühstück zum Krankenhaus. Hier war aber niemand zu finden. Glücklicherweise erklärte mir eine andere deutsche Krankenschwester, daß Jutta hier schon seit Jahren nicht mehr arbeitet, sondern 30 km entfernt eine Farm führt. Dort leben geheilte Leprakranke, die nicht wieder integriert werden konnten.

Zurück im Zentrum von Pokhara mietete ich mir für Rs1000 ein Taxi für diese Tour. Da sich Ingrid nicht wohlfühlte blieb sie im Hotel. Der Taxifahrer nahm, da ich nichts dagegen hatte, gleich seine Familie (Frau mit vier Kindern) mit nach Khaireni. (In meinem australischen reiseführer stand über diese Stadt als einziges, daß hier ein von Deutschland unterstütztes landwirtschaftliches Projekt angesiedelt ist.) Von hier wurde der Weg komplizierter, aber beim Fragen trafen wir einen Bekannten von Jutta, der den Weg zeigte. Erst fuhren wir zehn Minuten einen Feldweg entlang, dann mußten wir aber laufen. Es ging über Maisfelder hinunter in eine Schlucht. Hier ging es weiter durch ein Maisfeld zum Farmhaus. Hier empfingen uns erst unfreundliche Hunde. Sie waren aber mit der Zeit von unserer Friedfertigkeit zu überzeugen. Da Jutta von nichts wußte, mußte ich ihr erst einmal die Zusammenhänge erklären. Sie arbeitet hier seit 20 Jahren. Wir hatten dann ein Stunde eine angenehme Unterhaltung bei selbstgebackenen Brot, eigener Butter und einer Tasse Milchkaffee. Wir sprachen über viele Dinge (Religion (hier wurden u.a. in den Neunzigern Kirchen durch Hindus beschädigt), Nepal, Israel, dem Leben auf der Farm, deren Finanzierung usw.), bevor sie mich über die Farm führte. Die Farm kann sich im wesentlichen selbst erhalten, benötigt aber durch Ausgaben für Fremdarbeitskräfte aus den Dörfern während der Ernte (Leprageschädigte sind nur begrenzt einsetzbar), Maschinen usw. doch Unterstützung durch Spenden, die durch eine evangelische Kirche aufgebracht werden. Einige Felder hier können für drei Ernten im Jahr genutzt werden (zweimal Reis, einmal Weizen). Auch insgesamt wird hier meist Reis angebaut (für essen, zweimal am Tag), Hirse und etwas Weizen (für Brot) angebaut. Dazu verschiedenes Obst und Gemüse (Erbsen, Bohnen, ...). Im Sommer sind viele Felder durch den Monsun überflutet. Hier gibt es auch eine kleine Mühle, die sogar mit Kraftstrom betrieben werden kann. Gekocht wird meist mit Methan aus einer Biogasanlage, die mit dem Kot der Wasserbüffel und Stroh betreiben wird. Nur das Futter für die auf dem Feld arbeitenden Ochsen wird mit Holz gekocht. Die Wasserbüffel werden für Milch und Fleisch genutzt. Außerdem gab es auf der Farm noch einige Ziegen und Schweine (Landrasse-Typ). Nach etwas mehr als zwei Stunden war es leider Zeit zum Taxi zurück zu gehen.

 

07.11., Sa.

Bereits 7.00 mußten wir an der Sammelstelle für den Bus nach Kathmandu bereitstehen. Es dauerte dann aber bis 8.00 ehe ein Bus kam und das Gepäck verstaut war. Gegen 14.30 erreichten wir Kathmandu. Mit zwei anderen Reisenden teilten wir uns ein Taxi nach Thamel. Auf der Suche nach einer Unterkunft fragten wir in 6-7 Hotels nach Preisen. Durch die Hochsaison waren die niedrigsten Preisgruppen rar geworden. Mir wurde meine Kraxe schon ziemlich schwer und wir nahmen dann ein Zimmer für Rs300. Wir waren auch nicht mehr so wählerisch. Nach einer kurzen Ruhe liefen wir um 16.00 zum Swayambunath durch die Straßen und Gassen der Altstadt. Die bekannte buddhistische Stupa erhebt sich auf einem steilen Berg über die Stadt. Man mußte erst hunderte extrem steile Treppen erklimmen, begleitet von Bettlern und Händlern, die handwerkliche oder nutzlose Souvenirs anboten, ehe man den Blick über dir Stadt genießen konnte. Die goldene Spitze der Stupa erstrahlte im sanften Licht der Abendsonne über den alles sehenden Augen des Buddhas. Um das Hauptgebäude waren noch viele kleine Schreine und Kapellen angeordnet. Einige Mönche standen in ihren roten Kutten in Gruppen auf dem Platz. In einer Kapelle drehte sich eine fast 2m hohe Gebetsmühle, die bei jeder vollen Drehung eine Glocke zum klingen brachte.

Wir stiegen die Stufen wieder hinab. Es war schon fast dunkel geworden. Die Händler verpackten ihre Ware, mit der sie am nächsten Tag wieder hier sein würden. Eine große Rhesusaffenfamilie tollte ausgelassen über das Gelände. Das Treppengeländer diente als willkommene Rutsche und die Buddhafiguren wurden ohne Rücksicht auf ihre Ehrwürdigkeit zum Klettergerüst. Dabei jagten sich die Jungtiere unter lautem Kreischen über Bäume und Treppen. Auf dem Rückweg gab es im Stadtteil einen Stromausfall. Die Straßenbeleuchtung war ausgefallen und wir beeilten uns wieder ins Zentrum zu kommen, wo es wieder mehr Touristen gab.

Es waren gerade die Feiertage um den Jahreswechsel in Nepal. Auch hier wurden in den Straßen Knaller abgeschossen. In die Hauseingänge stellten die Bewohner Kerzen und legten als Opfergaben Blumen und Reiskörner dazu. Mit Farbe malten sie den Weg ins Herz des Hauses auf den Boden. Das ist die Einladung für die Göttin Laxmi, die an diesem Tag die Häuser besucht und Glück bringt. Viele Häuser waren mit Blumen geschmückt und in den Straßen hingen Lichterketten und Girlanden. Die Feiern dauerten mehrere Tage. Das hatte einen großen Nachteil. Die Knallerei und laute Musik waren auch nachts in unserem Zimmer durch die kaputten Fensterscheiben zu hören und verhinderten an den nächsten Tagen eine geruhsamen Schlaf. Beim Abendbrot saßen wir in einem Restaurant. Mehrere Kindergruppen kamen herein und machten mit lauten Sprechgesängen auf sich aufmerksam, bis sie vom Restaurantinhaber einige Münzen bekamen. Dann zogen sie zum nächsten Geschäft. Es ist ein ähnlicher Brauch wie bei uns zum Fasching.

 

08.11., Mo.

Nach dem Frühstück wurde ich (Uwe) von einem Fachkollegen, Shreeram Neopane, im Hotel abgeholt. In einem Kleinbus brachte uns sein Fahrer durch verstopfte Straßen zur Versuchsfarm. Hier besichtigte ich Rinder verschiedener Rassen und Kreuzungen und unterhielt mich darüber mit Kunwar, einen PhD-Studenten. Dann ging es hinüber zu den kaum besetzten Schweineställen. Hier sprach ich mit dem dafür Verantwortlichen, Dr. Pradhan. Er hat, wie Shreeram, seine Doktorarbeit in England angefertigt. Wir hatten eine sehr interessante Diskussion. Er war sehr an Sattelschweinen interessiert. In Deutschland sind sie nahezu ausgestorben, da sie zwar viele Nachkommen haben, aber viel zu fett sind. Über dieses Problem kann man hier nur lachen.

Da heute ein Feiertag war bei dem Kühe geehrt werden, bekam eine Kuh eine Tika auf ihre Stirn gemalt und ein Blumenhalsband umgehängt. Danach aßen wir Mittag im Kreise der Angestellten der Versuchsfarm und einiger Chefs. Anschließend lud mich Shreeram zu sich nach Hause ein. Wir unterhielten uns und schauten Kricket.

Am Nachmittag fuhren wir mit dem Taxi nach Bodnath, der größten Stupa in Kathmandu. Dort trafen wir die beiden deutschen Mädchen aus dem Flugzeug, Alex und Steffi, wieder. Wir verabredeten uns zum Abendbrot im Green Ice Restaurant. Sie hatten Probleme mit Durchfall und Bauchschmerzen. Sie hatte es heftiger und schon vor der geplanten Wanderung erwischt, so daß sie ihre Pläne sogar ändern mußten. Die Bodnath-Stupa stand auf einem großen runden Platz umgeben von schönen reich verzierten Reihenhäusern. Hier haben sich viele tibetische Händler angesiedelt. Man kann das Innere einer Stupa nicht betreten. Sie enthält Reliquien, es gibt aber keinen Eingang. Die Gläubigen umrunden die Heiligtümer immer im Uhrzeigersinn, dabei drehen sie unermüdlich die Gebetsmühlen und murmeln Gebete. Es machte Spaß, über diesen Platz zu schlendern. Er wirkte durch die Händler und Pilger sehr lebendig.

Danach spazierten wir zum hinduistischen Heiligtum der Stadt, nach Pashupatinath. Wie Varanasi liegt Pashupatinath am Fluß. Gewässer sind bei Hindus oft von heiliger Bedeutung. Auch in Pashupathinath wurden Leichen am Fluß verbrannt, deren Asche dem Fluß übergeben wird. Diese Art der Bestattung bringt einen Hindu auf dem Weg der Wiedergeburten weit nach vorn und hat deshalb eine große Bedeutung. Zum Teil wirkte der Ort wie eine verlassene Tempelstadt einer vergessenen Kultur. Auf den Dächern etwas abseits stehender Tempel wuchs Gras, Affen turnten über die Dächer und Gemäuer und im abendlichen Licht begegnete man nur wenigen Indern. Anders im zentralen Teil, wo die Verbrennungsstätten am Fluß liegen und der wichtigste Tempel für Shiva steht. Nur Hindus dürfen hier hinein. Wir konnten einen Blick durchs Tor werfen und sahen Nandi, den Bullen, Shivas Fahrzeug in riesiger goldener Ausführung vor dem Tempeleingang wachen. Auch hier war ein geschäftiges Treiben auf einem Marktplatz vorm Tempeltor. Es wurden Opfergaben für den Tempel angeboten und allerlei touristischer Krimskrams.

 

09.11. Dienstag

Am Vormittag klapperten wir zum wiederholten Male die Reisebüros von Thamel ab, um eine gute Möglichkeit zu finden, nach Tibet zu fahren. Am Sonnabend würde es kein Problem sein, wir wollten aber gern schon eher fahren. Am Mittag fuhren wir mit einem Taxi zur alten Königsstadt Bhaktapur. Auch hier stehen unzählige Tempel, ähnlich wie in Patan, um den alten Palast mit dem berühmten goldenen Tor in einer mittelalterlichen Stadt. Von einer Terasse aus beobachteten wir das Treiben auf der Straße und schlenderten gelassen durch die Gassen. Wir waren etwas müde und geschafft und gönnten uns einen sehr ruhigen Tag.

Gute Nachricht gab es am Abend in einem Reisebüro. Es gab drei Engländer, die am Donnerstag nach Tibet wollten. Vielleicht würde eine Gruppe zusammenkommen. Auch sie hatten ihre individuellen Visas. Morgen Nachmittag sollten wir erfahren, ob es klappt oder nicht.

 

10.11. Mittwoch

Heute waren wir bei Sheeram zum Mittagessen eingeladen. Die ganze Nacht war wieder schrecklicher Lärm gewesen. Wir wurden herzlich willkommen geheißen, nur nicht vom Hund, der aber zum Glück angekettet war. Am heutigen Feiertag ehrten sich Brüder und Schwestern und wir konnten bei der Zeremonie zusehen. Sheeram´s Frau zeichnete ihrem Bruder, der zu Besuch war, eine Tika auf die Stirn, Sprenkelte Wasser um ihn herum, dann zeichnete er ihr die Tika und am Ende wurde eine Walnuß in der Tür zerschlagen. Es gab traditionelles Dal Bat zu essen. Zu Reis wurde Chili-Gemüse, Huhn und Soße gereicht. Das Huhn ist etwas ungewöhnlich, da es mit Knochen in kleine Stücke zerhackt wird. Später traf sich die ganze Familie und es wurde ein Glücksspiel begonnen. An diesem Tag wird es überall gespielt, sonst sind Glücksspiele verboten. Muscheln werden reihum auf den Boden geworfen und die Teilnehmer geben vorher einen Tip ab, wie viele mit der offenen Seite nach oben zeigen. So verlieren oder gewinnen sie den Einsatz.

Am Nachmittag konnten wir alles für unsere Reise nach Tibet klar machen. Am nächsten Morgen würde es losgehen. Am Abend schlenderten wir ein letztes Mal durch die Gassen der Altstadt und über den Durbar Square. Wir ließen eine Hose und eine Tasche reparieren und besorgten uns vorsichtshalber Diamox für die Höhenmeter der nächsten Tage.

 

11.11., Do.

Wir mußten bereits vor fünf Uhr aufstehen, um gegen 6 Uhr den Abfahrtsort in Durbar Marg zu erreichen. Es waren inzwischen acht Leute geworden, die heute nach Tibet wollten. Unter ihnen war auch ein Norweger, der eine riesige Aluminiumkiste mit durch die Gegend schleppte.

Unterwegs stoppten wir fürs Frühstück an einer Gaststätte. Es war sehr kalt, aber wir hatten einen herrlichen Blick auf die Himalaya-Range. Unzählige Gipfel erschienen wie auf einer Schnur aufgereiht. Es war einfach überwältigend.

Gegen Mittag erreichten wir die Grenze in Tatopani/Kodari. Es gab noch einige Diskussionen, da einer unserer nepalesischen Begleiter noch ein Zusatzgeschäft mit dem Gepäcktransport über die Grenze machen wollte, aber da wir uns einig waren wurde es nichts. Die Grenzkontrollen durch sonnenbebrillte Chinesen waren problemlos. Wir hatten zwar alle individuelle Visas, befanden uns aber in einer Gruppe.

Auf der chinesischen Seite holten uns zwei Jeeps mit Fahrer und einem Führer ab. Wir aßen Mittag und tauschten Geld. Um Bargeld zu tauschen gab es genügend Angebote auf der Straße. Wir gingen aber zur Bank um Reiseschecks einzutauschen. Gegen 15 Uhr waren wir abreisebereit und fuhren los. Nach wenigen hundert Metern gab es aber einen Stau. Ein Truck mit einem tibetischen Fahrer hatte in einer der engen und steilen Kurven einen leichten Zusammenstoß mit einem Armeejeep. Daraufhin wurden bei ihm und den nachfolgenden fünf Trucks von den Armisten die Scheiben eingeworfen. Aus Angst flüchteten die Fahrer in die Berge. Wir warteten noch ein oder zwei Stunden und mußten dann einsehen, daß es heute nicht mehr weitergeht. Wir gingen auf Hotelsuche und konnten nach längeren Verhandlungen für Y35 im Zhangmu-Hotel unterkommen, einem überdimensionierten Bau mit sozialistischem Charme. Zu einem ausgedehnten Abendessen trafen sich dann alle im gegenüberliegenden gemütlichen Restaurant, daß von Tibetern geführt wurde.