RUMÄNIEN 2000
 
 

Keine Ahnung, wer, wann und warum auf die Idee gekommen ist, dieses Jahr wieder nach Rumänien zu fahren. Irgendwie ist es nun aber passiert. Ich, genannt Specki – warum, geht niemandes etwas an – kann so ungefähr ermessen, was uns in Rumänien erwarten wird. Kutschi ebenfalls. Er führte voriges Jahr mit zwei Freunden eine Fagaras – Überquerung durch. Einige Wochen vorher ruft Roger bei mir an und erzählt, daß gern noch eine Arbeitskollegin seinerseits mit auf Expedition kommen würde. Klar warum nicht, entgegne ich. Kein Problem, Roger kennt uns und sie offensichtlich auch ganz gut. Außerdem wäre es schön, so Roger, wenn wir uns, also wir anderen, etwas um die Reiseplanung kümmern würden. Roger hatte in den Wochen davor gerade mächtigen Prüfungsstress. Ich telefoniere also mit besagter Katrin, sie war noch nie in Rumänien und mache einige Vorschläge: Westgebirge – Rodna – Maramures. Sie und auch Kutschi sind weitestgehend einverstanden. Kutschi organisiert in der verbleibenden Zeit Fahrkarten, sehr günstig über einen Freund, dessen Kumpel eine tschechische Freundin in Usti nad Labem hat. Dann muß noch geklärt werden, wer Kocher, Zelte, Kartuschen, Wanderkarten einpackt, Bier für die Zugfahrt herbei schleppt usw. Diese Dinge sollen ja unterwegs manchmal ganz nützlich sein.
 

Sonnabend 30.7.

Gegen Mittag fahre ich zu Roger nach Dresden, laufe im strömenden Regen die Königsbrücker hoch. Katrin ruft an, sie stände bei Kesselsdorf im Stau. So bleibt noch Zeit für ein Teechen  und einige interessante Klangbeispiele aus Rogers Raritätensammlung. Als alles beisammen ist, fahren wir zu Rogers Eltern nach Neustadt. Dort sind wir mit Kutschi verabredet.

Um Kosten zu sparen, wurden unsere Fahrkarten erst ab Tschechien gelöst. Um ganz genau zu sein, ab Usti nad Labem. Deshalb wird uns in den Abendstunden Rogers Vater mit Kutschis alten BMW nach Decin fahren. Kutschi läßt noch etwas warten, wir plündern derweil noch etwas den elterlichen Kühlschrank. Man gibt uns aber gern. Bald darauf erscheint Kutschi, d.h., er kommt die Treppe rauf gepoltert, beäugt uns im allgemeinen und Katrin im speziellen: „Kannst du Skat spielen?“ ist Kutschis erste besorgte Frage. Gelächter.

Bald darauf brechen wir in Richtung Grenze auf. Es schüttet immer noch. Wir beladen das Auto. 5 Menschen, 4 Rucksäcke, 1 Kiste Bier. Das ist selbst für einen BMW zuviel. Bei jeder Bodenwelle kommen sehr beunruhigende Geräusche aus der Region unterm Bodenblech. Wir hatten eigentlich von, innerhalb der nächsten ein, zwei Tage in Rumänien anzulangen?!  Vorsichtige Zweifel sind berechtigt.

Sobald wir im Zug nach Prag sitzen, machen wir uns über die Getränke her. Kutschi muß bald etwas in seinem Elan gebremst werden. Trotz einer kleinen Fahrunterbrechung, die Lok ist wohl kaputt gewesen, kommen wir rechtzeitig in Holesovice an. Kurz vor Mitternacht fährt dann unser Zug ins gepriesene Land. Wir erobern ein Abteil für uns ganz allein, leider besitzt dieses eine sehr penetrant surrende Leuchtstoffröhre. Roger fast sich ein Herz und repariert das Teil. Danach gibt es nichts mehr, was eventuell surren könnte. Beim Gute-Nacht-Bier läßt sich Katrin aus einer Mischung aus Entsetzen und Faszination zu der Bemerkung hinreisen, so einen Urlaubsauftakt hätte sie überhaupt noch nicht erlebt...
 

Sonntag, 31.7.

Der Zug schaukelt gemütlich in Richtung Budapest. Unterwegs werden wir immer wieder von unhöflichen Grenzbeamten, Zöllnern, Schaffnern belästigt und überaktiven jungen ungarischen Menschen angesprochen, welche uns Unterkünfte in Studentenwohnheimen vermitteln möchten. Sehen wir etwa aus wie bildungshungrige Bürger und Interrail – Touristen, die ständig mit ihren Rucksäcken die Bahnhöfe europäischer Großstädte füllen und von Hauptstadt zu Hauptstadt sprudeln. Wir haben besseres vor.

Kurz hinter Budapest ist das Bier alle.

An der rumänischen Grenze, läßt - nachdem die obligatorische Frage nach mit geführtem Alkohol oder anderen kleinen Aufmerksamkeiten gestellt wurde – der Beamte Roger den Rucksack auspacken. Nachdem sämtliches uniformiertes und nicht uniformiertes in exekutiv Weise wirkendes Volk durch den Zug hindurch ist, fällt uns auf, daß wir nichts für Visa bezahlen mußten. Ist die Visapflicht aufgehoben oder hat man uns glatt vergessen? Vorerst werden wir es nicht erfahren. Egal. Jetzt sind wir in Rumänien – ohne Visa – und man fühlt sich fast schon wieder ein bißchen vertraut mit den Dingen um uns herum. Die Berge, die Häuser, die Kirchen mit ihren silbernen Dächern, die Menschen... Die Sonne scheint.

Gegen 18 Uhr sind wir in Alba Iulia. Das ist ein günstiger Ausgangspunkt für die Muntii Trascau, unser erstes Ziel. Ich war schon mal vor zwei Jahren in Alba und wenn alles gut geht, erwischen wir abends noch einen Bus zum Rimet – Kloster. Auf dem Bahnhofsvorplatz hat sich rein gar nichts geändert. Gegen 19.30 Uhr fährt tatsächlich noch ein Bus – wie gehabt. Auf offiziellen Wege ist vor dem Bahnhof kein rumänisches Geld aufzutreiben. Man schickt uns zu einem Hotel ins Zentrum, dort soll man tauschen können. Das Hotel ist zwar nicht zu finden dafür ein passender Geldautomat. Um den Geldautomaten herum gibt es einige Betonprachtbauten aus der Ceaucescu – Zeit zu bewundern. Wir lassen Katrin, Kutschi und die Rucksäcke bei einem Imbißstand und bettelnden Kindern zurück. Auf einer Wiese vor dem Bahnhof lagern einige Romafamilien.

Der Bus ist nach einiger Fragerei gefunden. Dort ertönt die mir ach so wohl vertraute rumänische Volksmusik. Wir schließen erste Bekanntschaften. Bald erscheint vor uns die eindrucksvolle Felsen - Kulisse der Muntii Trascau. Das Gehirn schüttet haufenweise Glückshalluzinogene aus.

Wir sind die einzigen, die am Kloster aussteigen. Es dämmert bereits und wir müssen grausige Entdeckungen machen... Erstens gibt es die schöne Zeltwiese nicht mehr, diese mußte einer Baustelle weichen und zweites existiert der Versorgungskiosk neben der Kneipe nicht mehr, d.h. die Bude sieht sehr verwaist aus und wir mutmaßen, daß dort demnächst wohl nichts mehr käuflich zu erwerben sein wird. Ein paar hundert Meter weiter befindet sich eine Cabana (Hütte) und da es bereits finster ist und wir zu faul sind, noch ewig herumzusuchen, beschließen wir, zwei sehr einfache Holzhütten zu beziehen. Diese wurden gegen alle anerkannten Regeln der Technik – ich bin mir sicher, auch gegen alle rumänischen erbaut, so daß diese Bauwerke sicher nicht mehr viele Winter mitmachen. Also, Leute, nichts wie hin. Es lohnt sich! Auf dem Hof werden wir von zwei sehr winzigen und genau so lauten Hunden angefallen. Sehr übermütig, diese!

In einer Art Speisesaal bekommen wir Abendbrot (Suppe mit Würstchen) und Bier serviert. Pfaumenschnaps ist leider nicht zu haben, so gehen wir sehr zeitig schlafen. Kutschi gibt sich richtig Mühe, mich am Einschlafen zu hindern. Er sägt dermaßen an den ohnehin schon verrotteten Balken herum, daß ich kaum ein Auge zu mache.
 

Montag, 1.8.

Um das Kloster herum gibt es keinen einzigen Laden, bis ins nächste Dorf ist es sehr weit, so sind wir bißchen auf das angewiesen, was es so in der Cabana gibt. Einerlei. Das Frühstück schmeckt, ist reichlich und kostet nicht viel. Gut gestärkt gehen wir die Rimet – Klamm an. Wir ziehen nur das Nötigste an und nehmen nicht viel mit, denn an einigen Stellen ist das Wasser recht tief bzw. man muß klettern. Wir haben Glück, es hat seit Wochen kaum geregnet haben, so erscheint das Unterfangen sehr einfach. Auf dem Weg zur Klamm kommen wir an einigen Motzenhäuser vorbei. Das sind alte bäuerliche Behausungen in Blockbauweise mit sehr dicken, mützenförmigen Dächern. Roger entwickelt ein starkes Interesse an antiquarischen Dingen. Wir werden mißtrauisch beäugt als wir ein Haus etwas näher unter die Lupe nehmen.

Die schmale tiefe Stelle könnte man auch gut durchschwimmen, Klettern geht aber besser wegen Klamotten, Kameras etc. Wir kommen alle gut hinüber bis auf Kutschi. Er verliert das Gleichgewicht, plumpst ins Wasser und ist – ehrlich, wer hätte was anderes gedacht - klitschnaß. Nun hat er halt einen nassen Reisepaß und nasse Lei´s. Bleibt zu hoffen, daß die Farbe auf den Geldscheinen wasserfest ist.

Hinter der Klamm erscheint uns eine völlig andere Welt, eine kleine Ansammlung von Häusern bildet einen Weiler. Man fühlt sich wie im Mittelalter. Kein Strom, kleine Pfade, auf einem Hügel befindet sich eine halb verfallene Kirche mit einem kleinen verwilderten etwas mystisch anmutenden Friedhof. Wir machen Rast. Roger untersucht wieder einige Gebäude in der Umgebung. Da es erst gegen Mittag ist, beschließen wir, über die Berge zurück zu wandern.

Nach dem Weiler geht es gleich ordentlich zur Sache, steil bergan, dann wieder bergab, wieder hinauf. Und so weiter. Es wird nicht direkt langweilig. Irgendwann gelangen wir auf eine Hochebene und machen uns bißchen Sorgen wegen dem Wetter. Es weht ein starker Wind und dunkle Wolken ziehen auf. Warme Sachen haben wir nicht mir, außerdem haben wir langsam das Gefühl, daß wir uns etwas verlaufen haben. Alle Täler führen jetzt von Ost nach West, also aus dem Gebirge heraus. So fassen wir uns ein Herz und latschen irgendwann querfeldein. Nach zwei oder drei weiteren hügligen Bergrücken gelangen wir dann wieder auf die Straße, auf der wir den Vortag mit dem Bus entlang gefahren sind. Die Straße zieht sich bis zum Quartier. Roger und Kutschi legen ein ganz schönes Tempo vor. Ich vermute, da spielt Durst eine nicht ganz unerhebliche Rolle. Katrin meint, daß sie gestern im Bus mal den Gedanken hatte, daß sie diese Straße nicht unbedingt zu Fuß laufen möchte... So schnell kann es manchmal gehen.

Roger und Kutschi sind mittlerweile außer Sichtweite. Vorsichtshalber schauen wir in die Kneipe. Außer dem Chef und vier Rumänen, welche bereits mit den Köpfen auf dem Tisch liegen, gibt es nichts besonderes zu entdecken. So gehen wir weiter. An den Hütten ist aber  auch niemand. Mhmm?! Naja, die beiden werden schon nicht verloren gegangen sein, meinen wir und siehe, da kommen sie auch schon angelaufen. Angeblich saßen sie auf der Kneipenterasse. Da komme einer darauf. Nach dem Abendbrot gehen wir aus, d.h. wir handeln wieder zur Kneipe vor und lassen uns Bier und Tuika (Pfaumenschnaps) bringen. Die Gebindegrößen verfehlen nicht ihre Wirkung und bald sind wir alle gigantisch gut drauf. Am Fluß befinden sich paar Rumänen im wärmenden Einzugsbereich eines Feuers, dort gesellen wir uns hinzu, sind aber bald allein. Zur Sicherheit holen wir uns noch eine Flasche und vom benachbarten Bauplatz einige Holzbohlen. Letzeres findet der Kneipier nicht ganz so gut und er beendet unsere kleine Feier. Kutschi ist völlig breit und wir stehen vor der schier unlösbaren Aufgabe, uns und vor allen Kutschi die 300 m bis zur Cabana zu schleppen.

Katrin bekommt sämtliche Beutel und andere Dinge umgehangen. Roger und ich nehmen Kutschi in die Mitte, am schlimmsten ist der Steg über den Bach. Kutschi gleitet hinunter und fliegt heute das zweite Mal in einen Bach, bis auf ein paar Kratzer passiert aber nichts. Mehr oder weniger wohl behalten kommen wir zu den Hütten und plumpsen auf die Schafsäcke. Die restliche Nacht schlafe ich wunderbar.
 

Dienstag 2.8.

Klopfen. Kopfschmerzen. Magenprobleme. Roger steht in der Türe und erzählt irgend etwas von Frühstück und bringt meinen Beutel mit der Kamera herein. Das Teil lagerte friedlich vor der Hütte... , da war wohl gestern etwas Alkohol beteiligt.

Nach dem Frühstück nehmen wir uns das Kloster vor. Die ganz große Lust für Besichtigungen haben wir aber nicht. Es handelt sich um ein orthodoxes Nonnenkloster, welches ständig im Begriff ist erweitert zu werden. Eine neue größere Klosterkirche wurde erst 1995 fertiggestellt. Die ursprüngliche, noch gut erhaltene stammt aus dem 13. Jahrhundert. Offensichtlich entscheiden sich in Rumänien viele Frauen für eine klösterliche Laufbahn. Auffallend ist, daß sich hier viele Nonnen bzw. Novizinnen in sehr jungen Alter befinden, wahrscheinlich erhoffen sie sich im Kloster eine gewisse soziale Sicherheit. Mönchsklöster haben wir bei weitem nicht so viele gesehen.

Das Ikonenmuseum hat leider geschlossen, so laufen wir bald wieder zurück. Den Nachmittag passiert nicht viel. Irgendwann brechen wir noch einmal in Richtung Klamm auf, um Ganzkörperwaschungen durchzuführen. Das Wasser ist recht frisch. Auf dem Rückweg kriechen wir einen Hang hoch, weil wir in halber Höhe eine Höhle vermuten. Es lohnt sich aber nicht so richtig, im Elbsandsteingebirge würde ich so etwas nicht einmal als Boofe durchgehen lassen.

Wir kochen Spaghetti. Ich weiß nicht mehr in welchen Zusammenhang ein neuer Begriff fürs Warmduscher-ABC geprägt wurde. Ich finde ihn aber erwähnenswert: „Einbeutelteekannentrinker“. Richtig satt werden wir aber nicht, vielleicht lag es an den einem Teebeutel... Katrin läßt ihren Charme spielen und organisiert in der Cabana Brot, Tomaten und wir werden sogar noch zu lecker Suppe eingeladen. Wir bleiben sitzen und spielen ein paar Runden Skat. Am Nachbartisch sitzen ein paar Typen, die sind völlig hinüber. Einer textet Roger pausenlos voll. Er kapiert oder will nicht kapieren, daß Roger beim besten Willen kein einziges Wort versteht.

Die Nacht ist recht kalt und der Sternenhimmel ist wirklich spektakulär.
 

Mittwoch 3.8.

Unser nächstes Ziel die Gegend um die Cabana Padis im nördlichen Teil der Muntii Apuseni. Das ist ein Gebiet mit mehreren interessanten Höhlen und den für ein Karstgebirge typischen Reliefformen. Wir sind gespannt. Die bekannteste allgemein zugängliche Höhle ist wohl die Eishöhle „Scarisoara“.

Dummerweise fährt vom Kloster nur gegen 13.00 Uhr ein Bus nach Alba Iulia. So haben wir noch bißchen sehr viel Zeit. Wir packen in Ruhe alles zusammen und gehen rechtzeitig zum Kloster um die Lage zu beobachten. Das Museum hat nun geöffnet. Katrin ist angehende Restaurateurin und interessiert sich sehr für die dort ausgestellten Hinterglasmalereien. Das ist ihre Spezialrichtung.

In Alba Iulia haben wir Aufenthalt. Die Zeit nutzen wir um Lebensmittel zu kaufen und Geld zu tauschen. Nächstes Ziel ist Cimpeni, von dort, hoffen wir, noch ein Stück weiter zu kommen. Wir erreichen eine Industriestadt, das muß Zlatna sein. Die Fabrik sieht aus wie nach einem Bombenangriff. Das Einzige, was auf Produktion schließen läßt, sind enorm qualmende Schonsteine. Diese nebeln eine benachbarte Plattenbausiedlung ein. Es gibt kaum befestigte Straßen, dafür spielende Kinder, Hühner, Kühe und Schafe zwischen den nicht sehr viel Optimismus ausstrahlenden Wohnblöcken.

Als dieser Spuk vorüber ist, verschönert sich die Landschaft wieder und wir erreichen bald einen Paß. Der Bus hat sehr zu kämpfen, auf dem ersten Gang geht es aber irgendwie. Wir sehen ein Lager von fahrenden Roma, erst dachte ich, da zelten irgendwelche Pfadfinder. Die haben aber gewöhnlich nicht solche bunten Trachten an. Für uns Mitteleuropäer hat so etwas schon einen Hauch vom Exotischen.

Cimpeni. Diesen Ort habe ich noch gut in Erinnerung. Hier zelteten wir vor zwei Jahren auf einem Sportplatz. Das brauchen wir diesmal aber nicht. Nach etwas Aufenthalt geht es weiter nach Girda de Sus, dem Ziel unserer heutigen Reise. Wir holen noch einige Lebensmittel von einem Markt und machen es uns vorerst am Busbahnhof gemütlich. Wir lassen uns bis direkt vor den Zeltplatz in Girda de Sus bringen.

Die Holzbaracke, die früher als Getränke- und Verpfegungsstützpunkt diente, existiert leider nicht mehr. Das finde ich bißchen schade, nicht daß die Baracke sehr sehenswert gewesen wäre, nein, eher aus nostalgischen Gründen. Auf dem Platz steht jetzt ein Neubau. Dort gibt es natürlich auch alles Lebensnotwendige. Die Omi hinterm Tresen habe ich sofort wiedererkannt. Ihr hatten wir mal 20 DM geschenkt, sie hatte sich damals unheimlich gefreut.

In der Zeltplatzschänke ist Tanz. Wir setzen uns noch etwas auf die Terrasse und gehen bald schlafen. Das Gestampfe geht die ganze Nacht. Zeltwände sind eben doch sehr hellhörig.
 

Donnerstag 4.8.

8.30 Uhr piepst der Wecker. Wir packen die Zelte und Rucksäcke zusammen. Heute soll es mindestens bis zur Eishöhle gehen. Vorher gedenken wir aber noch ordentlichst zu frühstücken. Die Omi hat Morgendienst, wir tragen unsere Wünsche vor, d.h. wir nennen alle uns bekannten rumänischen Worte, die zum Thema Frühstück passen. Irgendetwas scheint sie zu verstehen und verschwindet in die Küche. Wir harren der Dinge. Nach einer halben Stunde kommt die Oma vom angrenzenden Hof mit frischen Eiern. Nach einer weiteren halben Stunde wird eine weiße Tischdecke gereicht und eingedeckt. Das Warten hat sich gelohnt. Es gibt lecker Ei mit Käse, Lauch, Tomaten, Brot und Butter.

Inzwischen ist es fast Mittag und die Sonne metert schon gewaltig vom Himmel hinunter. Unten im Ort kaufen wir noch paar Dinge ein, denn wir wissen nicht wie sich die Versorgung in den Bergen gestalten wird. Hinter Girda de Sus geht es steil bergan. Die schweren Rucksäcke machen uns bei der Hitze ganz schön zu schaffen. Unsere Wasservorräte neigen sich bedenklich dem Ende und auf dem gerade erklommenen Karsthöhenzug gibt es natürlich nichts dergleichen.

Bis zur Eishöhle ist es aber nicht so sehr weit. Unweit existiert eine kleine Ansammlung von Häusern und ein kleiner Laden. Wir kaufen Croissons (das sind in blaue Tüten eingeschweißte Teigtaschen mit Schokoladenfüllung, diese gibt es praktisch überall) und Bier, das gibt es auch fast überall. Wir machen im Schatten Siesta bevor wir uns die Höhle vornehmen. Man muß Eintritt bezahlen und bekommt einige Karbidlampen ausgehändigt. Derart ausgerüstet steigen wir den riesigen Einsturztrichter hinab welcher zur Höhle führt. Es wird mit jedem Schritt merklich kälter und bald stehen wir auf dem gewaltigen Höhlengletscher. Selbst im Sommer ist es da unten so kalt, daß das Eis nicht abtaut. In einer hinteren Ecke geht es noch tiefer, wir steigen eine klitschige Leiter hinunter und erblicken wunderschöne Eisgebilde, ähnlich wie Stalagmiten nur daß die Flüssigkeit eben zu Eis kristallisiert ist. Oben wieder angekommen ist uns vorerst nicht nach Schatten und kaltem Bier zu mute.

Wir überlegen, wie es jetzt weiter gehen soll. Eigentlich könnten wir in der Nähe der Höhle zelten, Wasser zum Waschen wäre aber nicht ganz schlecht. Ich erkunde die Umgebung um einen Bach oder ähnliches zu finden. Nichts, rein gar nichts! Auf dieser Kalksteinhochebene versickert jeder Tropfen sofort im Boden. Vielleicht hätten wir vom Gletscher etwas herausstemmen sollen...

So beschließen wir ins benachbarte Tal abzusteigen, in der Hoffnung, dort einen Fluß zum Baden zu finden. Im Kiosk bunkern wir noch paar Lebensmittel. Der Weg zieht sich sehr in die Länge. Vor allem geht es nicht nur bergab, es sind immer wieder lustige Steigungen eingebaut. Stöhn! Schwitz! Auf halben Hang befindet sich eine kleine Ebene, eine Stück unterhalb ist sich eine Viehtränke. Wir entwickeln aber doch noch den Ehrgeiz bis zum Fluß hinunter zu klettern. Es lohnte sich! Mittlerweile völlig breit kommen wir aus dem Gebüsch herausgekrochen. Vor uns ist ein Haus mit einer schönen Wiese, darum mäandert ein Fluß und wir werden sofort von einer netten Familie in Empfang genommen. Man ladet uns zum Zelten auf ihre Wiese ein nachdem die Kühe weggescheucht wurde. Außerdem zeigt uns die Frau, von wo wir Feuerholz holen können. Ausgesprochen nett.

Als aller erstes gehen wir alle in den wunderschönen Fluß baden. Ohne Staub und Schweiß fühlt man sich wie neugeboren. Dann holen wir die Töpfe, Nudeln, Tomatenmark, Gemüse, Unterwegs-Pilze heraus und bereiten uns ein erstklassiges Abendbrot. Inzwischen brennt das Feuer, es dunkelt und wir bekommen Besuch von unseren liebenswürdigen Gastgebern. Mutter, Vater, Tochter, die restlichen beiden Söhne sind irgendwo in Rumänien unterwegs; arbeiten, studieren usw. Leider geht die Verständigung etwas schleppend, wichtigste Utensilien sind unsere Phantasie und das Wörterbuch. Vielleicht sollte man doch mal ein bißchen Rumänisch lernen. Wir zaubern noch einige Biere aus den Rucksäcken hervor und lassen uns breitschlagen, noch einen Tag zu bleiben und „morgen Abschied zu feiern“.

Im Tal gibt es keinen Strom, das bedeutet, daß auch keine Lampen den Blick auf den tollen Sternenhimmel trüben. Wir sitzen noch eine Weilchen und gehen bald schlafen. Katrin und Kutschi teilen sich die warmen Plätze am Feuer. Beim Einschlafen sinniere ich darüber nach, wie das „Abschied feiern“ wohl gemeint war...
 

Freitag 5.8.

Heute drängt uns rein gar nichts. Wir schlafen aus. Als wir frühstückend auf der Wiese sitzen, kommt die Mutter herbei und bringt uns Kaffee. Es wird wieder sehr warm, so verzieht sich alles in den Schatten. Die ganz große Lust, weite Wanderungen zu unternehmen, hat niemand.

Später kommt die Tochter über die Wiese geweht; mit zwei großen Trinkwasserkanistern in den Händen. Wir deuten ihre Gesten so, daß es da hinten irgendwo frisches Quellwasser geben muß. Schön, notfalls hätten wir uns auch mit dem Flußwasser begnügt.

Gegen Mittag latsche ich mit Roger nach Girda de Sus zurück. Unten im Tal auf der Straße ist es nicht so sehr weit, schätzungsweise 10 km. Der Grund für diese Maßnahme ist akuter Getränkemangel. Dort angekommen, schaffe ich nebenbei noch paar Karten auf die Post und kaufe Briefmarken. So muß eine Poststation um die Jahrhundertwende ausgesehen haben. Alles geht mechanisch, möchte man telefonieren, werden die Drähte mit der Hand gesteckt. Später auf der Dorfstraße betrachte ich mir den gekauften Stapel Briefmarken..., jede mindestens in A5 – Größe, davon müssen 4 auf eine Postkarte. Mmmhm?! Reingefallen. Das wird wohl etwas schwer zu realisieren sein.

Im örtlichen Lebensmittelladen füllen wir einen 60 l Rucksackinhalt mit Bier und anderen lebensnotwendigen Dingen, z.B. Klopapier. Nach getaner Arbeit genehmigen wir uns ein kleines Päuschen in der Dorfkneipe. Dort gibt es alles was das Herz begehrt; kaltes Fassbier, alkoholische Getränke sowieso - in rauen Mengen. Sogar unsere Frage nach was Essbaren wir mit Ja beantwortet. Wir verdrücken uns mit zwei georderten Bieren in eine gemütliche Ecke. Nach einer Weile hält die Frau eine Wurst aus der Küche heraus. Zwei für jeden, gebe ich ihr in meinen jugendlichen Leichtsinn zu verstehen. Nach einer Weile werden uns die riesigen fetttriefenden Teile serviert. Wir stopfen alles in uns hinein und müssen mit einer zweiten Runde Bier nachspülen.

Es ist Mittag und die Kneipe fast leer. Die einzigen Gäste außer uns sind zwei Polizisten, die selbstverständlich auch an ihren Halben sitzen. Hin und wieder steht mal einer auf um nachzusehen ob auf der Dorfstraße alles in Ordnung ist. Es ist!

Der Rückweg wird zur Tortur. Draußen sind mittlerweile 40°C und nach den dicken Würsten, dem Bier und mit dem Rucksack läuft die Brühe literweise. Im Magen machen sich mittlere Völlegefühle breit. Hinzu kommt, daß sich eine Pulle Bier verabschieden möchte, d.h. der Deckel klemmt nicht richtig. Diese muß nun leider vorzeitig getrunken werden. Die Straße ist praktisch verkehrsfrei, mit Trampen ist da nicht viel. Die letzten drei Kilometer haben wir aber doch Glück – ich wollte gerade Roger den Rucksack wieder übergeben (Zähneknirsch!) – da hält ein Transporter. Wir springen hinten auf, werden ordentlich durchgeschüttelt. Auf der Ladefläche rutscht ein verschmiertes Getriebeteil in einer Öllache hin und her. Egal, wir brauchen nicht mehr laufen.

Katrin und Kutsch haben sich die Zeit mit Lesen vertrieben, durften sich auch mal das Haus der Familie ansehen. Das Ursprüngliche war 1995 abgebrannt. So haben wir einen Neubau vor uns. Innen soll alles einfach aber sehr geschmackvoll anzusehen sein. Viele schöne Tücher und Stoffe an den Wänden und Möbeln. Uns blieb das leider verwehrt.

Den Tag passiert nicht mehr viel. Ich bin immer noch pappesatt. Als das Feuer wieder brennt, gesellen sich Mutter und Tochter zu uns und reichen leckeren Brotaufstrich, Honig und Milch. Wir holen die Biere aus dem Wasser und es entwickelt sich ein recht geselliger Abend. Der Vater sitzt allerdings in der nächsten Kneipe, weil, es ist Freitag Abend. Dieser hat offensichtlich in der Familienhierarchie sowieso nicht viel zu melden. Die Frau hat eindeutig die Hosen an, das war am Vorabend schon zu merken. Dem Ämsten wurde unser mitgebrachtes Bier förmlich aus der Hand gerissen. Na ja, sie wird ihre Gründe haben. Ich versuche, zu erzählen, daß ich vor zwei Jahren schon mal in Rumänien war, wo wir gewesen sind usw. Auf einmal bricht große Freude aus. Man deutet meine Ausführungen in der Weise, daß ich die Familie in zwei Jahren wieder besuchen werde. Darüber hatte ich allerdings noch gar nicht nachgedacht... Als ich das Missverständnis auflöse, ist man sichtlich enttäuscht. Als Trost verschenke ich eine Landkarte von Rumänien. Das Wörterbuch ist auch sehr begehrt, muß aber nun wirklich bei uns bleiben.
 

Samstag, 6.8.

Unser heutiges Ziel ist die Cabana Padis. Wir stehen nicht so sehr spät auf, es ist schon wieder sehr warm. Packen und frühstücken geht sehr zügig voran. Nicht zuletzt, weil Milliarden kleinste schwarze Fliegen umherfliegen. Diese tun einem zwar nichts direkt, kriechen aber in alle Löcher und Ritzen und das ist auf die Dauer etwas unangenehm.

Zuerst geht es immer das sehr lang gezogene Tal hinauf. Die Landschaft ist nicht so sehr spektakulär. Es ist warm. Wir machen oft Rast. Kutschi hat einiges an Müsli und Trockenmilch eingepackt. Katrin hält gerade die Körnertüte in der Hand, ist durch irgend etwas abgelenkt, macht eine ruckartige Bewegung und verstreut alles auf dem Weg. Fleißig liest sie alles wieder ein, also Haferflocken, Knusperzeug, Getreidekörner, Rosinen und irgendwelche Partikel, welche Rosinen sehr ähnlich sehen. Sehr bald fällt ihr aber die leicht abweichende Konsistenz auf... Das Gelächter ist sehr groß.

Langsam gelangen wir aus dem Tal hinaus, linker Hand befinden sich einige große Höhlen. Es ist aber schwer heranzukommen und außerdem ist unsere Motivation für ausgiebige Besichtigungen nicht gerade groß. Bald weichen die Bäume und wir laufen über eine sanft gewellte Hochebene. Vor uns liegt eine typische Karstlandschaft. Kahl, trocken, wenige Bäume, Einsturztrichter in der Kalksteindecke, welche wie Bombentrichter aussehen. Die Vegetation ist durch Pferde- und Schafherden stark dezimiert. Immerhin ist jetzt die Landschaft übersichtlicher. Bald darauf sehen wir unser Ziel, die Cabana Padis. Kutschi ist nicht mehr zu halten, offensichtlich hat er großen Durst.
Zur Cabana führt aus westlicher Richtung eine Straße und wir bekommen es mit den Auswüchsen des rumänischen Massentourismus zu tun. Die eigentliche Anwesen besteht aus vielleicht vier Häusern, davon zwei Kneipen, die man mit etwas guten Willen rein versorgungstechnisch durchgehen lassen kann. Ringsherum massenhaft Zelte, Dacias, Pfadfinder-, Romalager und andere Behausungen. Tierherden. Hirten. Stinkende milchige Rinnsale. Müll.

Wir setzen uns auf eine Terrasse und gestatten uns ein paar Zielbiere. In der Baude gibt es Wodka in Halbliterpfandflaschen. Das beeindruckt uns. Auf dem Hof nehmen zwei  Büffel einen Müllkontainer auseinander. Kutschi kommt vom Klo zurück und verkündet, daß er so etwas überhaupt noch nicht gesehen hätte... Mein Interesse war nun ebenfalls geweckt. Nähere Beschreibungen an dieser Stelle verkneife ich mir, sie würden sowieso nicht durch der Zensur standhalten.

Wir finden einigermaßen annehmbare Plätze für unsere Zelte. Beim Aufbau mache ich mir so meine Gedanken, daß man hier ziemlich weit laufen muß, wenn man mal wirklich mal richtig müssen muß. Auch hier gibt es kaum niedrige Vegetation, geschweige den Sträucher oder Büsche. Der Waldrand ist einen Kilometer entfernt. In der Nähe der Cabana thront ein Berg, genannt Biserica Motului. Kutschi und ich müssen da unbedingt noch rauf, oben ist eine Art hölzerner Aussichtspunkt, es weht die rumänische Flagge. Irgendwie hatten wir noch eine blöde Idee, vielleicht hätten wir dann aber Ärger bekommen... Die Umgebung ist eigentlich sehr schön, vom Gipfel genießen wir einen wunderschönen Sonnenuntergang und uns wird wieder etwas romantischer.

Bei den Zelten existiert eine Feuerstelle mit ein paar sehr spärlichen Holzresten. Trotzdem entfachen wir ein recht ansehnliches Feuer und werten gerade so den Tag aus als sich ein Rumäne aus der Nachbarschaft mit einem richtigen Holzstapel zu uns gesellt. Dieser ist uns sehr willkommen. Er erzählt, daß er im Sommer durch das Land reist und mit seiner Flöte Musik macht. Im Winter wohnt er bei seinen Eltern. Es wird wieder sehr spät. Nachts pilgert viel betrunkenes Volk über die Wiesen, in der Morgendämmerung scharren, flüstern und fressen Pferde, Kühe; Hunde, Ziegen und was weiß ich noch alles für Getier vor den Zelten. Meistens liege ich wach, manchmal schlafe ich auch ein bißchen.
 

Sonntag, 7.8.

Irgendwann schäle ich mich aus dem Zelt heraus. Nanu, Roger und Kutschi sind schon wach...  Sie verkünden, daß ihre Wanderschuhe aus dem Vorzelt verschwunden sind – also geklaut. Die beiden machen nicht unbedingt einen fröhlichen Eindruck. Es ist gegen Neun, die Kneipe hat noch zu. Wir schweigen uns schlechtgelaunt eine Weile an, irgendwann laufen wir zur Kneipe hoch um zu frühstücken. Dort sind fettige Würste, Brot, Senf und natürlich jede Menge Alkohol zu bekommen. Wir quälen uns etwas Eßbares hinein. Wie es nun weitergehen soll, bleibt erst einmal ein Tabuthema. Klar ist, daß mit Trekkingsandalen im Gebirge kein Blumentopf zu gewinnen ist.

Eigentlich wollten wir heute gemeinsam eine Höhle suchen gehen, Roger und Kutschi ziehen es aber vor, sich in der Nähe der Cabana bißchen zu besaufen.

So ziehen Katrin und ich allein los. Unser Ziel ist Cetatea Radesei, eine tunnelförmige  Höhle, welche man angeblich ohne weitere lampentechnische Hilfsmittel durchwandern können soll. In der Höhlendecke befinden sich einige sogenannte Schornsteine zur Außenwelt, diese sollen etwas Licht spenden. Wir sind gespannt.

Wir laufen also los, ich vergesse bald das Vorgefallene. Wir quatschen über Gott und die Welt, sind etwas unkonzentriert und laufen vorerst in eine völlig falsche Richtung. Irgendwann finden wir dann aber den richtigen Weg bzw. es wird eher eine Straße. Plötzlich steht vor uns eine Art kleiner Lieferwagen, der nicht so richtig anspringen möchte. Wir helfen beim Anschieben, bald darauf läuft der Motor. Wir springen auf und dürfen bis zur nächsten Weggabelung mitfahren. Uns gegenüber sitzt ein freundlicher kleiner Junge, dieser bietet uns Studentenfutter an.

Unser spärlichen aus dem Internet gezogenen Karten bieten nicht unbedingt die besten Informationen, so haben wir bald das Gefühl, uns schon wieder verfranzt zu haben. Der Weg führt immer weiter bergan und Höhlen, welche von einem Fluß geschaffen sein sollen, sind gewöhnlich im Tal. So bei unserem größten Zweifeln kommt uns eine Erscheinung entgegen. Ein Hirte ohne Herde, dafür mit einem Hund undefinierbarer Rasse und einem sehr eigenen Geruch nach Alkohol, Schweiß und Knoblauch. Er beschaut sich unsere Karten, weiß offensichtlich mit jedem eingezeichneten Namen etwas anzufangen, freut sich jedesmal sichtlich, kann uns aber letztendlich nicht so richtig weiterhelfen. So nehmen wir die Dinge auch weiterhin selber in die Hände und laufen einen markierten Weg talwärts. Wir denken schon, jetzt kann nichts mehr passieren weil aller zwei Meter ein roter Punkt irgendwo angemalt ist. Irrtum. Nachdem das alles eine ganze Weile gutging, gelangen wir an eine Kreuzung wo auf einmal 4 rot bepunktete Wege in verschiedene Richtungen abgehen. Ominös! Wir latschen natürlich wieder den falschen Berg rauf, bis uns auffällt, daß der Planet irgendwie auf der falschen Seite steht. Wir tragen es mit Humor, die Sonne steht noch hoch.

Also wieder zurück, neuer Versuch und siehe da, 100 Meter hinter der Kreuzung kommt ein Wegweiser mit eindeutigen Hinweis auf die gesuchte Höhle. Außerdem plätschert ein schöner kleiner aber eiskalter!! Wasserfall ins Tal. Baden!

Gestärkt und höchst motiviert erkunden wir das eigentliche Ziel. Die Höhle ist ungefähr 300 Meter lang, wir laufen vorerst über den Berg um auf die andere Seite zu gelangen. Und wirklich, von oben kann man stellenweise in die „Schornsteine“ hinein blicken. Sehr beeindruckend. Der andere Eingang ist schnell gefunden, er hat die Gestalt eines großen Pilzes. Nach ein paar Dutzend Metern müssen wir leider passen. Hinter einer Kurve wird es stockfinster und wir müßten ein Stück hinunter klettern. Da fehlt dann doch eine vernünftige Lampe. Das lassen wir lieber.

Der Rückweg ist problemlos. Wieder an der Cabana angekommen, finden wir an den Zelten die Anderen. Sie lernten in der Zeit eine Gruppe Rumänen kennen, BWL-Studenten aus Bukarest. Wir sind am Abend an ihr riesiges Feuer eingeladen, dafür wurde ein schon gigantisch großer Holzkegel aufgeschichtet. Erst einmal haben wir aber Hunger. In der zweiten Kneipe kann man sogar zwischen mehreren Gerichten wählen, das teuerste kostet 25.000 Lei, also 2,50 DM. Dafür entscheiden wir uns auch: leckerer Schweinebraten mit Kartoffelmus und viel Knoblauch.

Bald wird die Frage wieder gestellt, nach dem Wie weiter. Roger und Kutschi haben beschossen, nach dem Süden zu pilgern, sich also in Siebenbürgen noch ein paar Kirchenburgen anzusehen. Das stößt nicht unbedingt auf Gegenliebe. Als Kompromiß schlagen sie vor, daß wir uns gemeinsam vorher noch einige Moldauklöster im Osten ansehen könnten. Schade, aber geht wohl nicht anders. Also O.k.

Man hat wahrscheinlich schon etwas mehr Detailplanung geübt, als weiteres schlagen sie vor, gemeinsam mit den Rumänen in Richtung Huedin (Norden) aus dem Gebirge heraus zu wandern. Von dort soll man dann recht gut in Richtung Moldauklöster fahren können. Auch o.k. So bleiben für Katrin und mich danach noch eine reichliche Woche für eventuelle Gebirgsexpeditionen...

Um nicht mit ganz leeren Händen am Feuer zu erscheinen, fassen wir noch eine Kiste Bier. Das Feuer brennt schon, nicht schlecht. Zwei oder drei von den Rumänen sprechen ganz gut Englisch, so funktioniert die Verständigung recht gut. Sie kommen gerade von einem Folklorefest in Sighisoara, sie sind alle schwer begeistert und wollen nun noch bißchen im Bihor - Karst ausspannen. Klar, warum nicht.

In der Nachbarschaft  wird irgendwo ungarisch gesprochen. Ich bemerke, daß sogar Ungarn in diesen Landstrich fahren, werde aber belehrt, daß das eigentlich keine richtigen Ungarn sind, sondern ungarischstämmige Rumänen. Hätte ich auch allein darauf kommen können... Sie würden bevorteilt gegenüber den Rumänen, hätten Beziehungen, seien korrupt usw. Ich könnte meine P.C. Harvey CD´s verwetten, wenn ich rübergehen würde um die Ungarn zu befragen, sie würden das gleiche von den Rumänen behaupten. Schöne Scheiße, bei solchen Äußerungen bin ich immer sehr vorsichtig und halte mich mit meiner Meinung lieber zurück. Da fehlt einem sowieso meistens der Einblick in die wirklichen Probleme des Landes. Aber wahrscheinlich ist es doch überall das gleiche, alte Feindbilder werden über Generationen hinweg vererbt.

Trotzdem wird es ein sehr stimmiger Abend, später werden dann Kartoffeln im Feuer geröstet. Unsere rumänischen Freunde sind da wahre Profis, es schmeckt hervorragend. Ganz bis zum Morgen bleibe ich nicht und verziehe mich irgendwann ins Zelt.
 

Montag, 8.8.

Gegen 9 Uhr stehen wir auf, bei den Rumänen drüben ist es noch sehr ruhig. Ich hatte irgend etwas von 50 km bis nach Huedin gehört. Egal, mich befällt wahrscheinlich nur schon wieder eine typisch deutsche Hektik. Offensichtlich gibt es für alles eine Lösung.

Gegen 10.30 Uhr sind wir mit Packen und Frühstück fertig. Bald darauf geht es los. Wir sind eine sehr ansehnliche Truppe von insgesamt ca. 15 Leuten. Mir fällt die Ausrüstung der Rumänen auf, superschwere Zelte mit Stahlstangen, dafür haben sie ihre Rucksäcke auf das Notwendigste reduziert, neben Schlafsack oder Decke und Pullover scheint da nicht viel enthalten zu sein. Wir mit unseren großen Rucksäcken fallen da schon bißchen auf, o.k. sind ja auch 3 Wochen unterwegs. Trotzdem Respekt! Die Mädchen sind bißchen so angezogen, als würden sie zum Strand unterwegs sein. Aber das richtige Improvisationstalent unserer Begleiter sollten wir erst noch kennenlernen.

Anfangs geht es eine ziemlich öde Straße hinunter. Es ist warm und es gibt kaum Gelegenheiten unsere Trinkflaschen aufzufüllen. Manchmal machen wir eine Pause. Der Kleinste der Gruppe, er ist vielleicht 14 Jahre, läßt sich bei jeder Rast auf den Rücken fallen und liegt da wie ein toter Kartoffelkäfer.

Nach ca. 15 km erreichen wir eine Ansammlung von Häusern. Hoffnung keimt auf, etwas Trinkbares und vielleicht sogar etwas Eßbares aufzutreiben. An einer Weggabelung entdecken einen Hinweis auf eine Art Kneipe (in der Nähe muß eine Talsperre sein, deshalb hat man hier wohl eine Pension gebaut). Wir also nichts wie hin, einige bleiben bei den Klamotten. Nach Bier und Keksen sieht die Welt wieder viel besser aus.

Inzwischen hat einer mit dem Fahrer eines Holzfällerautos verhandelt, wir können bis ins nächste Dorf mitfahren. Das freut uns sehr. Das Fahrzeug sieht einigermaßen vertrauenerweckend aus. Wir finden alle auf der überdachten Ladefläche Platz, wir quetschen uns und die Rucksäcke zwischen Gerümpel, Seile, Baumstumpen, Werkzeugkisten. Einer geht herum und sammelt von jeden 5000 Lei Spritbeteiligung ein. Rumänisch reisen.

Los geht’s. Wie überqueren einen Paß, ab und zu wird gehalten, einige Besorgungen müssen getätigt werden. Am Weg lagern Roma, fernab jeglicher Folklore!

Langsam lassen wir die Berge hinter uns. An einer Kreuzung müssen wir aussteigen, bis Huedin sind es jetzt nur noch ca. 15 km. Wir gehen ein Stück bis zum nächsten Dorf. Neben der Kneipe befindet sich eine Bushaltestelle. Es ist inzwischen später Nachmittag geworden. Mir ist alles völlig egal. Ich fühle mich sauwohl. Es ist Sommer, ich bin in Rumänien. Auf der Straße fahren Pferdewagen herum. Wir machen Picknick, einige unserer Freunde bringen Obst heran; Zwetschgen, Äpfel, Pflaumen. Kutschi treibt sogar Speiseeis auf. Man amüsiert sich über bestimmte Bedeutungen im Wörterbuch. Hier hätte ich noch eine Woche bleiben können...

Irgendwann bleibt wieder ein Fahrzeug stehen und fährt uns bis nach Huedin. Dort angekommen, möchte der Fahrer nicht unbedingt vor der Polizeistation halten und fährt noch ein Stück weiter. Nun ist aber endgültig Schluß. Wir laufen am Bahnhof vorbei, um nachzusehen, ob und wenn ja, wann den nächsten Tag ein Zug in Richtung Osten fahren. Es fährt. Auf unserer großen Straßenkarte ist ein Fluß eingezeichnet. Wir beschließen dort zu zelten. Das Einkaufen übernehmen heute die Rumänen, an einem Eckladen gibt es alles Notwendige. Schwer bepackt laufen wir aus den Städtchen heraus in Richtung Fluß. In einer Gasse warnen uns Rumänen vor Roma, so klettern wir doch lieber hinter einem Bahndamm einen Hügel hinauf. Von dort ist die Umgebung wunderbar einzusehen, ein riesige Ebene mit den Bergen im Hintergrund. Sehr schön. Wir stellen die Zelte hufeisenförmig auf, offensichtlich hat man doch sehr großen Respekt vor den Roma. Vorerst laufen wir aber noch mal zum Bahnhof zurück um eine Notwaschung durchzuführen und paar Getränke zu organisieren.

Danach wird es richtig gemütlich, wir gruppieren unsere Isomatten und uns um ein Stück Wiese, darauf stehen schöne Leckereien: Wurst, Sardinenbüchsen, Brot, Käse, Tomaten, Knoblauch... also kurz gesagt, alles was das Herz begehrt. Hinter uns in Reichweite die Zelte. Der Chef von unseren Freunden – ein Bärtiger – ist bißchen sehr nervös, meistens steht er oder kauert und leuchtet mit seiner Taschenlampe die Umgebung ab. Vielleicht zu Recht.

Irgendwann muß Kutschi mal pinkeln – es ist noch zu erwähnen, daß er sich paar lustige Glöckchen ans Hosenbein genäht hatte... Er stiefelt also los, in der Nacht ist das Gebimmel meilenweit zu hören, prompt schlagen sämtliche Hunde der Umgebung an. Oberhalb unseres Lagers befindet sich ein Schafgehege. Die Hunde müssen annehmen, daß eine Schaf ausgebüchst ist und kommen den Hang herunter gefegt. In respektvoller Entfernung von den Zelten verharren diese, machen dafür aber um so mehr Lärm. An Schlaf ist dann erst einmal nicht zu denken.

Ich schlafe aber trotzdem ein, bin aber bald darauf wieder wach. Es donnert und blitzt – ein schweres Gewitter. Das volle Programm. Auf einmal gibt es einen mörderischen Hieb, ich schwebe bestimmt für Bruchteile von Sekunden einen halben Meter über dem Zeltboden. Ein Blitz schlug wohl in die Gleise ein. Schön, daß er sich die tiefste Stelle gesucht hat. Früh erzählt mir Katrin, sie hätte von all dem nichts mitbekommen. Menschen gibt es...
 

Dienstag, 9.8.

In der Dämmerung regnet es immer noch. Ein Zug soll gegen 9 fahren, wir müssen uns also sputen. Leider ist ringsherum alles Nebel verhangen. Wir schleppen uns zum Bahnhof und stellen fest, daß der Zug eine Stunde später geht. Da konnte wohl jemand keinen Fahrplan lesen... Egal, bleibt noch Zeit für ein Käffechen. Die rumänischen „Schnellzüge“ sind alle platzkarten- und zuschlagpflichtig. Das kostet nicht viel und man erspart sich eine Menge Streß und Nervereien. Platzkarten bekommen wir aber erst in Cluj-Napoca. Wir wechseln also noch einmal ein Abteil. Uns gegenüber sitzt eine sehr ärmliche Familie mit einem vielleicht fünfjährigen Jungen, des Vaters Gesicht – unbestimmten Alters – ist stark vom Alkohol gezeichnet. Die Eltern  sprechen stundenlang kein Wort.

So nach und nach steigen unsere Begleiter aus, viele müssen in Richtung Brasov bzw. Bukarest. Wir versprechen uns gegenseitig, in Verbindung zu bleiben. Ich schlafe die meiste Zeit, draußen gibt es nicht viel zu sehen außer schlechtem Wetter und Nebel. Da wir in die Bukowina unterwegs sind, müssen wir irgendwann über den Karpatenpaß südlich des Rodnagebirges. Sehr viel Pässe gibt es nicht, außerdem ist die ukrainische Grenze nicht weit. Wahrscheinlich aus dieses Gründen ist jede Brücke und jeder Tunnel militärisch stark gesichert.

Nach etwa 8 Stunden Zugfahrt kommen wir in Gura Humorului an. Der Ort ist eher belanglos, bietet aber geographisch einen ganz guten Ausgangspunkt für die Besichtigung einiger Moldauklöster. Die ganz großen Abenteuer sind erst einmal vorbei. Das Wetter ist wieder besser geworden. Wir finden ein kleines Hotel, 10 DM pro Person, warme Dusche auf dem Gang. Das ist uns alles sehr willkommen.

Dann gehen wir auf Ortsbesichtigung..., der Ort ist wirklich nicht groß, dafür gibt es ein riesiges Hotel – noch im Rohbau – mindestens 15 Etagen, ebenso breit wie hoch. Die Planer haben sich bestimmt ihre Anregungen aus „sozialistischen“ Zeiten geholt. Vielleicht ließ aber auch Franco grüßen. Aber eigentlich suchen wir eine Kneipe, wo man auch etwas zu Essen bekommt. Das ist nicht einfach. Es gibt ein Restaurant, mit weißen Tischdecken, Servietten, Unmengen an korrekt gekleideten Kellnern – das ist uns aber nicht standesgemäß. Roger ist da anderer Meinung, letztendlich aber überstimmt. So landen wir wieder im Hotel, dort in der Kneipe wird uns eine rumänische Spezialität empfohlen: Fleischbällchen aus Schweine- und Hammelfleisch. Das schmeckt ganz gut. Wir gehen zeitig schlafen.
 

Mittwoch, 10.8.

Heute ist also die Besichtigung mindestens zweier Klöster vorgesehen. Vorerst ist uns aber nach Frühstück. Im Hotel ist nichts zu bekommen, so machen wir einen Ausflug auf den nahegelegenen Lebensmittelmarkt. Käse, Brot, Tomaten und Milch sind schnell gefunden. So bepackt, gehen wir in das nächste Stehcafe, laden alles auf einen Ecktisch und organisieren noch paar heiße Kaffes. In Deutschland wären wir wohl raus geflogen, in Rumänien aber stuft man uns deshalb nicht gleich als geschäftsschädigend ein. Es hätte sowieso nichts zu essen gegeben...

Die Klöster gehören zum Weltkulturerbe und stehen unter dem Schutz der UNESCO.

Zu den Klöstern fahren kaum Busse, deshalb machen wir uns so auf die Socken. 5 km bis zum Kloster Humorului sollen kein Problem darstellen. Nach einiger Zeit hält aber netterweise ein Pferdewagen, die einladende Geste der Kutscherin ist nicht zu mißdeuten. Schneller geht es nun auch nicht weiter, das Pferd trottet ganz gemächlich die leicht ansteigende Straße hinauf, aber egal, schön ist trotzdem, so mitgenommen zu werden. Die Frau ist sicher von dem Dorf, wodurch wir gerade gefahren werden, kennt so natürlich jede Gestalt hinter jedem Zaun. Grüßt und deutet mit einer stolzen Geste zu uns hinter. So leicht kann man den Leuten hier eine Freude machen... durch pure Anwesenheit.

Das Kloster Humorului ist ein Nonnenkloster, ringsherum befindet sich eine hohe Mauer mit einem Wehrturm. Leider sind die Malereien auf der Wetterseite nicht sonderlich gut erhalten.

Zurück nach Gura Humorului trampen wir auf die klassische Art, von dort spazieren wir zum M. Voronet. Auf einem Parkplatz ist schon etwas mehr touristischer Zierrat zu erwerben, folkloristische Kleidung, Töpferwaren, Tierfelle, Bratwurst, Coca Cola, Bier... An der Klosterpforte müssen alle mit etwas zu legererer Kleidung, also kurze Hosen, trägerloses Hemd usw. ein Art Kartoffelsack überstülpen.

Ich persönlich finde das Kloster viel ansehnlicher. Die Malereien innen sowie außen sind wunderbar erhalten, strahlen sehr viel orthodoxe Mystik aus. An einem Giebel ist das gesamte Jüngste Gericht dargestellt. Man gibt sich auch sehr viel Mühe mit der Erhaltung, vieles wurde restauriert. Bereits verlorene Bereiche der Malerei sind wiederhergestellt worden. Und zwar so, daß man nur bei sehr genauen Hinschauen einen vagen aber doch deutlichen Unterschied zu den Originalfassungen sieht (Charta von Venedig). Mit etwas Abstand bleibt aber der Gesamteindruck erhalten.

Im nahegelegenen Dorf machen wir Rast, Büchsenfleisch mit Brot, sonstige Lebensmittel gibt der Laden außer vielleicht Keksen, gelber Brause, und natürlich Bier und Schnaps nicht her. Kutschi versucht eine Gurke an einem Gaul zu verfüttern, dieser schaut uns ziemlich fragend an, kaut noch ein Weilchen darauf herum und spuckt den ganzen Kram wieder aus. War wohl nicht so lecker?!

Die abendliche Kneipensuche ist auch an diesen Tag nicht so erfolgreich. So machen wir mit unseren Rucksackinhalten Tacheles, und verspeisen alles Genießbare, was diese hergeben. Es sollte reichen.
 

Donnerstag, 11.8.

Ein Kloster steht noch auf dem Plan, nicht in Gura Humorului sondern in Putna – unmittelbar an der ukrainischen Grenze. Am Vorabend hatten wir herausgefunden, daß wir mit dem Bus bis nach Radauti fahren können. Von dort soll es mit dem Zug bis nach Putna gehen. Wir sind optimistisch und guter Dinge, die Sache hat nur einen Haken, wir müssen 6.30 Uhr am Bus sein. Wir sind überpünktlich, so bleibt Gelegenheit vorher noch in einem Cafe brasilianische Pseudo-Psychoserien anzusehen, selbstverständlich rumänisch eingesprochen.

Der Bus fährt über interessante moldauische Dörfer, durch sanfte Hügellandschaften, Menschen steigen ein und aus, sicher wollen sie auf Arbeit oder auf Märkte, viele sind schwer bepackt. In Radauti ist ein bißchen Zeit nachdem wir den Bahnhof gefunden haben. Wir schlendern über einen Markt, nehmen ein zweites Frühstück und finden uns bald darauf wieder auf dem Bahnsteig ein. Großes Geschiebe, massenhaft Leute mit Säcken, Tieren und großen Taschen. Das kann heiter werden. Richtig, wir befinden uns an der ukrainischen Grenze, da wird bestimmt gehandelt. Geschoben, geschmuggelt und feilgeboten was das Zeug hält. Das erklärt natürlich alles. Wir quetschen uns irgendwie in den Zug mit rein und kommen völlig verschwitzt, staubig, durstig und ganz leicht genervt aber immerhin schon gegen Mittag in Putna an.

Wir machen keine großen Experimente und packen unsere Klamotten auf den erst besten Camping, weg kommen wir heute sowieso nicht mehr von hier. Eine große, leicht marode Villa empfängt uns mit paar Hütten ringsherum, einem Waschbecken und Plumsklos. Also das übliche. Egal. Für eine Hütte bezahlen wir 100.000 Lei, das geht in Ordnung. Zwei Pritschen, in der Mitte aber genug Platz um noch zwei Schlafsäcke auszurollen.

Nach einer kurzen Erfrischung marschieren wir zum Kloster, dieses kann mit den beiden anderen auf keinen Fall mithalten, keine Malereien dafür ein Museum mit allen möglichen historischen und bestimmt ausstellungswerten Plunder aus der moldauische Klostergeschichte. Kutschi hat wohl den Hals voll und setzt sich auf eine Vortreppe bis unsere kulturelle Neugier befriedigt ist.

Auf dem Rückweg finden wir ein nettes kleines Restaurant, nicht ganz billig, aber nach der kulinarischen Abstinenz der letzten Tage uns sehr willkommen. Wir lassen auftafeln. Es gibt Suppe, Fleisch, Bratkartoffeln, alles liebevoll und sehr fettig zubereitet und mir sollte alles noch Tage später schwer im Magen liegen...

Danach rasten wir noch etwas auf einer Wiese und nehmen so Anlauf für ein paar weitere Besichtigungen im Ort und der Umgebung. Das eigentliche Interessante an Putna ist eine hervorragend erhaltene Holzkirche aus dem 13. Jahrhundert, wohl die älteste in Rumänien. Wunderschön! Ich streife sehr andachtsvoll um die Kirche, berühre die alten Hölzer. Ringsherum befindet sich ein sehr schöner orthodoxer Friedhof. Bald darauf kommt eine Frau und schließt uns aus, für ein paar Lei dürfen wir das Innere besichtigen. Die Frau erzählt etwas über Baugeschichte und –stil, gibt noch paar sakrale Anekdoten zum besten. Alles auf französisch, Katrin – unser Multisprachtalent - übersetzt so gut wie es geht.

Etwas außerhalb soll sich gerüchteweise die Hütte eines Einsiedlermönches befinden. Nach einer Weile geben wir die Suche aber auf, trotzdem war der Spaziergang sehr schön: es ist wohl gerade Hauptverkehrszeit, um diese Stunde kommen viele Fuhrwerke mit Holz aus den Waldkarpaten, obwohl die Abholzung mehr oder weniger illegal sein soll. Vor einer Kneipe macht alles halt, wahrscheinlich genehmigen sich die Kutscher erst einmal ein paar Stogramm nach getaner schwerer Arbeit. Das ist auch für uns das Stichwort, langsam wieder zurück zu wandern. Kutschi hatte keine Lust mitzukommen, wir treffen ihn aber schon auf der Dorfstraße. Wir kaufen ein paar Salatzutaten, Brot und trinken nun auch endlich mal einen Pflaumenschnaps... Das sorgt für Entspannung im Magen. Den Rest des Abends verbringen wir vor der Hütte,  wir verspeisen einen leckeren Salat und philosophieren bißchen über den ersten Teil des Urlaubs, schmieden ein paar Pläne. Morgen wollen wir uns nämlich trennen. In der Nachbarschaft erklingt aus einem Dacia rumänische Volksmusik, sehr, sehr schnell und impulsiv vorgetragen. Ich lasse mir alles aufschreiben, habe aber blöderweise das Zettelchen verloren. Also, falls jemand ein Lesezeichen mit hastig aufgekritzelten rumänischen Wörtern benutzt..., unbedingt bei mir abgeben!!!
 

Freitag, 12.8.

Falls jemand denkt, wir wären gestern zeitig aufgestanden..., alles Blödsinn. Heute klingelt der Wecker mal um Vier. Fünf Uhr fährt der Zug, anders ist hier mit vertretbaren Aufwand nicht wegzukommen. Wir raffen also mal wieder alles zusammen, zum Glück brauchen wir keine Zelte abzubauen. Wir sitzen pünktlich im Zug. Langsam dämmert es, ich schlafe die nächsten zwei Stunden aber durch. Bis Suceava sind wir noch zusammen, der Nordbahnhof ist der große Umsteigebahnhof, fast wären wir zu weit sitzen geblieben. Roger und Kutschi fahren nun in Richtung Brasov weiter, Katrin und ich ins Rodnagebirge.

Für Platzkarten war die Zeit zu knapp. Das Abteil wird gesteckt voll, eine ältere, sehr matriarchalisch wirkende Frau nimmt sofort das Zepter in die Hand und verweist alles – sowohl Menschen als auch Gepäck auf die Plätze. Wir wollten uns schon verdrücken, passen aber trotzdem noch gut ins Abteil hinein. In Rumänien ist man es wahrscheinlich gewohnt, beengt zu reisen. Schade, daß wir keine uns verbindende Sprache sprechen, die Frau hätte bestimmt einiges zu erzählen gehabt. In der Ecke sitzt ein junger Mann mit seiner schwangeren Frau und zwei riesigen schrankwandartigen Kisten. Irgendwann zaubert er Heiligenbilder mit bunten Lauflichtern und Uhren hervor und es gelingt ihm sogar im Zug einiges zu verticken. Wir haben das gleiche Reiseziel – Ilva Mica. Mit vereinten Kräften gelingt es uns, am richtigen Bahnhof auszusteigen.

Von dort möchten wir weiter nach Rodna, einem wie es uns scheint, etwas touristisch ausgebauten Ort am südlichen Ausläufer des Rodnagebirges. Weit gefehlt! Von dort wollen wir jedenfalls eine viertägige Kammwanderung bis nach Borsa im Nordwesten wagen. Vorerst fahren wir aber mit einem Sammeltaxi bis nach Rodna, der Fahrer macht einen ordentlichen Schnitt; 50000 Lei für zwei Personen und die paar Kilometer.

Auf die Frage nach einem Hotel wird auf einen 5 geschossigen Stahlbetonbau gewiesen. Warum nicht! Bis auf ein paar Löcher im Dach und mehreren Grünpflanzen an der Traufe sieht der Klotz ganz passabel aus. Die Rezeption ist mit Sperrmüll zugestellt. Dafür gibt es eine Kneipe, meine Frage ob ein Zimmer frei ist wird bejaht, die Frage nach dem Preis erübrigt sich. Es kostet nichts weil kein Wasser auf den Zimmern ist. Die Kellnerin führt uns in einem stockfinstern Treppenaufgang nach oben, schießt eine winziges Vorhängeschloß an einer Etagentür auf, macht ein erstes Zimmer ganz schnell wieder zu... findet aber schließlich etwas für uns. Wir dürfen den Schlüssel für die ganze Etage behalten, weiter gibt es nichts zum verschließen, wir sind auch die einzigen Gäste – zumindest auf dieser Etage. Im Zimmer stehen zwei bezogene Betten (Schlafsäcke ausrollen ist wohl trotzdem sehr angebracht!), etwas Möbelar, viel Staub, Spinnweben, was sich hinter der Badezimmertüre verbirgt, ist ab sofort tabu... Es gibt aber einen Balkon. Schön, daß hätten wir also. Ich sehe Katrin etwas skeptisch an, sie bekommt aber regelrechte Freudenausbrüche. Das ist gut so. Nach einigen Minuten bringt die Kellnerin noch einen Wassereimer mit Schüssel.

Im Ort befinden sich ein oder zwei Läden und paar Wirtshäuser. Wir machen einen Spaziergang die Dorfstraße entlang, hauptsächlich eigentlich um eine geeignete Badestelle zu finden, nach paar Kilometern sieht das Wasser aber immer noch sehr milchig aus. So kehren wir eben wieder um. Für die Tour müssen wir ordentlich einkaufen. Es gibt im Rodna keine bewirtschafteten Hütten, wir kaufen also Brot, Nudeln und Büchsenwurst. Tütensuppen und Sokoladenriegel haben wir noch im Rucksack. Wasser, so hoffen wir, finden wir unterwegs. Auf unseren schönen Balkon essen wir zu Abend. Danach gehen wir noch bißchen aus. Wir setzen uns vor eine Kneipe, motivieren uns mit paar Bieren für die bevorstehende Tour, sehen dem Treiben auf der Dorfstraße zu und schauen auf unserer 5 Sterne Hotel.

Irgendwann erscheinen noch paar Leute mit Rucksäcken, diese laufen aber sehr zielstrebig am Hotel vorbei. Wahrscheinlich zu nobel.
 

Samstag, 13.8.

Früh in der Wirtschaft ist noch alles tot, Frühstück hätte es sowieso nicht gegeben. Vor einer Kneipe auf der anderen Straßenseite nehmen wir Kaffee, Croissons und Cola ein. Hinter Rodna beginnt sofort ein sehr heftiger Aufstieg, einen ausgewaschen Hohlweg müssen wir stetig nach oben klettern. Es gibt kaum schattigen Wald und es kommen erste Zweifel an der Durchführbarkeit der Unternehmung auf. Rodna liegt auf ca. 600 Metern, wir müssen auf 2200 Meter hinauf. Ziel ist ein Bergsee, genannt Lala, ein kleines Stück hinter dem Hauptkamm unterhalb vom 2279 m hohem Ineu, von dort soll das Gebirge gut in Richtung Nordwesten aufzurollen sein. Da sind wir mal neugierig.

Nach zwei Stunden Plagerei holt uns die Gruppe vom Vorabend ein, es sind Rumänen. Die Zeitangaben bis zum See schwanken von 6 bis 10 Stunden. So hängen wir uns vorsichtshalber an die Gruppe mit rann. Sie laufen etwa unser Tempo, wir machen gemeinsam Rast. Etwas weiter oben entspannt sich die Situation etwas, der Weg ist nicht mehr ganz so steil, man sieht den Hauptkamm und kann ungefähr abschätzen, was noch auf einen zukommt.

Bei einer nächsten Rast besucht uns ein Hirtenjunge, es werden Zigaretten gegen eine Art Schafskäse getauscht. Der Junge scheint die Hüterei nicht so ganz im Griff zu haben, zumindest hat er Probleme mit seinen Hunden. Den einen scheint es bei uns ganz gut zu gefallen, er bleibt stehen, der andere geht irgendwann auf Jagd und schießt wie ein Pfeil davon. Mit ausgebreiteten Armen bleibt der Junge etwas hilflos und verwirrt in der Mitte stehen.

Auf einem Sattel vor dem Kamm erwischt uns ein kräftiger Regenschauer, zum Glück ist eine recht gut ausgebaute Schutzhütte in der Nähe. Diese ist mit Schlafplätzen, Tischen, Stühlen und sogar einer Feuerstelle ausgestattet. Die Rumänen packen Gin, Tonic und Skatkarten aus, so vergeht das Warten auf besseres Wetter ziemlich schnell.

Bis ganz nach oben ist es nun nicht mehr sehr weit, die Gruppe zieht sich ziemlich weit auseinander. Der See ist Bestandteil eines Naturreservates, deshalb ist Zelten tabu. Wir finden etwas oberhalb in einem ausgedehnten Kar eine etwas geschützte Stelle. In Richtung Norden hat man einen schönen Blick über die ukrainischen Berge. Wir sind aber endbreit. Wasser zum Waschen und Kochen gibt es genug. Eiskalt in einem schönen Bächlein. Das Gebirge besteht aus nicht sonderlich porösen Gestein, so wird genug Wasser gespeichert. Es gibt viele Quellen nicht weit unterhalb vom Kamm. Eigentlich kann ich Nudeln mit roter Sose in beliebigen Mengen zu jeder Tages- und Nachtzeit essen. Irgendwie bin ich aber nach den ganzen Strapazen pappesatt und gebe nach ein paar Löffeln auf. Katrin geht es genauso. Bald wird es empfindlich kalt, wir verziehen uns in die Schlafsäcke und debattieren unter einem schönen Sternenhimmel noch bißchen über den Tag.
 

Sonntag, 14.8.

Wir schlafen recht lange, warten bis die Sonne über den Berg ist und das Zelt wärmt. Zum Frühstück gibt es Tee, Brot und Wurst aus der Dose. An einer Quelle füllen wir unsere Wasserflaschen auf, das ist nicht unbedingt notwendig, wie sich später herausstellt. Wasser sollten wir genügend finden. Das Wetter ist wunderbar, nach Regen sieht es ganz und gar nicht aus.

Wir laufen wieder auf den Sattel hoch, den Ineu schenken wir uns – das wäre vielleicht ein Umweg von einer Stunde gewesen – und schwenken in Richtung Nordwesten auf den Hauptkamm ein. Uns erwarten viele kleinere Aufstiege und Abstiege, das schlaucht schon etwas auf die Dauer, ist aber mit den Strapazen der Vortages keineswegs zu vergleichen. Ab und zu sieht man Viehherden an den Hängen des Gebirges, deshalb ist auch hier die Vegetation stark dezimiert. Irgendwelche Gräser blühen gerade rötlich - orange, das gibt einen sehr schönen, warmen Farbton. Allgemein ist das Rodna – Gebirge eher als sehr sanft zu bezeichnen, es gibt kaum felsige Abschnitte, auch unserer Kammpfad gestaltet sich sehr moderat, an Klettereinlagen kann ich mich nicht erinnern.

Wir finden so langsam unseren Rhythmus; Berg rauf, Pullover aus, Pause, Pullover an, Berg runter. Es bewölkt sich langsam, meistes scheint aber doch die Sonne. In Richtung Ineu zieht eine riesige Gewitterwand auf, es blitzt und donnert und es muß sehr stark regnen. Uns egal, wir betrachten das Schauspiel aus ca. 20 km Entfernung. Beeindruckend!

Dann liegt noch ein letzter etwas höherer Berg vor uns – der Cisia. Dahinter wollen wir uns einen Zeltplatz für die nächste Nacht suchen. Vom Berg bietet sich ein schöner Rundblick. Wir machen zwei kleine Teiche in einer Senke aus unweit des Gargalau – Sattels aus. Es geht noch mal ordentlich hinunter und wir freuen uns schon auf ein eventuelles Bad in einem der Teiche. Die Teiche entpuppen sich aber als total umgekippte Tiertümpel, da würde ich nicht mal meine Füße hinein halten – wegen der nicht zu beherrschenden chemischen Reaktionen... Egal, ganz in der Nähe befindet sich frisches Quellwasser.

Zum Abendbrot gibt es wieder Nudeln mit bißchen was dazu. Katrin ist ziemlich breit und legt sich bald ins Zelt. Ich besteige noch einen nahegelegenen Felsen und genieße noch etwas die schönen goldigen Abendfarben und den schönen Sonnenuntergang.
 

Montag, 15.8.

Früh morgens in der Dämmerung rüttelt es am Gestänge. Ich krieche völlig verpeilt aus dem Schlafsack und schaue aus dem Zelt. Draußen steht ein Hirte und erzählt irgendetwas in der hier üblichen Sprache, ich brauche bestimmt 5 Minuten, bis ich kapiere, daß er Zigaretten möchte. Wir haben keine dabei. Schade, dafür hätten wir bestimmt etwas unser Frühstück aufbessern können. Also Leute, was lehrt uns das... N I E M A L S ! ohne Zigaretten ins rumänische Gebirge wandern! Danach schlafe ich bestimmt noch 3 Stunden am Stück.

Nach dem Frühstück laufen wir wieder auf dem Hauptkamm weiter. Der höchste Berg – der Pietrosu ist schon am Horizont zu sehen. Die Tour ist praktisch die Fortsetzung vom Vortag. Leichter wird es nicht gerade. In der Nähe von einigen bizarren Felsgebilden machen wir Rast, es geht ein ziemlich starker Wind, Katrin legt sich in den Windschatten ihres Rucksackes, das sieht interessant aus. Auf der Wiese befindet sich auch ein steinerner Ring, der Ort hat etwas Mystisches. Wahrscheinlich haben wir aber alles richtig gemacht, nichts entweiht, keine schwarzen Messen veranstaltet, nicht die falschen Götter angebetet usw. ..., das Wetter sollte uns nämlich bis zuletzt wohl gesonnen bleiben.

Auffällig sind unterwegs viele vertrocknete Latschenkiefern, wahrscheinlich gab es vor kurzem mal überdurchschnittlich kalte Winter.

Bevor der Hauptkamm etwas in Richtung Norden abbiegt, wollen wir unterhalb des Vf. Rebra die letzte Nacht im Gebirge verbringen. Vorher umgehen wir einen Berg, haben bißchen Probleme, uns zu orientieren und wären fast etwas weit ab gekommen – also auf einen Nebenkamm geraten. Es geht aber alles gut und wir finden unterhalb vom Vf. Rebra ein weites Kar, welches sich nach Westen hin öffnet.

Die Stelle gefällt uns wirklich sehr gut, momentan ist es aber nicht angeraten, da hinunter zu steigen. Über den Hang wälzt sich gerade eine riesige Schafherde und wir werden mißtrauisch von mehreren Hunden beäugt. Was passiert wenn man diese subtile Bedrohung ignoriert, bekommen wir bald darauf vorgeführt. Auf der anderen Seite wollen zwei Wanderer in das Kar absteigen, kommen jedoch nicht sehr weit dafür aber mächtig Streß. Sie werden sofort am Weitergehen gehindert und müssen wieder hinauf. Nichts war mit Schlafplatz.

Wir sitzen noch ein Weilchen auf der Kante, bald verschwinden Schafe, Hunde und Hirten. Das heißt nicht ganz – irgendwann als das Zelt schon steht, kommt ein Hirte bestimmt einen ganzen Kilometer zu uns gelatscht und erkundigt sich nach Zigaretten... Siehe Ausführungen oben!

Heute gibt es mal Hummer, Sekt und Kaviar. Nein alles Quatsch – auf dem Speiseplan steht wieder Nudeleintopf. Dafür erleben wir aus dem Zelt heraus noch ein grandioses Naturschauspiel; im Westen bildet sich eine riesige Gewitterwolke, dahinter ist es heller und es sieht aus, als würde die Sonne förmlich das Wasser aus den Bergen saugen. Später erleben wir noch einen wunderschönen Sonnenuntergang.
 

Dienstag, 16.8.

Der letzte Tag der Rodna - Gebirgswanderung ist angebrochen. Über den Vf. Rebra müssen wir sowieso, so beschließen wir, den Vf. Pietrosu zu umgehen, laut unserer Karte führt ein Weg knapp vorbei. Wir hasten also auf den Vf. Repra, das ist der zweithöchste Berg des Gebirges, leider ist es sehr düsig. Wir machen paar Gipfelfotos. Danach müssen wir wieder steil hinunter und gleich wieder hinauf. Was wir nicht wußten, ist, daß der Weg nur knapp 50 m unterhalb des Pietrosa – Gipfels entlang führt. Also haken wir den Pietrosa nun auch noch ab, was sich eigentlich aber gar nicht lohnt. Viele Leute – der Berg bildet die höchste Erhebung im Gebirge, liegt nicht allzu weit von Borsa entfernt, einem etwas touristisch ausgebautem Ort an den Nordhängen des Gebirges, auf dem Gipfel befindet sich eine völlig vergammelte Wetterstation mit auf einem Aluminiumblech eingeritzten Hakenkreuzen... und die Sicht ist auch nicht besser.

Plötzlich ist es mit dem Alleinsein vorbei. Wir treffen ein deutsches Pärchen, dieses macht sich bißchen Sorgen wegen dem Wetter, sie wollen das Gebirge in der uns entgegengesetzten  Richtung durchwandern. Wir geben ein paar Hinweise.

Dann geht es endgültig hinunter. Der Weg schlängelt sich ins nächste Kar, dort befindet sich ein See von Latschen umgeben. Mittlerweile hat sich eine riesige Nebelwand herab gesenkt. Diese hängt in halber Höhe und verdunkelt die Umgebung. Wir haben Hunger, packen den Kocher aus und bereiten uns eine letzte leckere Pilzsuppe. Wir sind aber noch lange nicht unten, vorbei an einer noch intakten Wetterstation führt der Weg nun weiter in den Wald hinein.

Die Sonne kommt wieder hervor und es wird warm, richtig warm! Bald haben wir vom Weg, der kein Ende nehmen will, die Schnauze gestrichen voll. Total ausgewaschen, steinig und die Rucksäcke wollen auch nicht leichter werden. Der Weg geht in eine Art Straße über, das heißt es sind nur noch die Reste einer Straße zu erkennen. Hier müssen irgendwann Sturzbäche katastrophalen Ausmaßes herunter geschossen sein. Die Straßen haben sich in riesige Rinnen verwandelt, an deren Rändern kommt man über notdürftig errichtete Stege gerade noch so vorbei. In manchen Gärten stehen Autos... ich schätze, die Besitzer müssen vorerst laufen.

Irgendwann kommen wir völlig entnervt an einer Hauptstraße an. Wir nehmen das erst beste Hotel, für das Zimmer mit Dusche bezahlen wir 300.000 Lei. Das können wir uns leisten, denn die letzten Tag waren sehr kostengünstig. Duschen!!! Zum Hotel gehört eine Folklorekneipe gigantischem Ausmaßes, viel Holz, Wagenräder, Stroh, Antiquitäten, Kerzen, also das volle Programm, was das Herz des Reisenden erwärmt. An manchen Ecken wird auch noch gebaut, hinterm Haus stehen noch einige Gerüste.

Uns ist eher erst einmal nach Tomaten, Salat, Käse, Gurken und besonders mir nach einer Tasse Bier zumute. Wir laufen ein Stück durch Borsa, der Ort hat nicht besonders viel zu bieten. Aber immerhin gibt es Läden, Gemüsestände und Kneipen. Salatzutaten und Brot sind schnell eingekauft.

Wir können ausruhen, dazu begeben wir uns auf eine Terrasse eines nettes Cafes und lassen Bier auffahren. So langsam bekommen wir auch wieder einen Blick für die Umgebung. Hinter uns wuchern Neubauten mit einem Heizwerk, vielleicht aus den 50iger Jahren. Auf der Hauptstraße tobt aber voll das Leben, das ist eine kleine Umstellung nach fast 4 Tagen Gebirge. Auffällig sind uns die vielen Autos mit italienischen Kennzeichen, die Typen, die da ihre Runden fahren, ständig ein und aussteigen und permanent an ihren Handys spielen möchten auch gern sehr italienisch aussehen. Sie sind aber alle durchweg Rumänen mutmaße ich, wahrscheinlich verbringen sie nur ihren Urlaub in der Heimat.

Wieder im Hotel angelangt, schnippeln wir uns einen leckeren Salat in den Topf. Dazu gibt es Käse und Rotwein - auf die erfolgreich absolvierte Gebirgstour. Sogar für musikalische Umrahmung ist gesorgt, erst finden wir im Fernsehen einen rumänischen Musiksender. Der ist gar nicht mal so uninteressant, besonders weil viel rumänische Musik von Hip Hop bis Metal zu hören ist. Das soll es aber noch nicht gewesen sein... in der Kneipe beginnen bald die Boxen zu dröhnen. An Schlaf ist später nicht zu denken, wenigstens kenne ich jetzt alle Spielweisen der einheimischen Folklore.
 

Mittwoch, 17.8.

Wir vertilgen das Übriggebliebene vom Vorabend, die Kartusche gibt noch seinen Rest für ein Teechen zum Frühstück. Die letzten paar Tage wollen wir in Viseu de Sus  verbringen und von dort dann weiter über Cluj-Napoca in Richtung Heimat fahren. Danach stellen wir uns gemeinsam mit ein paar Rumänen an die Straße bis eine Art Sammeltaxi in Form eines Kleinbusses hält. Sehr gut gefüllt fährt dieses mit uns bis vor ein nettes kleines Cafe mitten in Viseu de Sus.

In einem sehr guten und sehr informativen Buch „Die rumänischen Waldkarpaten / Untertitel: Maramures, Viseu de Sus und ein Abstecher in die Bukowina" / 1998 / Autoren: Michael Schneeberger und Frank-Michael Lange / Verlag Schelzky & Jeep / ISBN: 3-89541-139-6  erfahren wir, daß eine gewisse Frau Bota Unterkünfte bei den deutschen Familien der Zips vermittelt. Der Kopierladen in dem die Frau arbeitet ist schnell gefunden. Sie verspricht, sich um eine Unterkunft zu kümmern und hängt sich ans Telefon. Wir verabreden uns für Nachmittag, lassen unsere Rucksäcke im Laden stehen und unternehmen eine kleine Erkundungstour. In der kurzen Zeit im Laden sind Katrin einige Hinterglasmalereien aufgefallen... Ob diese wohl zum Verkauf gedacht sind? So richtig geht Ihr diese Sache nicht mehr aus dem Kopf.

Der Ort hat nicht so sehr viel ansehnliches, paar Märkte , paar Kirchen, allerdings eine sehr interessante Holzkirche. Diese wurde 1995 fertig gestellt. Ein Laubengang im Eingangsbereich erinnert konstruktiv sogar an die Umgebindebauweise der Oberlausitz. Sehr schön.

Punkt 15 Uhr stehen wir wieder im Laden. Frau Bota hat was für uns. Wir können bei einer Nachbarin von ihr für 20 DM mit Abendbrot und Frühstück wohnen. O.k. Katrin erkundigt sich nach den Malereien. Diese sind wirklich käuflich zu erwerben und dies zu einem sehr moderaten Preis. Es dauert noch etwas bis sich Katrin entschieden hat, immerhin gilt es zwischen, ich glaube, mindestens 3 Bildchen zu wählen.

Es erscheinen noch zwei Deutsche. Diese wohnen bei Frau Bota und nehmen uns in die Zipserei mit, sie scheinen ziemlich ortskundig zu sein. Dann gibt es erst mal einen Begrüßungsschnaps. Das Zimmer bei den Nachbarn ist wohl noch nicht ganz hergerichtet. Wir kommen bißchen ins Gespräch und erfahren, was man alles in der Umgebung so unternehmen kann. Waldarbeiter-Bahn ins Vasertal, Fahrt mit der Grubenbahn durch ein Bergwerk für eine Flasche Schnaps, wir hören von freundlichen Menschen in kleinen Dörfern. Na ja, mit unseren Reiseerlebnissen müssen wir uns auch nicht gerade verstecken. Leider haben wir nicht mehr viel Zeit. Aber als Anregung für eine nächste Rumänienreise sind diese Dinge schon wertvoll zu wissen. Eine ältere Frau möchte uns andauernd Geschichten erzählen, leider ist sie ganz schlecht zu verstehen. Liegt wohl am eigentümlichen Dialekt. Schade.

Irgendwann geht es hinüber zu den Nachbarn, sehr nette Leute. Wir wohnen direkt mit im Haus und beziehen ein hübsches Zimmerchen. Als erstes fällt mir ein Schrank mit Unmengen von Porzellanpüppchen und –elefanten auf. Irgendwie deutsch.

Bis zum Abendbrot ist noch bißchen Zeit. So machen wir noch einen kleinen Spaziergang durch die Zipserei. ....  Der Hunger treibt uns bald zurück. Es wir aufgetafelt. Gemüsesuppe, Buletten mit Kartoffeln und Zwiebeln. Süß saurer Salat und als Nachtisch Apfelkuchen. Wie zu Hause.

Mit den zwei Deutschen aus der Nachbarschaft rücken wir noch für ein Stündchen in eine nahe gelegene Kneipe. Wieder zurück läuft im Fernsehen Fußball; Deutschland gegen Spanien. Bei der Familie wohnt ein österreichischer Zivi. Malteser. Er betreut ältere Leute im Quartier, Österreicher und Deutsche, er macht so ziemlich alles vom Blutdruckmessen bis Holzhacken.
 

Die Rückreise

Ausschlafen! Wir sitzen im Garten, hören uns ein paar Geschichten über die Zips an, laufen einen Hügel hoch. Von dort hat man einen schönen Blick über die Gegend, sieht in der Ferne die drei Kirchen von Viseu de Sus. Der Vater fährt uns zum nächsten Bahnhof nach Viseu de Jos, von dort soll gegen 14 Uhr ein Zug nach Cluj-Napoca fahren. Nach 5 Stunden durchgeschüttelt, durchschwitzt und leicht genervt erreichen wir gegen 19 Uhr Cluj-Napoca.

Eigentlich möchten wir noch einen Tag die Stadt ansehen und um Streß und Zeit zu sparen, uns eine Absteige in der Nähe des Bahnhofs suchen. Das funktioniert leider nicht so ganz. Nicht mehr frei, wird uns an den Rezeptionen erzählt. Das glauben wir zwar nicht, müssen die Antwort aber akzeptieren.

Wir laufen ein Stück in Richtung Innenstadt. Cluj-Napoca ist eine Großstadt, irgendwann reicht es und wir beschließen, noch in der Nacht weiter über Oradea nach Budapest zu fahren. Bis dahin ist aber noch massig Zeit. So verbringen wir noch eine recht angenehme Zeit auf dem Bahnhofsvorplatz in einem netten kleinen Cafe bei Bier und Knabbereien und werten schon mal bißchen die Reise aus. Unser Verdacht bestätigt sich: im gegenüberliegenden Hotel ist kein Fenster beleuchtet. Frechheit!

Der Zug nach Budapest ist recht leer. Wir können uns breit machen. Leider müssen wir nun doch noch für die nicht vorhandenen Visa bezahlen. Ein moderater Preis. Katrin bekommt ihre Antiquitäten ohne Probleme aus dem Land, d.h., es fragt niemand danach. Der Mann in Uniform war wahrscheinlich über die kleine Nebeneinnahme so erfreut, daß er glatt vergaß, die Rucksäcke zu kontrollieren. So hat dieses also auch sein Gutes.

Gegen 9 sind wir in Budapest auf dem Nyugati und wir wollen nur noch irgendwie so schnell wie möglich nach Hause. Katrin bemüht sich um eine Auskunft. Die Frau am internationalen Schalter ist extrem unfreundlich, versteht wahrscheinlich nur Ungarisch. Na ja, irgendwie müssen wir zum Keleti hinüber. Dort soll in einer Stunde etwas nach Deutschland fahren. Wir reißen irgendwelchen Rucksackleuten einen Stadtplan aus der Hand... Verflucht, das sieht ziemlich weit aus. Schnellen Schrittes stürmen wir los, nicht gerade sehr angenehm bei 30°C und Sommersmog. Auf dem Keleti müssen wir wegen Platz- und Zuschlagkarten experimentieren, sonst bezahlt man nämlich in jedem beschissenen Kleinstaat bei jedem beschissenen Schaffner, kaufen noch Limonade und Kekse und sitzen wohl ungefähr eine Sekunde vor Abfahrt im Zug. Geschafft!

Im Zug wartet noch eine kleine Überraschung, die Klimaanlage im EC Budapest – Berlin ist kaputt. Na schön, schwitzen wir eben noch bißchen weiter. Irgendwie vergeht die Zeit aber mit Schlafen, Lesen, Quatschen, Raussehen.

Gegen 20.30 Uhr kommen wir mit leichter Verspätung in Dresden an.

Verabschiedung.

Ein abenteuerlicher und schöner Rumänienurlaub ist zu Ende gegangen. Und ich bin mir ziemlich sicher: DAS MACHE ICH WIEDER!